January 4 2021

Neue Freunde finden in der Corona Epoche

Die Robusta liegt unversehrt im Hafen. Doch Drinnen ist es saukalt und nur wenige Grad wärmer als draussen. Die klammen Kojen laden nicht direkt zum Ausruhen ein. Erst mal kräftig lüften und die Dieselstandheizung auf volle Pulle drehen. Decken aufhängen und die Matratzen aufstellen, damit von allen Seiten warme Luft wehen kann. Dann aber nichts wie raus aus diesem Chaos. Nach der langen Fahrt von Anchorage habe ich mich eigentlich, auf gemütliches in der Koje hängen und einen Film auf dem Tablet gaffen, eingestellt. Statt  zu schmollen, flüchten wir in die kleine Hafenbar Salty Dawg. Die Bude befindet sich im alten Leuchtturm. Brennt das Licht im Turm, ist die Bar offen.  Erstaunlicherweise auch trotz Corona. Dort treffen wir auf einen überdrehten Haufen. Alle scheinen sich zu kennen. Wir sind die Fremden. Ein halbes Bier später, quasseln uns die Anwesenden Löcher in den Bauch. Sie sind völlig verblüfft, dass Schweizer nach Alaska gesegelt sind und den ganzen Winter im Hafen wohnen wollen. Nach dem dritten Bier werden Telefonnummern ausgetauscht. Von den Amis heisst es ja, sie seien super spontan, aber auch entsprechend oberflächlich. Mal schauen was daraus wird. 

Eine Woche später sind sämtliche Bars geschlossen. Das Virus hat sich eine Angestellte vorgenommen. Aus Angst,  die Kunden der betroffenen Bar könnten in die anderen Lokale drängen, schliesst der Salty Dawg ebenfalls seine Türen. Andere Lokale ziehen nach. Alle hocken nun in der Kälte – auf dem Trockenen.

So ein Mist. Wo lernen wir Leute kennen? Ich befürchte uns steht eine einsame Zweisamkeit bevor. Als kontaktfreudige Person stimmt mich die Situation traurig. So suche ich im Netz nach Alternativen. Alle Sportvereine nehmen keine neuen Kunden an. Kursangebote sind zur Zeit annulliert.  Der lokale Segel Club ist ebenfalls im Corona-Modus. Alle sonst üblichen Treffen des Clubs finden nicht statt. Nicht mal ehrenamtliche Arbeit ist zu finden!  

Covid19 sei Dank 

Freundschaften knüpfen während der Pandemie, ist nicht so einfach. Üblicherweise laden wir gerne Leute auf die Robusta ein. Doch in ihrem kleinen Bauch ist Physical Distancing nicht möglich. Ich weigere mich jemals den Ausdruck Sozial Distancing zu verwenden. So ein idiotischer Begriff! Passt doch überhaupt nicht. Sozialkontakte sind ein Lebenselixier. Mit all den technischen Errungenschaften, ist es zum Glück möglich, Kontakte nach wie vor zu pflegen. Einfach auf eine andere Art. Ansonsten läuft hier das Leben fast normal weiter. Unsere Familien und Freunde sind da schon ganz anders gefordert. Lockdown, Home Office, Homeschooling, Job verloren, keine Kohle zum Rechnungen bezahlen und weitere Dramen spielen sich in weiter Ferne ab. Unsere Probleme mit geschlossenen Grenzen und Ersatzteilbeschaffung, erscheinen dagegen mickrig. Jedenfalls suggerieren wir uns ein, alles wird schon bald wieder normal. 

Jetzt aber zurück zum für euch absurd klingendem Problem, “Freunde finden”:

Mittlerweile ist ein enger kleiner Kreis an Freundschaften entstanden. Doch wie ist es dazu gekommen? Was ist anders während der Pandemie als üblich? Hier paar nette Beispiele, die uns um die einsame Zweisamkeit brachten. Vielleicht hätte es der Beziehung auch mal gut getan sich ganz und gar aufeinander zu konzentrieren…

Spaziergänger haben die Schweizer Flagge an der Robusta flattern gesehen. Sie haben angeklopft. Alle haben in irgend einer Form Bezug zur Schweiz. Sind dort aufgewachsen, ein Schüleraustausch um Deutsch zu lernen absolviert, oder die Grosseltern sind bereits nach Alaska ausgewandert. Auf Reisen in Homer hängen geblieben, sind auch einige. Daraus sind mittlerweile super nette Freundschaften gewachsen. Dank den beiden tollen Angestellten Annie und Erika vom der Bar  Salty Dawg, sind durch ihre vermittelnde Art, auch ganz wetvolle Kontakte entstanden.

Die Leute die hinter den Telefonkontakten vom Abend im Salty Dawg stecken, gehören offensichtlich zu der mutigeren Sorte. Mit ihnen kochen wir nette Abendessen in der engen Robusta, musizieren und spielen Karten, oder haben es einfach lustig miteinander. Oder hocken draussen, trotz Kälte gemütlich um ein grosses Feuer. In die Bar gehen wir nur wenn wenig los ist.  Alle wollen gesund bleiben. So vertrauen wir einander, dass die Covid19 Regeln ernst genommen werden. Hier im ländlichen Bereich, wird schnell bekannt wenn sich jemand angesteckt hat. Dieses Verhalten birgt ein Restrisiko, mögen die einen jetzt denken.  Egal, auf alles wollen wir nicht verzichten. Viel Zeit verbringen wir mit Freunden für einen Spaziergang oder zum Schneeschuhlaufen und Langlaufen.  Material für diese Aktivitäten haben uns die netten Menschen von Homer ausgeliehen. Grossen Dank!!! Aufenthalt an der frischen Luft ist wegen der kurzen Tage von gerade mal 5 Stunden, für die Gesundheit besonders von Bedeutung. “Cabin Fever” wird der Zustand von Antriebslosigkeit und Niedergeschlagenheit im Winter in Alaska genannt.

Was ich jedoch sehr irritierend finde und auch vermisse, ist das Hände schütteln oder Umarmen. Die Küsserei kann von mir aus für immer verschwinden. Doch irgendwie möchte ich mehr Herzlichkeit zeigen. Doch wie? 

 

 

 

 


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Posted January 4, 2021 by robusta in category "Alaska

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