February 23 2015

Mini Atlantic Rally START

Start heisst auch Abschied nehmen


Wir verbringen einen wunder schönen, ausgelassenen Abend zusammen und feiern den Abschied von Cabo Verde und Ilse und Milan mit einem super genialen leckeren Essen. Es war super toll!  Danke ihr Beiden.
A te logo!
Jetzt aber der Bericht der MAR, Mini Atlantik Rally. Zumindest mal vom Start und einige Informationen zur Routenplanung und dem Wetter.
Startschuss 11 Uhr 04
Startnummer 1: YEMANJA
Startnummer 2: CARIAD
Startnummer 3: SAILOR MOON
Startnummer 4: ROBUSTA
 
Nach einer schlaflosen Nacht, kriechen wir um acht Uhr aus unseren Kojen. Alle etwas angeschlagen; unserem Mitsegler Georg tropft die Nase, Thomi und ich sind von einem üblen Husten geplagt. Thomi war gestern noch beim Arzt in der Privatklinik von Mindelo. Ich wollte da nicht hin. Ich ging zum Spital wo sich die Locals behandeln lassen, aus Interesse wie es um die Gesundheitsversorgung für das Volk steht. Der Eingang war schwer zu finden. Das Gebäude erinnerte überhaupt nicht an einen Spital wie ich es aus der Heimat kenne. Alles recht herunter gekommen. Hier an dieser Stelle wird mir einmal mehr bewusst, wie arm dieses Land ist. Ich werde zum Notfall verwiesen. Ja aber so schlimm steht es nicht um mich. Im Vorraum befinden sich mehrere leidend drein blickende Personen auf schäbigen Plastikstühlen sitzend. An den Wänden bröckelt der Verputz. Nun wende ich mich an den Herrn hinter dem klapprigen Tresen. Etwas irritiert nimmt er meine Personalien entgegen. Warum ich nicht in die Privatklinik gehe, will er wissen. Dass ich eine Touristin bin ist nicht schwer zu erkennen; Weiss und spricht fast kein Creol. Immer wieder mal geht eine Türe auf und jemand im weissem Kittel streckt den Kopf raus um dann wieder zu verschwinden. Als nach drei Stunden noch immer niemand dran gekommen ist und jetzt auch noch ein Mann mit einer in ein blutdruchtränktem Tuch gewickelte Hand eintritt, finde ich den Husten nicht mehr so wichtig.
Habe mir stattdessen in der Spital Apotheke Hustensirup geholt. Auf dem Schiff angekommen, sehe ich, dass es irgend ein Antiallergika ist. Super. Keine Zeit mehr für einen Umtausch. Zu viel Stress für die Vorbereitungen zur Atlantikpassage. Drei Wochen werden wir auch ohne Hustensirup überleben. Sobald wir hier weg sind, aus der staubigen Landschaft, die schöne frische Ozeanbrise einatmen können, werden wir eh wieder automatisch gesund. Dass der Wüstensand uns noch bis fast zum Äquator begleiten wird, konnten wir nicht ahnen.
Georg und Thomi zerren das Dinghi aus dem Wasser. Wir lagen ja die ganze Zeit im Ankerfeld direkt hinter der Marina. Der ganze Unterboden ist schlickig braun – grün, stinkt höllisch und muss vor dem Verpacken gereinigt werden.
Die Nervosität steigt.
Unter Deck sieht es auch noch nicht perfekt aus. Pfannen, Töpfe, Flaschen und alles was bei Seegang sonst noch rum klappern könnte, muss verstaut und gepolstert werden. Eierkartons (ohne Kakerlaken Eier) und die Haferflockenpakete eignen sich bestens dafür.
Georg führe ich in all die sicherheitsrelevanten Angelegenheiten ein: Schwimmweste, Lifeline, Seeventile, Feuerlöscher, Rettungsgeräte, Seenotraketen, Wantenschneider im Falle eines Mastbruches, Notwerkzeuge und natürlich die Grab Bag. Falls die Robusta absaufen sollte und wir in die Rettungsinsel umsteigen müssten, soll dieser wasserdicht verschliessbare Seesack unbedingt mit. Inhalt: EPIRB (Sender um über Satellit ein Notzeichen abzusetzen, der regelmässig automatisch unsere Position sendet), UKW Handfunkgerät, Hand GPS (wozu eigentlich? Jedenfalls nicht mehr zum navigieren, aber um in etwa abzuschätzen wie lange die Reise bis ans nächste Ufer noch dauern soll) Pässe, Schiffspapiere, Angelutensilien, Medikamente gegen Seekrankheit, Notapotheke und eine Flasche Rum. Georg packt sein für ihn sehr wertvolles Wanderbuch mit in die Grab Bag. Er ist ein Zimmerer aus Deutschland der auf Wanderschaft ist und uns über den Atlantik nach Brasilien begleitet.
Milan vom TO braust mit seinem Dinghi mit Olaf und Rolli heran, um den Start zu fotografieren. Erschrocken blicken wir auf die Uhr! Gleich elf, wie ist denn das möglich??? Wir müssen noch Wasser und Diesel tanken!
Die Yemanja legt auch schon von der Marina Tankstelle ab. Nun kommt aber wirklich Stress auf: da driftet die Sailermoon frech unter Segel mitten durchs Ankerfeld!?
Jaqueline brüllt uns zu, dass ihr Motor kaputt sei. Welch ein dramatischer Start. Sie schmeissen den Anker. Milan saust gleich zu ihnen rüber. Dieselmotor muss entlüftet werden. Mit dem Impeller scheint auch etwas nicht in Ordnung zu sein erfahren wir später.
Endlich können unsere beiden Anker gelichtet werden. Die Leine des zweiten Ankers ist auch grauslig schmierig und stinkt und hat sich mehrfach um die Ankerkette gedreht. Wie so was möglich ist, können wir uns nicht erklären. Wind immer aus der selben Richtung, keine nennenswerten Tiden. Nun aber los, nur noch Diesel und Wasser tanken das wir beim Fischereihafen holen wollen, weil angeblich von besserer Qualität. Da liegen aber zwei Fischkutter. Die Fischer deuten uns an längsseits anzulegen. Aber wie bitte? Am Kutter ist noch ein kleines Holzboot fest gebunden. Thomi gleitet, für meinen Geschmack recht rasant, auf den Kutter zu. So etwa in der Manier
„14 Tonnen Stahl gegen paar Kilo Holz“.
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Nun geraten die Fischer doch noch in Bewegung und zerren das kleine Boot in letzter Sekunde weg. Beim Manöver streifen die neu geschweissten Reelingstützen den Bug des grösseren Fischkutters.
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Milan schützt gekonnt unsere Windsteueranlage und den ganzen Klimbim am Geräteträger indem er mit seinem Schlauchboot Robustas Heck vom grossen Fischkutter weg drückt. Super, Danke Milan!
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Der Mann mit dem Schlüssel für das Wasser ist nicht da. Diesel können wir erst ab vier Uhr wieder tanken.
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Für uns bedeutet das eine gemütliche Kaffeepause mit Milan, Olaf und Dieter. Gegen drei kommt die Meldung, dass wir nun Wasser tanken können. Mist, der Schlauch ist aber zu kurz. Wir stopfen einen unserer Schläuche in ihren und das eiskalte Wasser sprudelt ohne einen Tropfen Verlust in unsere Tanks.
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Der Schlauch für den Diesel lässt sich allerdings nicht so einfach verlängern! Wollen ja keine Umweltkatastrophe riskieren. Müssen also doch in der Marina tanken. Dort ist die Tankstelle jedoch ausser Betrieb. Kaputt.
Über den Atlantik und durch die Kalmen mit noch ca. 200 Liter Diesel im Tank sollte im Notfall reichen. Blödsinn, im Notfall reicht auch ein voller Tank nicht.
14:07:33 local Time, gleitet Robusta nun endlich mit einer moderaten Verspätung doch noch über die Startlinie!
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Wau, jetzt geht es los!
Etwa drei Wochen auf knapp 40 Quadratmeter eingepfercht. Keine Ahnung wie das sein wird. Was meint denn der Tierschutz dazu? Wie viel Bewegungsraum braucht denn zum Beispiel ein Schwein? Oder eine Kuh? Ja was werden wir denn den ganzen lieben langen Tag tun? Lesen bis die Augen aus dem Kopf rollen? Diskutieren? Auf’s blaue Meer gucken und die Wellen beobachten? Segel trimmen, essen, schlafen, sitzen. Raus schauen um schon wieder Blau anzuschauen? Kompass gucken? Tönt wirklich voll spannend. Solche Gedanken mischen sich immer wieder unter die Vorfreude der Vision endlich Brasilien entdecken zu können.
Auch ein wenig Unbehagen und Angst sind mit dabei. Was wenn etwas kaputt geht? Wenn mein Auto den Geist aufgegeben hat, konnte ich der Pannenhilfe anrufen. Muss auch immer wieder mal an die Yacht denken, die letzte Woche mit selbst gebasteltem Notrigg in Mindelo einlief, weil ihr Mast gebrochen war. Oder an Hubert, einem Einhandsegler bei dem der Baum bei einer Patenthalse 900 Seemeilen vor der Karibik gebrochen ist. Freunden, mit denen wir in Salvador abgemacht haben, ist das Vorstag gebrochen und der Motor hat zu allem Elend auch noch einen grossen Schaden erlitten.
 
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Was macht es aus, dass ich doch mit segle?
Die Vorstellung ganz weit weg von der Küste zu sein, fast alleine, nur auf uns gestellt, Natur pur, Meerestiere beobachten, mit der Energie des Windes von einem Kontinent zum nächsten zu gelangen und zu spüren wie gross die Distanzen sind die sonst so locker mit dem Flugzeug zurückgelegt werden, romanisch zu Zweit in einen Sternenhimmel zu blicken ohne jegliche Lichtverschmutzung lösen in mir unbeschreiblich positive Gefühle aus die sich durch jede Zelle meines Körpers ergiessen!
Anja

Unser Plan:

Atlantiküberquerung von Mindelo, Cabo Verde nach Salvador Bahia, Brasilien, Start 23. Februar 2015. Mit Robusta, unserem schwerem Stahlschiff, mit lediglich Standard Besegelung: Klüver, Arbeitsfock an Selbstwendevorrichtung und Grosssegel. Ziel war, ohne Diesel diese Strecke zu bewältigen. Wir wollen zusammen mit unseren Freunden auf den Segelyachten Cariad, Sailor Moon und Yemanja starten, zusammen zu viert diese Strecke segeln.

Wetterplanung:

Das Wetter spielte lange ziemlich verrückt rund um Cabo Verde. Viel Wind, wir hörten von Segler, die sich südlich von Cabo Verde in 45 Knoten Wind (9 Bf) und 6 m Welle befinden. In Mindelo selbst war es relativ ruhig, doch auch hier waren Böen bis 50 Knoten gemessen. So mussten wir warten, bis sich alles beruhigt hatte und dieser Zeitpunkt war eben am 23. Februar. Passte natürlich ganz gut, der Karneval in Mindelo machte das Warten angenehm. Wo sollen die Kalmen überquert werden? Diese Frage stellte sich bei allen. Zwei Parameter spielen dabei eine Rolle: Wird der Äquator zu weit östlich gequert, sind die Kalmen sehr breit, je östlicher um so breiter so die Faustregel. Liegt der Kurs zu weit westlich, so muss nach den Kalmen gegen den Südostpassat zu hart an den Wind oder gar nach Süden gekreuzt werden, da der Südostpassat immer mehr südlich dreht, je mehr westlich die Position ist. Literatur dazu: Jimmy Cornell, Segelrouten der Welt / Atlatik Crossing Kalender. Die letzten Prognosen an Land versprachen 10-15 kt Wind bis zu den Kalmen. Wir konnten ja jeden Tag frische Wetterdaten laden, insofern war das sehr hilfreich. Wir holten uns täglich unsere GRIB Files, weitere Wetterberichte haben wir nicht verwendet, es gibt auf der Route ja kein wirkliches Wetter mit Hochs und Tiefs, jedenfalls nicht in dieser Jahreszeit, abgesehen von den Squalls bei den Kalmen, die lassen sich auf den Wetterberichten eh nicht genau erkennen. Wir wussten, diese wird es geben und diese werden wir aushalten müssen.
Das erlebte Wetter kann ich in drei Teilen einfach beschreiben:

Der Erste Teil, Tag 1 bis Tag 9


vor den Kalmen, das heisst von Mindelo bis in etwa zum Äquator, war geprägt von 10-20 Knoten Wind, viel Wüstensand in der Luft, welcher das gesamte Schiff und unsere Lungen wiederum mit feinstem Sand bestäubte, die Temperaturen stiegen von Tag zu Tag, die Mittagssonne stand täglich höher und glühte entsprechend. Die tägliche Veränderung des Sonnen- und Mondstandes hatten mich am meisten beeindruckt. Der Nord-Nord-Ost Wind zwang uns leider zu halsen um für zwei Tage nach Westen zu halten, ca. 240°, da wir den Wunschkurs von 190° nicht halten konnten.

Zweiter Teil die Kalmen, Tag 10 bis Tag 15


Der Wind verschwand und zurück blieb die Robusta im Schwell des Meeres, mit hängenden Segeln in gleissender Sonne. Es herrschte nicht die totale Flaute, viel mehr hatten wir ca. 5 Knoten Wind, konnten 2-3 Knoten Fahrt machen, jedoch nicht mehr auf raumigem Kurs, da sonst die Segel zu stark umher schlugen. Der erste Squall, ein Gewitter mit Schauerböen erlöste uns von der Hitze, dem Sand und dem vielen Dreck, der das Schiff seid Cabo Verde umhüllte, den Windanzeiger verklebte und die Solarpanelen unproduktiv machten. Endlich Wasser von oben! Es folgten in den nächsten Tagen weitere Squalls, ca. 1-2 in 24 Stunden, diese sind jedoch weit weniger schlimm als befürchtet. Lässt sich mit einem Wärmegewitter in der Schweiz vergleichen, also keine heftigen Kaltfrontgewitter wie wir sie sonst kennen. Ankündigung der Kalmen im Wetterbericht sieht dann so aus:

INTERTROPICAL CONVERGENCE ZONE (ITCZ) 04N020W, 01N030W,
02S040W AND 02S050W WITH 3/4 DEGREES WIDE.

Wir markierten auf der Seekarte die vier angegebene Positionen und verbanden diese. Schon zeigten sich die Kalmen und so kann die Veränderung auf der Karte täglich erkannt werden. Wir hatten Glück, dass sie sich nördlich verschoben und somit über uns hinweg zogen. Schlussendlich befanden wir etwa fünf Tage in den Kalmen, bevor der Süd-Ost Passat einsetzte. Eindrücklich war das Wetterleuchten und die Blitze der Gewitter in der Nacht.

Dritter Teil: Süd-Ost Passat, Tag 16 bis Tag 23.


Als wir nach einem weiteren Squall auf unseren raumigen Kurs von 260° erreichten, dachten wir noch nichts dabei, für mich war es einen Winddreher nach dem Squall. Doch nach einigen Stunden fragte ich mich warum der Wind nicht zurück drehen wollte, bis mir klar wurde, dass es der neue Wind war! Der Süd-Ost-Passat! Endlich. Segel dicht nehmen, neuer Kurs: Am Wind. Ab nun heisst es: Hart am Wind. Ein neues Fahrgefühl nach langer Zeit.  Doch bereits nach zwei Tagen fierten wir die Segel, so dass ein herrliches Halbwindsegeln erlebt werden konnte. Weitere Tage später nahm der Wind mehr und mehr ab und drehte nördlich, so dass wir raumig kaum mehr vorwärts kamen, die letzten paar Tage waren sehr anstrengend mit flappenden Segeln und achterlichen Winden. Die letzten 100 Meilen fuhren wir nur mit dem Grosssegel, mit 3 Knoten Richtung Salvador. Sehr ungewöhnlich für diese Windregion, denn normalerweise wird hart am Wind gefahren bis Salvador. Wir konnten bis zum Terminal Nautico segeln, dies vor der imposanten Skyline von Salvador. Das war ein Erlebnis. Ansonsten empfand ich diese Etappe mit leichten raumigen Winden, schleppend vorankommend am anstrengensten.
Thomi


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Posted February 23, 2015 by robusta in category "Kap Verden

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