February 26 2023

Panik bis Mitternacht

Wer unter Schweizer Flagge auf den Weltmeeren umherschippert, ist verpflichtet alle drei Jahre den sogenannten Flaggenschein zu erneuern (Vergleichbar mit der regelmässig anfallenden Prüfung für Motorfahrzeuge in der Schweiz). In erster Linie geht es um den Nachweis der Seetauglichkeit der Yacht. Dieser erfolgt anhand einer Checkliste, die in Eigenverantwortung ausgefüllt wird. Ich korrigiere – so war es jedenfalls die letzten Jahre.

Das Mail vom schweizerischen Seeschifffahrtsamt wird gerade von Kapitän Thomas in aller Ruhe bearbeitet, bis er entdeckt, dass sich etwas geändert hat. Wir brauchen einen Experten, der die Yacht prüft! Gibt es sowas in Mexiko? Ich rufe den einzigen Experten den ich im Golf von Kalifornien finden konnte an.  Er will für die Prüfung je nach Aufwand zwischen 600 und 1000 US-Dollar plus die Spesen für den Flug von San Carlos nach La Paz! Jetzt liegt aber Panik in der Luft! Wegen der Zeitverschiebung können wir erst ab Mitternacht in der Schweiz anrufen, um die Sachlage zu klären. Nervös vertreiben wir die Zeit, indem wir mit den pyrotechnischen Notsignalen herumhantieren. Checken sie erneut nach dem Ablaufdatum durch. Nach drei Jahren sind diese zu ersetzen. In Chile haben wir spaßeshalber eine 18 Jahre alte Seenotrakete für die 1. Augustfeier gezündet. Zu unserem Erstaunen ist dieses tatsächlich tadellos in Richtung Mond gesaust! Thomas verschwindet im Motorraum und ich klettere auf den Mast, checke dabei die Wanten und Fallen auf Abnutzungserscheinungen. Alles scheint in Ordnung zu sein. Dennoch sind wir besorgt, was so ein wachsames Expertenauge alles entdecken könnte. Uns wäre lieber, der Experte kommt, nachdem wir auf der Werft waren und die Robusta frisch gewartet ist.

Vom Kriegsschiff, welches in unserer Nähe liegt, ist ganz schwach acht Mal ein Doppelschlag der Schiffsglocke vernehmbar welche Mitternacht ankündigt. Wer ruft an? Du – nein – ich oder doch lieber du?? Nach wenigen Minuten am Telefon ist alles geklärt. Es handle sich um einen Übersetzungsfehler im Formular! Wir brauchen keinen Experten. Alles bleibt, wie es war. In einem Land in welchem vier Amtssprachen existieren, kann sowas schon mal vorkommen.

Gute Nacht! Erleichtert fallen wir nun in die Kojen

 

 

 

January 23 2023

Gammelschiff

Um Robusta vor solch einem Zustand zu bewahren, braucht sie regelmässig Pflege. Der letzte Unterwasseranstrich ist nun schon zwei Jahre alt. In Alaska hat der Ökoanstrich gegen das Wachstum von Algen, Muscheln und anderen Organismen gut gewirkt. Doch bei dreissig Grad warmem Wasser und all der Scheisse, die in La Paz nahezu ungeklärt in die Lagune fliesst, wirkt dieses Zeug eher wie Dünger! Für den grossen Sprung nach Kanada, muss Robusta im perfekten Zustand sein. Um eine gründliche Wartung vorzunehmen, soll sie in einer Werft aus dem Wasser gehoben werden. 

Nun tauchen unerwartete Probleme auf. Es scheint keine Werft zu geben welche die Besitzer an ihren eigenen Yachten arbeiten lässt. Sie beschäftigen ihre Arbeiter zu absolut miesen Löhnen, kassieren jedoch von den Yachties Preise wie in den USA. In der Werft auf dem Boot wohnen ist ebenfalls nicht erwünscht. Die Preise überraschen für ein Billigland wie Mexiko ebenfalls. Je südlicher, umso teurer wird alles. Letztes Jahr war das noch anders. Damit haben wir nun nicht gerechnet. Erst erkunden wir die Werften in La Paz. Auf den ersten Blick sieht alles toll aus. Doch bei genauerem Nachfragen tauchen immer mehr zusätzliche Kosten auf. Die alteingesessenen Segler empfehlen Guaymas, San Carlos oder Puerto Peñasco für Wartungsarbeiten. Diese Orte liegen  dort, wo wir gerade hergekommen sind! Angedacht war, im neuen Jahr mit Freunden in den Süden nach Mazatlán zu segeln. Die Wintermonate eignen sich dort perfekt, um am Schiff zu arbeiten. Angenehme 25 Grad Tagsüber, und vor allem fällt zu dieser Jahreszeit kein Regen. Ideale Bedingungen um an einem Stahlschiff zu arbeiten.

Im Frühjahr soll es losgehen. Laurie und Marvin planen ebenfalls mit ihren drei Kindern nach Hause in den Norden zu segeln. So sitzen wir oft zusammen und brüten über Seekarten, Nautischer Lektüre, lesen Reiseberichte von Seglern und tauschen uns über die gesammelten Erfahrungen aus. Unsere zwei Yachten könnten nicht unterschiedlicher sein. Katamaran und Stahlkutter. Beide mit total unterschiedlichen Segeleigenschaften. Trotzdem macht es Spass gemeinsam zu planen und wir nehmen das Rennen gegen den Kat gerne auf, obwohl schon im vornerein klar ist wer gewinnen wird.

Doch erst geht es noch immer darum, die optimale Werft zu finden. Ich denke da müssen wir nochmals intensiver nachforschen.

 

December 28 2022

Isla Partida

Für Weihnachten segeln wir zur 25 Seemeilen entfernten Isla Partida. In der Bucht liegen fünf weitere Yachten vor Anker. Dort verbringen wir gemeinsam mit Kathi und Alex und deren Eltern, die von Deutschland zu Besuch sind, ein paar nette Tage. Ihre Yacht haben sie diesen Herbst in Mexiko gekauft. Ich muss sagen, die haben ein echtes Schnäppchen erwischt. Eine tolle alte stabile und liebevoll gewartete Ketch! Innen wunderschöner Holzausbau, sehr viel Stauraum und von den alten Besitzern noch so mancherlei großartige Dinge die sie ihnen überliessen. Die Preise für Yachten sind in Mexiko derzeit nach der Pandemie am Boden. Die Werften sind voll davon. Viele Amis segeln nach Mexiko und verkaufen bald darauf ihre Yacht, weil es zu mühsam ist sie wieder in den Norden zu segeln. Somit ist der Markt richtiggehend überschwemmt. Doch aufgepasst: Steht eine Yacht zu lange in extremer Hitze an Land, geht vieles kaputt. Fensterdichtungen trocknen aus, Seeventile werden undicht, Teakdecks trocknen aus, Lacke lösen sich vom Holz und so weiter.

Für Weihnachten ist vereinbart, alle bereiten etwas Leckeres zum Essen zu. Da von Dezember bis März die Temperaturen unter die Gürtellinie fallen, ich rede von tagsüber angenehmen 25 Grad und nachts im Schnitt 15 Grad, findet die die Feier im geschützten Cockpit der Robusta statt. Wahrscheinlich lachst du jetzt. Doch nach so einem heissen Sommer kommt uns das kalt vor.

Ein lustiger ausgelassener Abend mit viel feinem Essen und etwas zu viel Alkohol wird in Erinnerung bleiben. Speziell der Fisch, auf den wir uns besonders gefreut haben, vergesse ich nicht so schnell wieder. Nach den ersten Bissen schauen wir uns verstört an. Niemand will diese zähen Monster mit der hässlich braunen Haut essen. Nun berichtet Alex, was ihm beim Braten schon komisch vorkam. Die Haut hätte sich gekringelt und dabei eine klebrige Flüssigkeit erzeugt. Die Fische wollten einfach nicht flach in der Bratpfanne liegen bleiben. Von denen hatte es am Riff die meisten meinte Kati. Im Nachhinein wird auch klar warum.

Isla Partida ist genial zum Wandern. Vor allem das Flussbett hochklettern ist eine spannende Herausforderung. Denk dabei bloss nicht an Wasser! Ausser Felsen, Stachelgestrüpp Kakteen Spinnen und Schlangen ist da nix. Oben angekommen, wirst du mit einer fantastischen Aussicht in alle Himmelsrichtungen belohnt!

Das Wasser ist wie in der Karibik türkisblau und immer noch angenehm warm. Schildkröten, Schwärme von kleinen Fischen und Rochen, auf die du auf keinen Fall treten darfst, beobachten wir mit Schnorchel und Taucherbrille. An den Riffen tummeln sich auch grössere Fische und Seehunde. Doch nichts ist vergleichbar mit den bunten Korallen der Südsee. Taucher berichten jedoch, das spezielle an der Sea of Cortez ist, die Im untiefen Wasser sammeln wir Muscheln und bereiten damit leckere Speisen zu oder essen sie roh mit Limettensaft.

Das Wetter schlägt um. Eine Front bringt westliche Winde was bedeutet, dass der Schwell direkt in die Bucht reinlaufen wird. So hauen alle Yachten ab, um in einer andern Bucht Schutz zu finden. Silvester wollen wir eh in La Paz mit Freunden in der Tequillas Bar feiern. So nutzen wir die Front um zügig nach La Paz zurück zu segeln.

December 9 2022

Ankerpause mit Werkzeug

Die nächsten Tage sind wir mit kleineren Wartungsarbeiten beschäftigt.

Ich habe mich an Deck eingerichtet. Doch nach wenigen Minuten brennt mir die Sonne bereits zu stark auf die Rübe. So spanne ich ein Sonnensegel. Ist nicht ganz einfach, denn am Anker dreht sich die Robusta immer wieder mal und der Schattenplatze wandert entsprechend.  Thomas räumt die Backskisten auf und putzt diese gründlich. Der Holzrost sieht übel aus. Den streiche ich mit einer unmöglich pampigen Farbe, die sich schwer zwischen den Latten verteilen lässt. Dachte diese Arbeit dauert etwa eine Stunde. Falsch gedacht, ich war den halben Tag damit beschäftigt. An den hölzernen Steckschotts blättert die Farbe ab. Kratze und schleife den Lack ab und male sie anschliessend  mit Zwei-Komponenten-Klarlack (verliert den Glanz wenn an der Sonne verarbeitet.) Dieser Prozess wird dreimal wiederholt. Ich schaffe bei diesen Temperaturen zwei Anstriche pro Tag. Das ist genial. Das schöne hölzerne Steuerrad schreit förmlich nach Nahrung. Durch die trockene Luft der Wüste ist es total ausgetrocknet. Für die Pflege verwende ich Leinöl. Dabei bin ich immer etwas besorgt, denn die Lappen können sich entzünden. Freunde haben ihre Holzböden damit geölt und die Lappen in den Müll geschmissen. Dann ist ihnen die ganze Bude abgefackelt. So entsorge ich sie in einer gut verschliessbaren Dose und transportiere diese noch am selben Tag zum Müllcontainer an Land. 

Thomas nimmt sich den Rumpf vor, worüber ich sehr froh bin. Er taucht , an einer Leine um den Bauch an der Robusta festgebunden, mit Schnorchel und Taucherbrille etliche Male ab. Dabei wird er von all den kleinen Lebewesen die sich im Bewuchs eingenistet haben attackiert. Krill kriecht in die Ohren und hängt in der ganzen Frisur! Nach einer Stunde Schwerstarbeit wird die Gezeitenströmung bereits wieder zu stark. Der Bewuchs ist so dicht, dass unsere Freundin Paola mit ihrem Tauchkompressor den Job fertig machen muss. Immerhin ist ein grosser Teil der Arbeit bereits erledigt.

December 4 2022

La Paz zum Zweiten


Die Anfahrt in die Lagune ist wegen starken Strömungen und Untiefen nicht ganz Ohne. Zudem herrscht oft viel Verkehr, verursacht durch Hochseeyachten, Cargo Schiffe und die rasenden Pangas, die Touristen für allerlei Abenteuer zu den schönen Stränden mit türkisfarbenem Wasser bringen. Ein Beispiel, das Seezeichen, welches letztes Jahr fehlte – fehlt immer noch. Also aufgepasst!

und was ist hier los????

In der Lagune von La Paz liegen an die hundert Yachten vor Anker. Die Marinas sind prall voll. Da Mexiko während der Pandemie immer offen war, hat sich ein Stau gebildet. Für uns ist klar, wir werden ebenfalls ankern. Diesmal wählen wir einen Platz im Norden der Lagune. Bei den Mangroven gibt es allerlei Vögel und Delfine zu beobachten. Dort bläst der Wind meist ablandig und erzeugt deshalb keine Wellen. Der Nachteil liegt bei der Distanz zur im Zentrum gelegenen Marina La Paz. Dazwischen liegt eine lange Sandbank die während Ebbe für eins bis zwei Stunden knapp bis nicht passierbar ist. In der Marina kannst du das Dinghi gegen Bezahlung sicher parken. Das ganze Gelände ist eingezäunt und mit Kameras überwacht. Zudem sorgen Nachtwächter für Sicherheit. Mit unserem PortaBote Dinghi, mit dem zwei Pferde Motor bestückt, dauert die Überfahrt je nach Strömung etwa zehn Minuten (1.2km). Wir sind nach wie vor glücklich dieses kleine, leichte Faltboot angeschafft zu haben. Es prescht genauso sicher, nur etwas langsamer als andere Dinghies durch die raue See – jedenfalls bis auf den Vorfall als Thomas allein vom Ausgang kam…. (ich darf keine Details dazu erwähnen. Das musste ich versprechen). Lustig ist jedoch, wie die Story noch immer die die Runde macht. Immer wieder kommt uns diese Anekdote in den buntesten Versionen zu Ohren und entfacht angeregte Diskussionen zum Thema Sicherheit. Wenn sich Thomas dann zu erkennen gibt, hat schon so mancher einen Lachanfall gekriegt. Aber stimmt schon, denn die Lagune von La Paz hat’s echt in sich. Starke Gezeitenströmungen bis zu vier Knoten, können die See speziell bei Wind gegen Strom, kräftig aufwühlen. Nicht auszudenken, was da alles geschehen hätte können.

So nun freuen wir uns auf die Stadt. Doch erst statten wir den umliegenden Nachbarn einen Besuch ab, um uns bekannt zu machen. Tauschen Telefonnummern aus, die einen quatschen mit uns über die Reeling gelehnt, während wir uns wegen der Strömung angestrengt an deren Yacht festklammern und dabei nass werden. Andere sind freundlicher. Sie laden uns gleich spontan ein in ihr Cockpit zu klettern. Diesbezüglich gehören wir eher zu den freundlichen Seglern. Besuch erfreut uns immer. Einfach nicht vor 10 Uhr morgens. 

Für den Sonnenuntergang knattern wir in die Stadt und mischen uns nach zwei Monaten in völliger Abgeschiedenheit der Baja California, voll in den Kontrast. Schlendern dem wunderschön gestalteten Malecon (Strandpromenade) entlang und saugen all die Eindrücke ein. Kunstwerke, Spielplätze, Fressbuden auf Rädern und all die Restaurants und Bars aus denen laute Beatz sich mit den wummernden Bässen der vorbeifahrenden Autos vermischen. Kinder vergnügen sich auf Skateboards und mit allerlei kuriosen Gefährten zum Mieten. Inmitten so vieler vergnügter Menschen den Sonnenuntergang zu bestaunen, fühlt sich toll an.

Es ist noch früh. So laufen wir zu Toms Haus um ihn spontan zu besuchen. Zu unserer Überraschung ist dort die ganze Bande zum American Football schauen versammelt! Wie cool, alle sind da! Toms Hütte und Garten sind brechen voll. Es gibt viel zu erzählen und wir fühlen uns, als wären wir zuhause angekommen.

November 30 2022

Tingeln zurück nach La Paz

Während den nächsten zwei Monaten ankern wir in vielen Buchten entlang der Ostküste der Baja California. Faszinieren tun uns vor allem die Wälder aus riesigen Cardon Kakteen mit ihren charakteristisch emporragenden Armen. Die kennst du bestimmt aus den Lucky Luke Comics. Die bis über zwei tausend Meter in den Himmel ragenden Berge, glühen in der Abendsonne in Rot- und Goldtönen. Nachts durchbricht das Heulen der Kojoten die Stille. Wahnsinn wie viel Leben in solch einer kargen Umgebung vernehmbar ist. Tagsüber streifen wir oft stundenlang mit Freunden der Seglerkarawane durch die Pampas. Eine fast homogene Gruppe aus Nordamerika. Gute Lederschuhe mit fetten Sohlen, die vor Stacheln schützen, müssen wir erst wieder ganz tief aus dem Bauch der Robusta graben. Lange Hosen und Hemd schützen vor allerlei Insekten wie Sandflöhe, Feuerameisen, Spinnen, Skorpione und die nervigen Moskitos, die hier nach der Hurrikan Saison das Dengue Fieber übertragen. Obwohl allerlei Stachelgestrüpp die zerklüfteten Felsformationen überwuchern, geht es einigermassen gut zum Wandern. Das “einigermassen” bezieht sich auf die teilweise sehr lockeren Steine in den Felsen.

Die Pandemie scheint nun vorbei zu sein. Nach und nach öffnen Länder ihre Grenzen. Für einige Staaten gelten jedoch strengere Einreisebestimmungen als vor dem Lockdown. Sieht so aus als kommt wieder Bewegung auf. Uns Segelnden Wesen wachsen akut die Seebeine nach. Träume über den Horizont zu segeln, werden bald Realität. Doch nicht alle trauen der Lage. Es wird rege diskutiert und freudig Pläne geschmiedet. 

Um von Mexiko nach Europa zu gelangen, wäre eine Möglichkeit via Panama Kanal in die Karibik und weiter nach Europa. Bis Panama sind die Windverhältnisse wechselhaft und schwach. Sowas bedeutet viel Strecke unter Motor zurücklegen. Der Panamakanal wäre super spannend. Wenn ich mir vorstelle, mit der kleinen Robusta zwischen riesigen Frachtpötten durch die sechs Schleusen zu schippern, kräuseln sich die Haare an meinen Beinen. Diese Idee verwerfen wir jedoch schnell. Einerseits schrecken die hohen Kosten für den Kanal ab, und wegen der Hurrikan Saison ist die Zeit von sechs Monaten sehr knapp, um von Mexiko bis durch die ganze Karibik erneut in die Hurrikan freie Zone zu gelangen. Oder über Polynesien – Asien – Somalia – Suezkanal um nach Europa zu gelangen. Doch da sind die Piraten und im Nahen Osten ist die Lage immer angespannter. Alles andere wäre noch viel weiter. Was wird aus der Robusta wenn wir endlich in Europa angekommen sind? Wir Schweizer wohnen zu weit vom Meer entfernt. Traurig, aber eine Tatsache mit der wir leben müssen. Immer mehr entwickelt sich der Plan, zum Abschluss unseres Abenteuers, nochmals nach Kanada zu segeln und das Schiff dort verkaufen. Unser Stahlkutter passt perfekt in die hohen Breiten. Von Mexiko nach Kanada zu Segeln ist jedoch eines der schwierigsten Unterfangen. Zu den Herausforderungen zählen Starke Strömungen, Gegenwind und unbeständiges Wetter. 

Doch erst müssen wir beide nochmals nach La Paz zum Zahnarzt. Die Implantate sollten jetzt eingeheilt sein, um die Kronen zu setzen.

 

November 1 2022

138 Jahre Santa Rosalia

“Das Dorf das nicht sterben wollte”

Mir gefällt das kleine Kaff ausserordentlich! Thomas hat nicht zu viel versprochen. Komme mir vor wie in einer Filmkulisse aus einem Wild-West-Film. Eigentlich komisch, denn die Stadt wurde von Franzosen gebaut. 

Mittlerweile ist die Marina voll. Thomas hat mit den meisten von ihnen den Sommer im Norden verbracht. Tagsüber herrscht emsiges Treiben. Ersatzteile werden angeschafft, Segel repariert, Sägen kreischen, Staubsauger, Bohrer und Kärcher dröhnen zwischen den Yachten. Wäsche waschen und sogar ganze Motoren werden zerlegt. Alle sind mit mehr oder weniger grossen Problemen beschäftigt. Thomas hängt ganz oben im Mast, um die Funkantenne zu reparieren und kontrolliert gleichzeitig die Wanten und Fallen. Ich habe mich mit der Nähmaschine auf dem Steg ausgebreitet. Die Reisverschlüsse am Deckshaus müssen ersetzt werden. Der Aussenborder vom Dinghi bekommt ebenfalls Pflege. Die Wartung vom Scheisshaus haben wir uns aufgeteilt. Entschuldige die Ausdrucksweise. Doch es ist eine grässlich stinkige Arbeit. Das Gemisch von Salzwasser – Pisse – und Kacke erzeugen hartnäckige Ablagerungen in den Leitungen.  Und leider verirren sich manchmal kleine Fische durch den Ansaugschlauch der Spülung im System und beginnen fürchterlich zu stinken. Der Natur zuliebe bitte nur mechanisch reinigen. Um Robustas Bauch vom Bewuchs zu säubern, haben wir einen Taucher engagiert.

Während der nächsten Woche findet allerlei statt. Amerikaner planen in der Marina eine Halloween Party, Santa Rosalia feiert Geburtstag und am folgenden Wochenende ist der Dia de Muertos (Tag der Toten). In der kleinen schmucken Stadt herrscht Hochbetrieb. Bühnen, Marktstände und mehrere antike Kirmesbahnen werden aufgebaut. Ich schwöre, die wären in keinem anderen Land mehr funktionstüchtig. Doch der Mexikaner repariert alles, was noch so hoffnungslos erscheint! Bevor die Menschenmassen für das Fest in die kleine Stadt strömen, fährt ein Lastwagen jede Strasse ab. Beladen mit einem laut knatternden Generator und einem Fass gefüllt mit Chemikalien, aus dem ein Arbeiter per Kompressor dichten Nebel in jeden Winkel versprüht. Gleichzeitig  weist er per Megafon die Bevölkerung an, alle Fenster zu öffnen. Und schon legt sich ein übel stinkender Schleier über die Pizzas und unsere Körper. Die Aktion dient als Prävention zur Ausbreitung von Denguefieber, welches durch Mücken übertragen wird.

Die Festivität beginnt mit der MissSantaRosalia Wahl. Cool finden wir, dass nebst Schönheit viel Wert auf Sympathie und Auftreten gelegt wird. Zum krönenden Abschluss spielt die Big Band «Banda Limon». Das Publikum tanzt und tobt vor Begeisterung ausgelassen. Dezibel Begrenzung kennt hier keiner. Unsere Ohren bimmelten danach noch tagelang.

Am Tag der Toten «Dia de los Muertos» wird es wieder ruhiger. Kinder präsentieren ihre kunstvoll gestalteten Kostüme. Danach, in der Nacht vom 1. November gehen Familien auf den Friedhof. Die Gräber werden mit Kerzen und Plastikblumen dekoriert, Angehörige bringen die Lieblingsspeisen für die Verstorbenen mit, um ihre Seelen anzulocken. «Cempasuchil», der Duft der Ringelblume wird ihnen den Weg in die Welt der Lebenden weisen. Anders als auf den Gräbern handelt es sich hier um echte Ringelblumen, sonst würde das mit dem Lockduft ja nicht funktionieren.

Zwei Wochen später ziehen die meisten von uns weiter in Richtung Süden, um auf dem Weg nach La Paz in den vielen geschützten Buchten der Baja California zu ankern. Santa Rosalia hat uns sehr gut gefallen.

 

 

October 25 2022

Morgen beginnt heute

Die Hurrikan Saison nähert sich dem Ende. Der Wind weht von nun an bis im Frühjahr hauptsächlich aus Nord, was die ätzende Hitze endlich weichen lässt. Im Norden vom Golf von Kalifornien (Mar de Cortez), kann es im Winter sogar empfindlich kühl werden. So wälzt sich die Segler-Karawane mit dem Rhythmus der Natur gegen Süden. Die Festtage planen einige in La Paz oder noch weiter südlich wie Mazatlán oder Puerto Vallarta zu verbringen. Dort ist es selbst im Winter angenehm warm. Ab Mai, wenn der Wind wieder dreht, fliehen die Segler in den Norden, raus aus der gefährlichen Hurrikan Zone.  Aus Sicht der Versicherungen dauert diese vom Juni bis November. Nördlich von Santa Rosalia treten Hurricane selten auf. Einige deponieren für diese Zeit ihre Yacht in einer Werft und reisen für diese Jahreszeit nach Hause. Somit schliesst sich der Kreislauf der Mar de Cortez Runde. Wir lernen Leute kennen, denen gefällt Mexiko so gut, dass sie bereits mehrere Jahre diese besagte Runde – von der Wüste zum tropischen Regenwald und zurück, gedreht haben.

Mexiko ist ansonsten der Absprungort für grössere Reisen. Entweder via Panamakanal in die Karibik oder wer sich auf eine Weltumsegelung einlässt, zieht von hier über den Äquator westwärts. Zum Beispiel nach Polynesien, was während den letzten zwei Jahren wegen Covid19 nicht mehr möglich war. Auch wir machen uns Gedanken über die Zukunft. Dabei ist die Westküste von Kanada  immer wieder in Erwägung geraten. Doch ist es eines der schwierigsten Routen von Mexiko in den Norden zu gelangen. Nicht jede Crew oder Yacht ist fähig, diese lange Etappe gegen Wind und starke Strömungen zu meistern. Wir waren bereits dort, doch während das Covid19 Virus grassierte. Damals durften wir nur durchreisen. Ohne einen Fuss an diese bezaubernde wilde Insellandschaft zu setzten. 

Doch erstmal geniessen wir das seltene Ereignis, sicher im Hafen von Santa Rosalia zu liegen. Es handelt sich um eine kleine staatliche Marina mit 20 Liegeplätzen. Einen Monat hier zu liegen, kostet gleich viel wie eine Woche sonst wo in Mexiko. Eine schöne grosse Dusche, obwohl Wasser in der Baja California Gold wert ist, und zu unserem Erstaunen befindet sich sogar ein kleines Schwimmbad auf dem Dach! Mit der Waschmaschine hatte ich jedoch Pech. Jemand vor mir hat offensichtlich seinen Hund darin gewaschen. Weisse lange Haare haften nun an der ganzen Wäsche. An der Menge nach zu beurteilen, handelt es sich um einen sehr grossen Hund. Ich weiss wem der gehört….. wer mich kennt, weiss, dass ich Hunde liebe.

October 20 2022

Gut geplant – gut gereist

Thomas werde ich in der Baja California treffen. Um diese Reise kümmere ich mich erst jetzt, wo ich bereits in Mexiko City bin. Nun durchforste ich das Netz nach Flügen, statt die Stadt zu geniessen. Von hier scheint es keinen simplen Weg nach Santa Rosalia zu geben. Angedacht war, von Mexiko City nach Loreto zu fliegen. Dort in einen Bus zu steigen und schon bin ich in Santa Rosalia. In Loreto verweilen während den Wintermonaten viele Amerikaner. Darum landen dort nur Flüge aus den USA! Leicht entnervt verkünde ich Thomas meine neuen Reisepläne. Flug nach Cuidad Obregon, Weiterreise mit dem Bus nach Guaymas.  Am späten Abend setzt die Fähre von dort nach Santa Rosalia über. Thomas meint jedoch, da sei keine Fähre. Das steht aber so im Internet! Doch seit der Pandemie ist diese Verbindung über den Golf von Kalifornien tatsächlich nicht mehr im Betrieb. Was für ein Mist, den Flug habe ich bereits gebucht! jetzt wird es aber kompliziert!!

Thomas erklärt sich bereit, über den Golf von Kalifornien zu segeln, um mich in Guaymas abzuholen. Ich bin unendlich erleichtert!

Seit ein paar Tagen plagt mich ein hartnäckiger Husten. Dieser Fakt bereitet mir Sorgen. Meine Augen brennen ebenfalls. Ist es die dreckige Luft? Seit der Pandemie glotzen dich doch alle hell entsetzt an, wenn du es wagst, in der Öffentlichkeit zu husten. Und dann erst im Flugzeug? Da kann ich mir durchaus vorstellen, wenn ein bellender Husten sogar die schreienden Babys übertönt, gar Panik ausbrechen könnte…. Ich treffe sämtliche Vorkehrungen, um keine multiplen Panikattacken auszulösen. Trinke literwiese Tee mit Honig und kaufe einen starken Hustenstiller. Zusätzlich stülpe ich mir eine dieser deutschen Hochsicherheitsmasken über’s Gesicht. Darum habe ich keine Bedenken, mich asozial zu verhalten. 

Erst fliege ich nach Cuidad Obregon. Von dort geht die Reise per Taxi und mit dem Bus weiter. Drei Stunden durch gefährliches Gebiet. Durch Sonora führt ein wichtiger Transitweg für den Drogenschmuggel. Immer wieder kommt es zu Konflikten zwischen rivalisierenden Kartellen und Sicherheitskräften. Beim Eisteigen habe ich darauf geachtet, einen Platz auf der rechten Seite zu ergattern, um während der Fahrt die Sicht auf die Berge zu geniessen. Drinnen ist es mittags um zwölf stockdunkel. Als ich meinen Vorhang öffne, bat mich jemand dies zu unterlassen. Die müssen aus Sicherheitsgründen zu sein. Von aussen soll niemand sehen, ob und wie viele Passagiere sich im Bus befinden. Zur Prävention vor Überfällen, ergänzt der freundliche Mann neben mir. Ich wünsche uns beiden eine gute Reise.

Während der zweitägigen Überfahrt um mich in Guaymas abzuholen, springt Thomas bei Flaute für eine Abkühlung ins dunkle Blau. Wie unvernünftig!! Zur Strafe wird er angegriffen. Der halbe Torso und ein Bein sind befallen. Es brennt wie blöd! Mit viel Glück ist sein bestes Teil verschont geblieben. Jetzt tut es mir unendlich leid, dass ich nicht besser geplant habe.

Qualle

Unter der Gürtellinie sieht alles noch viel deftiger aus. Diesen Teil vom Foto habe ich jedoch weggeschnitten, denn Thomas ist nackt, als er mir die Auswirkung von der Begegnung mit der Qualle auf offener See demonstriert.

Bei der Begrüssung jammern wir beide, als wir einander in die Arme fallen.  Er vor Schmerz und ich wegen der Hitze, die mich beinahe erschlägt, als ich aus dem klimatisierten Bus steige. Vier Monate haben wir uns nicht mehr gesehen. Endlich einander wieder in den Armen liegen, klingt romantisch – existiert aber nur in Romanen – jedoch nicht bei Temperaturen an die 40 Grad! Wir beide sind  vom langen Reisen erstmal erledigt. Gedanken über die Weiterreise machen wir uns erst, als am Himmel dunkele Wolken aufziehen. Studieren beide den Wetterbericht. Sieht gar nicht gut aus. Für die Festlandküste sind heftige Gewitter vorhergesagt. Um der Front zu entkommen, beschliessen wir, sofort aufzubrechen. Während der Nacht weht ein kräftiger Wind aus Süd-Ost. Aus der Ferne zucken zahlreiche Blitze aus den bedrohlich dunklen Wolken über dem Festland. In dieser Nacht sind einige vor Anker liegende Yachten ins Rutschen geraten. Ich denke es war eine gute Entscheidung dieser heftigen Gewitterfront zu entfliehen. Der Kurs ist nach Santa Rosalia abgesteckt. Dort sollten demnächst drei Yachten eintreffen, mit denen Thomas den Sommer verbracht hat. 

 

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October 2 2022

Zwischen Fern- und Heimweh

Als ich wieder nach Mexiko fliege, kommen einige Freunde  zum Flughafen in Zürich um ciao zu sagen. Der Abschied fällt mir schwer. Ich fühle mich zerrissen. Zwischen Fernweh und Heimweh eingeklemmt. Werde euch vermissen! Traurig wie ich bin, hoffe ich nun auf nette Gesellschaft im Flugzeug. Doch die Frau neben mir ist sofort eingepennt und hat sich während den nächsten 12 Stunden nicht mehr gross bewegt. Ab und zu habe ich sie wieder über die Grenze zurück auf ihren Platz gedrückt. In Mexiko City muss ich umsteigen und lege deshalb eine mehrtägige Pause ein. Miguel, bei ihm wohne ich jetzt, finanziert mit der Unterbringung von Gästen in seiner Wohnung eine Weiterbildung. Ich laufe von dort ins Zentrum. Bald fällt mir eine riesig fette blaue Mauer aus Metallelementen auf. Bei genauerem Betrachten erkenne ich lauter Fotos mit Namen von Frauen und Kindern.

Um mehr zu erfahren, wende ich mich an eine Gruppe die am gestikulieren ist. Diese Mauer ziehe sich über mehrere Kilometer durch die ganze Innenstadt. Es handelt sich um die Protestaktion «Ni Una Mas» deren Ziel es ist Gewalt gegen Frauen sichtbar zu machen und das unterdrückende, patriarchalische System zu bekämpfen. Femizide werden in Mexiko zu 97% nicht aufgeklärt. Zehn Frauen pro Tag! Sowas sagt schon genug aus. Die Regierung schaut weg! Über Sozialmedia breitet sich seit 2015 die Protestwelle von Argentinien, dort unter «Ni Una Menos» bekannt, über den ganzen Südamerikanischen Kontinent und sogar beinahe über den ganzen Globus aus.

Diese Frauen sind echt mutig, denn nicht selten schiesst die Polizei an Protestaktionen in die Menge!

In Mexiko City gibt’s enorm viel zu erkunden. Kulturelle Highlights wie der Templo Mayor der Azteken, das Museo Nacional de Antropologia mit den berühmten präkolumbianischen Artefakten gehören zu meinen Zielen und der Park Chapultepec. Dort treffen sich regelmessig alle die gerne Cumbia tanzen. Das Frida Kahlo Museum war leider ausgebucht!

Die Stadt pulsiert förmlich. Enorm viel Gewusel.  In der Altstadt sind die Geschäfte nach Themen sortiert. In der einen Strasse befinden sich Stoffgeschäfte, eine Gasse weiter die Metzgereien mit Kadavern im Schaufenster. Dann schlendere ich an Autowerkstätten vorbei,  um die nächste Ecke findest du alles was mit Haushalt in Verbindung steht. Im Quartier mit den Musikgeschäften geht’s extra laut zu und her. Fette Musikboxen sind vor kleinen Geschäften aufgebaut. Natürlich voll aufgedreht, um den Nachbar zu übertönen denk ich mir. Am nächsten Tag stopfe ich Stöpsel in die Ohren, bevor ich die Wohnung verlasse. All die Eindrücke erschlugen mich beinahe. Doch alles ist so spannend, dass ich erst im Bett merke, wie weit mich meine Füsse heute getragen haben.

Vor dreissig Jahren war ich mit meinem Sohn schon mal hier. Da war er gerade mal fünf Jahre alt. Wir beide haben wegen der dreckigen Luft entzündete Augen bekommen und konnten kaum atmen. Es ging uns mies. Diesmal ist die Luftqualität etwas besser. Immerhin so gut, dass ich die über 5000 Meter in den Himmel ragenden Berge zu Gesicht bekomme.

22 Millionen Menschen wohnen in dieser Metropolregion. Ich habe mich in der Altstadt recht sicher gefühlt. Die Polizeipräsenz ist enorm wo Touristen unterwegs sind. Fast schon beängstigend. Von so viel Sicherheit können die Menschen die hier leben nur träumen, denn die Kriminalitätsrate ist sehr hoch. Besonders hoch ist auch die Erdbebengefahr, denn Mexiko City liegt in einer seismisch aktiven Region.  Zudem ist die Stadt am Versinken, denn sie wurde auf dem ehemaligen Texcoco-See errichtet.

Lange Arbeitszeiten und Pendelzeiten, unsichere Arbeitsplätze, Korruption, marode Infrastruktur, fliessendes Wasser,  sind nur wenige all der Herausforderungen mit denen die Anwohner im täglichen Leben konfrontiert sind. Etliche Strassen weisen Risse auf und die Kathedrale wurde zum Beispiel während siebzig Jahren renoviert, um strukturelle Schäden zu beheben. Ich denke diese Kohle wäre besser  in die rund 250 Tausend Menschen investiert, die beim Erdbeben von 1985 obdachlos wurden und noch heute in Containern ohne Fenster leben! 

Nun aber nichts wie weg hier. Ich freue mich endlich Thomas wieder zu treffen.