Überfahrt von Kiribati zu den Marshall Islands
In Abaiang haben wir uns schweren Herzens von Lisa und Nick verabschiedet.
Die Aufenthaltsbewilligung läuft in wenigen Tagen schon wieder aus. Eine Verlängerung um weitere zwei Monate kostet pro Person 60 Australische Dollar. Etappe drei durch die Kalmen steht an. Wir vier studieren seit Tagen die Wetterprognosen. Der Passat setzt sich noch immer nicht durch. Ist auch gut so. Denn legt der mal los, was in der Regel anfangs Dezember ist, wird es hart. Zwischen Kiribati und den Marshall Islands bläst er meist mit 20 bis 30 Knoten aus Nord-Ost. Dies bedeutet hartes Segeln gegen Wind und Welle. Doch da ist gar kein Wind! Null, zero. Im Nachhinein denken wir, die Wetterprognosen kannst du in den Kalmen vergessen!
Mittlerweile liegen insgesamt fünf Yachten in Tarava. Alle Segler sind auf einem Katamaran für Thanksgiving zum Pot Luck Dinner eingeladen (jeder bringt etwas leckeres mit). Gesprächsthema Nummer eins ist die Weiterreise. Denn in den Marshall Inseln ist seit August das Denguefieber, eine durch Moskitos übertragene Krankheit, ausgebrochen. Einzige Prävention ist das Vermeiden von Mückenstichen. Die Regierung der Marshall Islands hat ein striktes Reiseverbot zu allen äusseren Inseln veranlasst. Tausende Leute sitzen seit Monaten in Majuro fest. Dass noch ein weiteres Drama im Anzug ist, erfahren wir erst bei unserer Ankunft in Majuro.
So klarieren wir am Freitag in Kiribati Tarava aus und dümpeln Sonntags im Schneckentempo los. 24 Stunden ist eigentlich die Zeitspanne um nach dem Ausklarieren auszulaufen. Aber da ist kein Wind! Und die Behörden haben ja auch kein Boot.
Ich will gar nicht so genau auf die Überfahrt eingehen. Ein neuer Rekord ist geschafft. Vierhundert läppische Seemeilen in 8 Tagen. Erbärmlicher geht es nicht. Die Segelyacht Inti war nach wenigen Stunden nicht mehr in Sicht. Dabei wollten wir doch in der Nähe voneinander bleiben. In jedem Revierbericht wird empfohlen, möglichst nach Ost zu halten. Falls sich der Passatwind durchsetzt, besteht so doch noch die Möglichkeit Majuro so einigermassen gemütlich zu erreichen.
Kein Lüftchen -Wind – Hitze – Squall mit Gewitter – Reffen – Segel setzen um sie gleich wieder zu bergen – halsen – wenden – Squall – Flaute – heiss – nass…… Von wegen nach Ost heben. Der Wind wehte immer wieder mal aus West! Der Wetterbericht versprach perfekte Bedingungen. Diese Frösche haben keine Ahnung was da draussen abgeht.. . seht selber auf dem Track, sowas ist doch nicht mehr normal!?
Stimmung an Board: friedlich bis angestrengt und übermüdet.
Es ist wieder mal unglaublich. Nun bereits zum dritten mal. Robusta und Inti laufen gleichzeitig aus. Segeln verschiedene Routen und kommen jedes mal zu fast exakt selben Zeit an! Das AIS (automatisches Identifikations System) ist seit heute Morgen ausgeschaltet. Inti tat das selbe. Es ist Samstag und Einklarieren ist nur gegen eine happige Gebühr möglich. So verstecken wir uns irgendwo im Atoll für das Wochenende. Hoppsen ins Wasser, pennen mal richtig aus, aber betreten schön brav kein Land. Für Jona und Claudi ist es die letzte Überfahrt nach sechs Jahren Abenteuer mit ihrer geliebten Inti. Sie ist nach Majuro verkauft.
Montag in der Früh, hocken alle im tiefgekühlten Taxi zu Custom und Immigration (Zoll und Einwanderungsbehörde). Claudi ist traurig und ich bin total schlecht gelaunt, denn Majuro gefällt mir auf den ersten Blick überhaupt nicht. Beim Gedanken an das Reiseverbot, löscht es mir richtiggehend ab.
Bei der Immigration sind die Beamten hell entsetzt, dass wir an Land gekommen sind. Warum habt ihr euch nicht auf Kanal 16 angemeldet? Im Marshall Compendium steht geschrieben, die hilfsbereiten Segler vom Mieco Yachtclub auf VHF Kanal 68 anzurufen, diese werden die Behörden per Telefon über die Ankunft informieren. Sie helfen auch mit der Zuweisung einer Boje. Weitere Infos zum Prozedere folgen auf Kanal 74. Also wie überall auf der Welt auf Kanal 16 Port Control anrufen, auch hier in Majuro.
Seit dem 1. Dezember besteht in vielen Pazifischen Inseln für die Einreise eine Impfpflicht gegen Masern-Mumps-Röteln und Grippe. In Samoa ist die Masern ausgebrochen. Es soll bereits Todesfälle gegeben haben. Immigration schickt uns auf direktem Weg ins Spital. Hier treffen wir auf folgendes Szenarium: Hunderte Personen warten geduldig an langen Tischreihen. Zahlreiche Arzte, mit spitzen Nadeln ausgerüstet, impfen unter freiem Himmel Kinder und Erwachsene. Jona hat im Impfpass einen Eintrag. Wir nicht. Claudi Thomas und ich hatten die Masern als Kind durchgemacht. In keinem der zuletzt besuchten Orte sind Masernfälle bekannt. Mein Hausarzt zaubert tatsächlich innert Kürze per Mail einen Laborzettel mit dem Beweis. Nach kurzer Befragung ist ein Dokument erstellt, welches uns von der Impfpflicht befreit. Alle Europäer in unserem Alter, seien garantiert mal mit Masernerreger in Kontakt gekommen. Also besteht für niemanden eine Gefahr. Unser Freund, der paar Tage nach uns von Kiribati angekommen ist, musste 14 Tage Quarantäne auf der Yacht absitzen (minus Anzahl Tage der Überfahrt). Er durfte auch keinen Besuch empfangen. Nachts patrouillierte die Polizei um seine Yacht. “Measle Man”, so sein neuer Name, wurde von den Seglern in der Bucht mit Pizza, Bier, Filmen, Bücher, Internetdaten, Gemüse und was ihm so fehlte versorgt. So empfand er die Quarantäne sogar als ganz nett. Wie Urlaub vom Segeln.
Da kommt das so kontrovers diskutierte Thema Impfen auf. Reisende sind potentielle Gefahrenquellen um Krankheiten zu verbreiten. Speziell in abgelegenen Regionen der Welt, wo weder Apotheken, Ärzte und geschweige denn Spitäler existieren, kann eine Krankheit wie die hochansteckende Masern fatale Auswirkungen auf die Bevölkerung haben. In Samoa sind bis Weihnachten 79 Kinder unter 5 Jahren gestorben.
Was für ein Drama für die betroffenen Familien!