June 15 2023

Kurzbeschreibung der Werft: staubig – stinkig – heiss

Die Robusta ist auf dem Trockenen geparkt. Der Platz ist nicht schlecht. Wasserhahn, Strom, und schön am Rand mit recht viel Raum um uns herum. Toiletten sind auch nicht weit entfernt. Alles scheint in Ordnung.

Bereits am ersten Abend, bei Sonnenuntergang – breitet sich aus der Nähe Fröhlichkeit aus. Bei einer Art Wagenburg aus Yachten geformt, hat sich eine Illustre Truppe, alle mit einem Campingstuhl – diese mit Bierhalterung – um ein riesiges Feuer mitten in der Werft versammelt. Jemand bringt uns zwei Hocker und ein anderer reicht uns je ein Bier. So hocken wir die nächsten zwei Monate fast jeden Abend zusammen, um den Tag ausklingen zu lassen. Alle bringen etwas essbares zum Teilen und dann geht’s los mit lustige Stories erzählen, fachsimpeln über Reparaturen, tauschen uns aus wo Ersatzteile anschaffen und in welchen Geschäften Material für die Wartung erhältlich ist.

Die ersten drei Wochen sind die Arbeiten flott angelaufen. Ben hat uns mit seinem Auto oft in die Stadt mitgenommen, um Essen vom Supermarkt zu holen oder um Material für die anstehenden Arbeiten einzukaufen. Er kennt sich hier aus. In den Strassen der Stadt patrouillieren Militärfahrzeuge auf deren Ladefläche vermummte Soldaten mit Maschinengewehren stehen. Die Sicherheitslage ist nach wie vor angespannt. Ben erklärt das ist wegen der Konflikte zwischen Sicherheitskräften und den Kartellen. Wir halten uns immer nur kurz in der Stadt auf. Vor allem nachdem Thomas auf dem Markt von einem Irren beinahe abgestochen wurde. Ja Guaymas ist echt eine krasse Stadt. Die Aussagen aus dem Mail von unserem Kollegen bestätigen sich tatsächlich. Er hat wahrhaftig nicht übertrieben. Ob wir uns jemals mit Guaymas anfreunden? Ich denke niemals.

Natürlich haben wir auch am Boot gearbeitet.

Ich beginne am Rumpf mit dem Antifouling abkratzen. Doch mir schmerzen immer noch die Rippen vom Ereignis als der Buckelwahl uns mit samt Dinghi in die Luft katapultiert hat. Thomas wühlt im Schiff und bringt sämtliche Segel und Leinen in einen Lagerraum der Werft. Um den Rumpf zu bearbeiten und malen, bräuchten wir ein Gerüst. Bisher konnten wir sowas mieten oder bestenfalls lag immer genug Holz, Bretter und Böcke rum um selber etwas zu bauen. In dieser Werft gibt es sowas nicht. Jedoch gegen etwas Trinkgeld treibt einer der Marineros garantiert auf was du brauchst. Nun ist die Robusta eingerüstet. Nicht ganz nach den Normen einer Unfallversicherung – aber zweckmässig.

Eines Tages haben Dale und Ben ein stattliches totes Schweinchen aufgetrieben. Dieses soll am Wochenende gebraten werden. Bis dann liegt es in einer Wanne im frisch gepressten Orangensaft eingeweicht. Wer zum Oxxo Kiosk läuft, darf nicht vergessen Eiswürfel mitzubringen, um die Kühlung des Schweichens sicherzustellen. Wer mitessen will, bringt eine Beilage und legt 10 US-Dollar in den Pot neben dem Grill. Wir sollen erraten, wie hoch die Kosten für das Schwein und die Holzkohle die es braucht um es 16 Stunden lang zu braten. Die beste Wette erhält den Pot minus der Kosten.

Ich bringe dem Nachtwächter einen Teller voll von diesen leckeren Delikatessen. Als ich wieder zurückkomme, ist der Pot bereits ausgelost. Thomas kniet vor einem Haufen Geld und zählt Gringo Scheine. Wie viel haben das Schwein und die Holzkohle nun gekostet? Ich mag mich noch genau erinnern was für eine Summe ich geschätzt habe. Das ist meine Zahl! Später stellt sich heraus, dass Dale auf seinen Notizen die Wetten von mir und Thomas verwechselt hat. Also wäre ich die Siegerin gewesen!!! Doch ich mache kein Aufsehen, einerseits um Dale nicht blosszustellen und Thomas soll die Freude über seinen Sieg geniessen.

Das Schwein und das Buffet mit all den mitgebrachten Beilagen waren superlecker!!! Ein echt gelungenes Fest welches sich bis in die Morgenstunden hinein zog.

Eines morgens reizt ein bestialischer Gestank die Riechorgane. Irgendwo muss wieder mal die Kanalisation verstopft sein, meint jemand der an seiner Yacht in der Hitze mit Glasmatten und Epoxidharz hantiert. Dann fliesse die Kacke vom nahen Quartier direkt neben der Werft der Strasse entlang. Konkret hinter der Mauer wo die Robusta geparkt ist. Und für wie lange?? Paar Tage. Das komme immer wieder mal vor. Guaymas ist ein echtes Drecksloch inmitten einer bezaubernden Landschaft. Überall liegt Müll. Entlang der Strassen, im Park, am Meer und die Müllkultur macht auch vor der Werft nicht halt. Was da alles rumliegt, ist phänomenal. An manchen Tagen stopfe ich, je nach dem aus welcher Richtung der Wind weht, etliche Müllsäcke davon voll. Mit dem Wind weht während der Sardinensaison zusätzlich ein sagenhaftes Düftchen von der Fabrik über das Gelände. Jetzt stellt euch das alles bei 45 Grad Hitze vor!

Ab sofort zwingen wir uns noch vor Sonnenaufgang aus den Kojen und beginnen morgens um fünf mit der Arbeit. Etwa um 11 Uhr gehen wir ins nahe Restaurant oder zum Kiosk, um ein einfaches Tagesmenü zu schlemmen. Wenn es so heiss ist, mag ich am liebsten Ceviche. Roher Fisch mariniert in Limettensaft an Rahmsauce mit Tomaten und Gurken. Nach dem Essen legen wir eine Siesta ein um etwa um vier weiterzuarbeiten. So jedenfalls der Plan. Doch in der Dämmerung sind unvorstellbar viele Stechbiester aktiv. Sie schären sich einen Dreck um die langärmeligen Klamotten, welche mit diesem russischen 75-prozentigem DEET eingesprüht sind. Die Stiche jucken und entzünden sich und bereiten manche schlaflosen Nächte, bis jemand diese Rosa Pillen teilt: Benadryl heisst das Wundermittel welches Juckreiz, Allergien und Hautausschläge sowie Schwellungen lindert. Ich finde es könnte aber auch als Schlafmittel verwendet werden.

Die Bedingungen sind hart. Beim Streichen mit der Stirnlampe versaue ich den roten Anstrich. Der Glanz ging wegen zu hoher Luftfeuchtigkeit verloren. Dazu kommt noch, dass nun hunderte Insekten in der frischen Farbe kleben. Es sieht schlimmer aus als zuvor. Nicht genug. Es geschieht mir gleich noch ein Malheur. Ich wollte die tiefen Kratzer und geflickte Stellen ausbessern. Mixe die Zweikomponenten Spachtelmasse zusammen. Einen Pump aus Flasche 1 und zwei Mal pumpen aus Flasche 2. Ganz einfach. Doch mit der einen Pumpe war was nicht gut. Jedenfalls trocknen die perfekt geflickten Stellen nicht! Ich habe mir so viel Mühe gegeben. Die eklig klebrige Pampe wieder zu entfernen, dauerte dreimal so lange als das Auftragen. Ich bin frustriert. Laufe davon. Nun sitze ich neben Hugo dem Sicherheitsmann beim Eingang der Werft unter einem Baum und quassle mit ihm. Dieser Mann ist immer so fröhlich und bringt mich stets zum Lachen.

Ersatzteile bestellen geht in Mexiko nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sendungen irgendwo verschwinden, ist ziemlich garantiert. Ansonsten gibt’s da jemand der einmal pro Woche mit dem Auto über die Grenze fährt, um für wenig Geld Ware aus Arizona nach Guaymas zu transportieren. Und so funktioniert es: Du kannst Ware an eine bestimmte Adresse senden lassen, die von Debbie nach Guaymas geliefert werden. Ich staune nicht schlecht, jemand hat  sich Toilettenpapier aus den USA bestellt! Das Toilettenpapier ist das Stichwort für das nächste Drama. Durchfall mit Erbrechen. Und ich bin nicht die Einzige die es erwischt hat. Die halbe Werft liegt flach, oder blockiert das Klo in dem du dich eigentlich nicht länger als unbedingt nötig aufhalten willst. Die Moskitos lieben dieses Örtchen. Sie warten darauf dich genüsslich in den nackten Hintern zu stechen.

Die Wartungsarbeiten gehen immer schleppender voran. Es ist ein Stadium erreicht, in dem so vieles angefangen ist und aus irgendwelchen Gründen pausieren muss. Entweder weil Farbe trocknen muss, für eine Arbeit Ersatzteile fehlen oder das eine bestimmte Geschäft gerade von einem Kartell in die Luft gesprengt wurde. Die Mexikaner sagen sie trinken jeden Tag zehn Liter Wasser. Wir schaffen gemeinsam nicht mal halb so viel. Es ist so heiss, dass die Farbe direkt vom Roller sich in Form von Spinnweben verflüchtigt. Mit einem speziellen Verdünner für hohe Temperaturen, geht es besser. Die 3 Gallonen Antifouling sind in nur zwei Anstrichen am Rumpf aufgetragen. Normal sind mit dieser Menge mindestens vier Anstriche möglich. Ist das nun gut oder schlecht? Diese Farbe kam auch auf mysteriöse Weise zu uns. Da ging mal so ein Gerücht in der Werft rum, es gebe immer wieder mal Gelegenheiten an günstige Farbe zu kommen. «Vom Lastwagen gefallen». Erst als wir die Ware weit ausserhalb vom Werftgelände abholen sollen, haben wir geschnallt, dass es sich um Diebesgut handelt.

Der nächste Ausflug mit der Horde aus der Werft, verschafft uns einen kleinen Einblick in die Machenschaften der korrupten Polizei. Die Idee ist in der Stadt Billard spielen zu gehen. Sechs von uns hocken auf der Ladefläche des Pick Up Trucks und der Rest sitzt vorne in die Kabine gequetscht – jedoch keiner am Steuer. Wer wird den Truck fahren? Wer hat noch kein Bier getrunken?

Ein Freiwilliger ist schnell gefunden. Es dauert nicht lange und der Gringo Truck wird von der Polizei verfolgt. Bei der Suche nach einem Parkplatz, biegt der Fahrer etwas rasant um die nächste Ecke und schon heult die Sirene des Verfolgers auf. Nun sitzt ein Polizist am Steuer des Gringo Trucks und unser Fahrer darf Polizeiauto fahren. Natürlich nur als Beifahrer. Der Alkoholtest fällt positiv aus. Jetzt wird’s ernst. Knast ist die Ansage bis ein Richter Zeit hat, den Fall zu bearbeiten. Derweil unser Kollege drinnen am Blasen ist, kontaktieren wir unsere mexikanischen Freunde, welche uns raten, mal 500 Pesos gleich etwa 25 Dollar zu bieten, um das Prozedere abzukürzen. Der Gringopreis beträgt jedoch 400 US-Dollar!! Was für ein teurer Ausgang. Dabei kamen wir nicht mal zum Billard spielen.

Und wer fährt den Wagen zurück in die Werft? Das ist jetzt egal meint die Policia, wir hätten ja jetzt bezahlt.

Nach zehn Wochen harter Arbeit sieht die Robusta innen wie aussen superschön aus. Obwohl wir hier eine coole lustige Truppe waren, sind wir nun froh endlich wieder aufs Wasser zu kommen wo es hoffentlich etwas kühler ist!

 NICHTS WIE RAUS HIER  – SCHNELL IN SEE STECKEN  UND AUF NIMMERWIEDERSEHEN GUAYMAS

 


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Posted June 15, 2023 by robusta in category "Uncategorized

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