November 20 2019

Abaiang , die fetten Jahre sind vorbei

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Endlich weht ein schwaches Lüftchen in den Kalmen. Dieses heisse Lüftchen soll die fette Robusta nach Abaiang, einem Atoll nördlich von Tarava hauchen.

Jetzt aber nichts wie weg hier! 

Die Leute, die wir in Abaiang besuchen wollen, wundern sich auch schon, dass wir es so lange in Tarava aushalten. Die kennen uns nicht – wir sie auch nicht. Unsere Freunde von der Segelyacht She San haben den Kontakt vermittelt. Batterien für den Aussenborder und Quad werden dringend benötigt. In Fiji haben wir was ähnliches gefunden. Mit etwas Phantasie und Kreativität sollte es funktionieren.

Von Nick und Lisa werden wir in Abaiang herzlichst empfangen. 

Die beiden sind uns auf Anhieb voll sympathisch.

Sie leihen uns gleich mal ihre Fahrräder, um  die Fahrtenbewilligung bei der lokalen Polizei vorzuweisen. Doch da war niemand. Am nächsten und übernächsten Tag auch nicht. So baten wir jemanden im Büro von nebenan, ob er eine Kopie mache und der Polizei abgeben könne. Dafür hätte er den Generator starten müssen. Doch da ist kein Benzin im Tank. Wir versprechen morgen wieder zu kommen. In Kiribati wird Einklarieren und die ganzen kostenlosen Bewilligungen für jedes einzelne Atoll sehr ernst genommen. Da sind andere Segler schon im Knast gelandet (Story dazu auf Noonsite). So ein doofer Vorfall hat natürlich negative Auswirkungen auf alle nachfolgenden Segler. Schade. 

Einige Tage später taucht Segelyacht Inti am Horizont auf. Thomas hat schon den halben Quad zerlegt, der auch mit der neuen Batterie nicht zum Leben erwacht ist. Die Benzinpumpe wird in der Küche mit Motorenreiniger während Stunden ausgekocht. Nach so einigem Geschraube und Gezupfe und Geputze und nun auch noch mit Unterstützung von Jona, läuft der Quad wieder! Nun sitzt die ganze Bande im Anhänger. Nick braust mit breitem Grinsen, mit uns allen übers Atoll! Ganze Horden von Kinder kommen in den Siedlungen angerannt um den knatternden Quad zu bestaunen. Kulinarisch werden wir von Nick und Lisa mit vielen Köstlichkeiten verwöhnt. Der Höhepunkt war jedoch das Schweizer Käsefondue bei über 30, jedoch 45 gefühlten Grad Hitze! 

Für uns ist es einfach zu heiß hier. Nicht mal das Meer bringt Abkühlung.

Lisa ist in Abaiang geboren. Hat über 25 Jahre in der Schweiz gelebt und ist seit drei Jahren mit ihrem Schweizer Mann zurück ins Paradies gezogen. Doch das Leben im Paradies erscheint aus unserem Blickwinkel nicht ganz einfach. Geschäfte sind nicht um die Ecke gelegen. Für Einkäufe müssen sie eine mehrstündige Bootsfahrt ins benachbarte Atoll auf sich nehmen. Lisa hat einen Gemüsegarten angelegt was in einem Korallenatoll, wo nur wenig Humus existiert, viel Geduld abverlangt. Wir vermissen so sehr frisches Gemüse und Früchte!

Auch kulturell ist so vieles anders in Kiribati. Da kann es schon mal vorkommen, dass sich die Nachbarn mal ein T-Shirt von der Wäscheleine schnappen.  Oder nach deinen Schuhen, die du gerade trägst, fragen. Aus Respekt erfolgt die sofortige Übergabe ohne murren. Sowas ist für  I Kiribatis völlig normal und in keiner Weise eine böse Tat im „Bubuti” System“.  Eine Anfrage ablehnen, führt zum Gesichtsverlust.

Kiribati ist schon speziell. Da haut es einen Mann mit dem Motorrad um. Er ist von oben bis unten mit Schlamm bedeckt und blutet aus diversen Wunden.  Doch die  I Kiribatis stellen das Motorrad wieder auf, packen die abgebrochenen Teile in die Tasche zu den Fischen, helfen dem sturzbetrunkenem Mann wieder aufzusteigen, halten ihn fest bis er einigermassen in Balance ist und schon ist er im Zickzack ausser Sicht. Unglaublich! Ja mit dem Alkohol haben sie es nicht so im Griff. Diesen brauen sie aus dem Saft der Kokospalme. Zur Gewinnung des Rohstoffes wird an der Schnittstelle einer Blüte eine Flasche aufgehängt. Haben es auch versucht. Den Saft einfach mehrere Tage in der Wärme stehen lassen. Dabei darf die Flasche nicht ganz verschlossen werden, denn durch die Fermentation bildet sich recht viel Gas. Dann schön kühlen, etwas Limonensaft und eine Chilischote zugeben. Fertig ist der Palmwein der in Kiribati Toddy genannt wird. Schmeckt nicht schlecht! Du musst allerdings sicher sein, dass sich bei der Gewinnung kein Käfer (Name vergessen) ins Gefäss verirrt. Nach dem Konsum würde es beim Pissen schrecklich brennen.

Am Abend findet eine Tanzvorführung statt. Irgendwie hat sich schon rumgesprochen, dass wir – die I Matang – kommen werden. So ist in der Maneaba, dem Gemeinschaftshaus, bereits ein Platz ganz vorne reserviert. Wir dürfen uns auf ein buntes Plastiktischtuch auf den Boden setzen. Kinder rutschen immer näher zu uns heran. Sie streicheln über unsere helle Haut. Einige nesteln behutsam in meinen blonden Haaren. Eine alte Frau hat ihre Hand auf Claudis Rücken gelegt.  Am nächsten Tag sind wir zum Essen eingeladen. Ich bringe eine riesige Schüssel voll Pop Corn für die Kinder und einen Sack Kleider als Mitbringsel. Die Verständigung ist nicht ganz einfach, obwohl in der Schule Englisch gelehrt wird. Die Menschen leben hier unglaublich einfach.  Ihre Häuser sind erhöhte Podeste mit Dächer  aus Pandanussblätter. Strom haben längst nicht alle zur Verfügung. Ab und zu rattert ein Generator oder ein Solarpanel ist auf einem Dach montiert. Doch auf dem Atoll existiert erstaunlicherweise eine Mobilfunkantenne! Ab und zu landet sogar auf einer Naturpiste ein kleines Flugzeug. Wie oft das Versorgungsschiff von Tarava kommt, weiss niemand so genau.

Wir fragen uns, wie und wovon die Menschen hier leben? Traditionell haben sich die I Kiribatis von Fisch ernährt. Doch davon ist nicht mehr so viel da. Mit der Ernährungsumstellung, hielten Diabetes und Fettleibigkeit, Mangelerscheinungen, vor allem bei Frauen im gebärfähigen Alter, Einzug. 

Das grössere Übel stellt jedoch der Klimawandel dar. Der Anstieg vom Meeresspiegel und die heftigeren Stürme überfluten Kulturland und zerstören es für immer. Das Grundwasser ist versalzen, Küstenabschnitte erodieren. In Abaiang musste bereits ein ganzes Dorf umgesiedelt werden. Tragen wir nicht alle etwas Verantwortung für die Zukunft dieser Menschen?

Sie sind die letzten die die CO2 Emission beinflussen können – baden die Folgen aber buchstäblich aus!

Die fetten Jahre sind für die Industrienationen vorbei!

November 2 2019

Shocking Tarawa

Der erste Landgang in einem neuen Land ist immer sehr spannend. Doch wo parken wir das Dinghi? Hier toben Kinder im dreckigen Hafenwasser, dort eine unüberwindbare Mauer und am Ende vom Kanal liegen kleinere Frachtschiffe. Kein Platz. So fragen wir die Crew eines dieser Schiffe, ob wir das Dinghi daran anbinden können. Es ist heiss und im Hafen reizen merkwürdigste Gerüche das Riechorgan. Ein Wachmann entlässt uns durch ein klappriges Gittertor auf die Hauptstrasse. Laute Musik dröhnt aus den einen Geschäften. Autos und Motorräder sausen hin und her. So nun erst mal Bargeld beschaffen und eine neue SIM Karte für Internet muss her. Die ist schnell gefunden und mit sauteuren Daten aufgeladen.

Hütten und grössere Steinhäuser stehen in diesem überbevölkerten Atoll dicht gedrängt. Dazwischen liegen Autowracks, Schiffscontainer und viel Müll, worin Hühner und Hunde nach Fressbarem suchen. Alles ist staubig und dreckig. Bleiben wir stehen, sind wir in einer Wolke Fliegen eingehüllt. Wie eklig! Nein wir stinken nicht. Alle sind frisch gewaschen. In Kiribati scheint Endzeitstimmung zu herrschen. Wen wunderts!? Diese mitten im Pazifik gelegene Inselgruppe leidet massiv, denn durch den Klimawandel steigt der Meeresspiegel stetig. Doch niemand in den Industrienationen scheint dies zu interessieren. Mich beelendet das alles sehr. Ich bin traurig. Die Kinder rufen fröhlich “Mauri Imatang”, was so viel wie hallo Fremder heisst. Sie rennen mit erhobener Hand auf uns zu und wollen im Ami-Style einen Handschlag machen.

Inzwischen verlegten wir Inti und Robusta an einen Ankerplatz vor dem Parlament. Hier liegen die beiden Yachten ruhig und geschützt.  Da ist auch eine optimal bewachte Anlegestelle für das Dinghi. Im Clubhaus der Parlamentarier können wir sogar duschen. Doch ab nächster Woche findet eine Tagung statt und all das wird nicht mehr möglich sein. 

Früchte und Gemüse sind hier fast nicht existent. Und wenn, dann aber so richtig krass teuer, denn es handelt sich um importierte Ware aus Australien. Es fehlt Platz für den Gemüseanbau. Sauberes Wasser ist ebenfalls ein grosses Problem. Kein Wunder ist hier die Kindersterblichkeit so hoch und die Lebenserwartung tief.

Thomas und ich erkunden das Atoll per Minibus. In solch einem Gefährt befinden sich oft mal über 20 Personen. Eine Frau kassiert und regelt wo der Fahrer anhalten soll. Bezahlt wird beim Aussteigen. 

In der Nacht muss ich mehrmals erbrechen. Sowas hatte ich schon Jahrzehnte nicht mehr. Ich fühle mich elend. Dabei sind wir morgen früh mit Molly verabredet. Sie bietet Führungen zu den Relikten aus dem 2. Weltkrieg an. Auf der Insel Betio tobte eine wüste Schlacht um die Gilbertinseln. Die damals von den Japanern besetzte britische Kronkolonie, wurde von den Amis befreit. Dabei verloren innert vier Tagen rund 7000 Menschen ihr Leben!

Ohne Molly hätten wir die Trümmer niemals gefunden. 

 Es ist extrem stickig heiss. Die nächsten Tage wird der Wind ausbleiben und in der Lagune sollen wir nicht baden, da die Menschen ihre Notdurft darin entledigen. Ich bin schlecht gelaunt.

Die Bewilligung das Atoll Abaiang und Butaritari zu besuchen, bekommen wir vom Mann mit der eingebundenen Hand innert weniger Minuten.

Jetzt aber nichts wie weg hier! Intis kommen in ein paar Tagen nach.

October 31 2019

Passage Tuvalu nach Kiribati, Tarawa

Die Passage von Tuvalu bis Kiribati war echt entspannt. Die Prognosen sahen ja nicht gerade vielversprechend aus. Doch der Wind reichte gerade um den fetten Stahleimer in Bewegung zu halten. Ab und zu mal ein kleiner harmloser Squall und Gewitter in der Ferne. Regen bringt jeweils eine nette Gelegenheit zum Duschen und die Wassertanks zu füllen. Davon hätten wir gerne mehr gehabt. Das Leichtwindsegel ist leider beim Setzen an einer Klampe hängen geblieben, wobei ein kleiner Riss entstand. Den einen Tag Flaute verbrachten wir mit gemütlich rumhängen. Zu unserer Freude tauchte ein Walhai neben der Robusta auf! Es handelt sich dabei um den grössten Hai und Fisch der Welt! Ich dachte erst da taucht ein U-Boot auf.

Während dieser Passage sind wir das zweite Mal in unserem Leben, bei 173 Grad 11 Minuten Ost über den Äquator gesegelt. Wir sind wieder auf der Nordhalbkugel. Pünktlich zur Feier hat auch noch ein Thunfisch angebissen!

Segelyacht Inti war fast die ganze Woche in Funkreichweite. Nur gerade an dem Tag, wo sich Jona beim Fisch schlachten, deftig in die Hand geschnitten hatte, waren wir zu weit weg. Hätten sie gerne wenigstens moralisch unterstützt! Den Schnitt hat sich Jona wie ein Vollprofi selber zugenäht. Es sei total streng gegangen durch das Fleisch zu stechen. Claudi war für Operationstisch herrichten, Wunde zusammenhalten und die Knoten zuständig. Der Palstek hat aber nicht so gut gehalten. Was für ein tolles Team!

Ist schon ein gutes Gefühl wenn noch Freunde in der Nähe sind. In Kiribati, vor dem Pass ins Atoll ist Robusta’s Motor nicht angesprungen. Der Wind war weg. Mir schnürte es erst mal deftig den leeren Magen zusammen. Doch wir sind nicht in Gefahr. Die Strömung treibt uns vom Riff weg. ich rufe per Funk Inti an. Jona gibt paar wertvolle Tipps durch. Thomas prüft die Stromanschlüsse zwischen Batterie und Motor. Doch hier liegt das Problem nicht. Mit einer Schere kurzschliessen klappt dann. Die Kiste brummt wieder. Doch die Versorgerbatterien werden nicht geladen. Mist. Also nochmals abstellen. Mir entfährt ein Schrei! Thomas findet den Fehler doch noch. Ein Kabel zum Anlasserrelais war unterbrochen.

Beim Nachmachen Schere mit Plastikgriff benutzen, damit es nicht kitzelt!

Diesmal rufen wir vor der Ankunft brav die Port Control an. Erst spricht mal keiner Englisch. Irgendwann meldet sich doch noch jemand und ruft nach Itti und Rosta. Die Boarding Party muss an Land abgeholt werden. Sechs Personen. Ohje, wir haben nur ein kleines Dinghi! Thomas braust los, holt mal zwei Personen ab. Von der nächsten Fuhr ist der eine Beamte trief nass und mit Blut verschmiert. Beim Einsteigen sei er auf den Steinen ausgerutscht und ins Meer gestürzt. Die haben nicht mal einen Steg! Nummer fünf und sechs verzichteten auf die abenteuerliche Fahrt. Umso besser. Erst mal eine Zigarette für den Patienten und dann die Wunde waschen und schön verbinden.

So und nun an die Arbeit. Doch die armen Leute haben nicht mal Formulare! Name, Vorname und Geburtsdatum, plus noch alle frischen Lebensmittel und Angaben über Waffen und Tiere notiert Thomas auf ein Blatt Papier. So und jetzt nochmal alles abschreiben, denn die armen Leute haben auch keinen Kopierer! Der nasse Mann guckt noch ins Bad, in die Vor- und Achterkabine und hinterlässt dabei, mit breitem Grinsen, eine beachtliche Lache.

Das war schon alles. Die Pässe sind gestempelt. Falls wir in ein anderes Atoll segeln wollen, muss einige Tage zuvor ein Antrag bei Customs gestellt werden.

Welcome to Kiribati! “Mauri” ist das erste Wort was wir lernen und heisst soviel wie hallo.