Abaiang , die fetten Jahre sind vorbei
Endlich weht ein schwaches Lüftchen in den Kalmen. Dieses heisse Lüftchen soll die fette Robusta nach Abaiang, einem Atoll nördlich von Tarava hauchen.
Jetzt aber nichts wie weg hier!
Die Leute, die wir in Abaiang besuchen wollen, wundern sich auch schon, dass wir es so lange in Tarava aushalten. Die kennen uns nicht – wir sie auch nicht. Unsere Freunde von der Segelyacht She San haben den Kontakt vermittelt. Batterien für den Aussenborder und Quad werden dringend benötigt. In Fiji haben wir was ähnliches gefunden. Mit etwas Phantasie und Kreativität sollte es funktionieren.
Von Nick und Lisa werden wir in Abaiang herzlichst empfangen.
Die beiden sind uns auf Anhieb voll sympathisch.
Sie leihen uns gleich mal ihre Fahrräder, um die Fahrtenbewilligung bei der lokalen Polizei vorzuweisen. Doch da war niemand. Am nächsten und übernächsten Tag auch nicht. So baten wir jemanden im Büro von nebenan, ob er eine Kopie mache und der Polizei abgeben könne. Dafür hätte er den Generator starten müssen. Doch da ist kein Benzin im Tank. Wir versprechen morgen wieder zu kommen. In Kiribati wird Einklarieren und die ganzen kostenlosen Bewilligungen für jedes einzelne Atoll sehr ernst genommen. Da sind andere Segler schon im Knast gelandet (Story dazu auf Noonsite). So ein doofer Vorfall hat natürlich negative Auswirkungen auf alle nachfolgenden Segler. Schade.
Einige Tage später taucht Segelyacht Inti am Horizont auf. Thomas hat schon den halben Quad zerlegt, der auch mit der neuen Batterie nicht zum Leben erwacht ist. Die Benzinpumpe wird in der Küche mit Motorenreiniger während Stunden ausgekocht. Nach so einigem Geschraube und Gezupfe und Geputze und nun auch noch mit Unterstützung von Jona, läuft der Quad wieder! Nun sitzt die ganze Bande im Anhänger. Nick braust mit breitem Grinsen, mit uns allen übers Atoll! Ganze Horden von Kinder kommen in den Siedlungen angerannt um den knatternden Quad zu bestaunen. Kulinarisch werden wir von Nick und Lisa mit vielen Köstlichkeiten verwöhnt. Der Höhepunkt war jedoch das Schweizer Käsefondue bei über 30, jedoch 45 gefühlten Grad Hitze!
Für uns ist es einfach zu heiß hier. Nicht mal das Meer bringt Abkühlung.
Lisa ist in Abaiang geboren. Hat über 25 Jahre in der Schweiz gelebt und ist seit drei Jahren mit ihrem Schweizer Mann zurück ins Paradies gezogen. Doch das Leben im Paradies erscheint aus unserem Blickwinkel nicht ganz einfach. Geschäfte sind nicht um die Ecke gelegen. Für Einkäufe müssen sie eine mehrstündige Bootsfahrt ins benachbarte Atoll auf sich nehmen. Lisa hat einen Gemüsegarten angelegt was in einem Korallenatoll, wo nur wenig Humus existiert, viel Geduld abverlangt. Wir vermissen so sehr frisches Gemüse und Früchte!
Auch kulturell ist so vieles anders in Kiribati. Da kann es schon mal vorkommen, dass sich die Nachbarn mal ein T-Shirt von der Wäscheleine schnappen. Oder nach deinen Schuhen, die du gerade trägst, fragen. Aus Respekt erfolgt die sofortige Übergabe ohne murren. Sowas ist für I Kiribatis völlig normal und in keiner Weise eine böse Tat im „Bubuti” System“. Eine Anfrage ablehnen, führt zum Gesichtsverlust.
Kiribati ist schon speziell. Da haut es einen Mann mit dem Motorrad um. Er ist von oben bis unten mit Schlamm bedeckt und blutet aus diversen Wunden. Doch die I Kiribatis stellen das Motorrad wieder auf, packen die abgebrochenen Teile in die Tasche zu den Fischen, helfen dem sturzbetrunkenem Mann wieder aufzusteigen, halten ihn fest bis er einigermassen in Balance ist und schon ist er im Zickzack ausser Sicht. Unglaublich! Ja mit dem Alkohol haben sie es nicht so im Griff. Diesen brauen sie aus dem Saft der Kokospalme. Zur Gewinnung des Rohstoffes wird an der Schnittstelle einer Blüte eine Flasche aufgehängt. Haben es auch versucht. Den Saft einfach mehrere Tage in der Wärme stehen lassen. Dabei darf die Flasche nicht ganz verschlossen werden, denn durch die Fermentation bildet sich recht viel Gas. Dann schön kühlen, etwas Limonensaft und eine Chilischote zugeben. Fertig ist der Palmwein der in Kiribati Toddy genannt wird. Schmeckt nicht schlecht! Du musst allerdings sicher sein, dass sich bei der Gewinnung kein Käfer (Name vergessen) ins Gefäss verirrt. Nach dem Konsum würde es beim Pissen schrecklich brennen.
Am Abend findet eine Tanzvorführung statt. Irgendwie hat sich schon rumgesprochen, dass wir – die I Matang – kommen werden. So ist in der Maneaba, dem Gemeinschaftshaus, bereits ein Platz ganz vorne reserviert. Wir dürfen uns auf ein buntes Plastiktischtuch auf den Boden setzen. Kinder rutschen immer näher zu uns heran. Sie streicheln über unsere helle Haut. Einige nesteln behutsam in meinen blonden Haaren. Eine alte Frau hat ihre Hand auf Claudis Rücken gelegt. Am nächsten Tag sind wir zum Essen eingeladen. Ich bringe eine riesige Schüssel voll Pop Corn für die Kinder und einen Sack Kleider als Mitbringsel. Die Verständigung ist nicht ganz einfach, obwohl in der Schule Englisch gelehrt wird. Die Menschen leben hier unglaublich einfach. Ihre Häuser sind erhöhte Podeste mit Dächer aus Pandanussblätter. Strom haben längst nicht alle zur Verfügung. Ab und zu rattert ein Generator oder ein Solarpanel ist auf einem Dach montiert. Doch auf dem Atoll existiert erstaunlicherweise eine Mobilfunkantenne! Ab und zu landet sogar auf einer Naturpiste ein kleines Flugzeug. Wie oft das Versorgungsschiff von Tarava kommt, weiss niemand so genau.
Wir fragen uns, wie und wovon die Menschen hier leben? Traditionell haben sich die I Kiribatis von Fisch ernährt. Doch davon ist nicht mehr so viel da. Mit der Ernährungsumstellung, hielten Diabetes und Fettleibigkeit, Mangelerscheinungen, vor allem bei Frauen im gebärfähigen Alter, Einzug.
Das grössere Übel stellt jedoch der Klimawandel dar. Der Anstieg vom Meeresspiegel und die heftigeren Stürme überfluten Kulturland und zerstören es für immer. Das Grundwasser ist versalzen, Küstenabschnitte erodieren. In Abaiang musste bereits ein ganzes Dorf umgesiedelt werden. Tragen wir nicht alle etwas Verantwortung für die Zukunft dieser Menschen?
Sie sind die letzten die die CO2 Emission beinflussen können – baden die Folgen aber buchstäblich aus!
Die fetten Jahre sind für die Industrienationen vorbei!