Überfahrt von Majuro nach Saipan
Am 15. Januar geht’s! Wetterbericht? Egal. Bis Saipan bläst mehr oder weniger stark der Passat. Alles völlig easy.
„Was ist ein NO GO für euch?“
Gute Frage! Grübel. So ganz spontan kam mir in den Sinn: Über Bord fallen ist absolut verboten! Und es nervt mich, wenn drei Leute qualmen. Ich mag mich nicht mehr an die Aussagen der andern erinnern. Typisch?! Von Thomas weiss ich, er braucht seine Morgenzeit alleine. Die Frage kam von Claudi und Jona. Sie segeln die 1600 Seemeilen lange Passage bis Saipan mit uns. Die beiden Seglercracks haben ihre Yacht Inti nach über sechs Jahren Abenteuer verkauft und sie wird in Majuro bleiben. Es fühlt sich an, als kennen wir uns sehr lange. Thomas und ich haben schon vor unserer Reise ihren Blog gelesen. In Fiji haben wir uns im Sommer das erste Mal getroffen. Seit dann sind wir gemeinsam unterwegs.
Bekannte äusserten Bedenken. Vier Kapitäne – das sind drei zuviel. Einige schwören nie wieder Crew mitzunehmen. Das Risiko auf miese Stimmung und dann nicht ausweichen können, ist ihnen zu gross. Oft werden Mitreisende die ersten Tage seekrank. Navigieren und nebenbei kotzende Crew versorgen und pflegen, ist aus eigener Erfahrung gar nicht lustig. Da haben sie recht. Genau hinschauen ist ratsam. Doch wir mögen andere Menschen. Wir sind gesellige Kreaturen.
Die Sicherheitseinweisung in die Sardinenbox Robusta ist erfolgt. Wir sind alle gestandene Seebären und wissen selber wo unsere Fähigkeiten und Grenzen liegen. Trotzdem, jedes Schiff verhält sich unterschiedlich. Die Verantwortung für die Crew liegt beim Kapitän. Darum ist vereinbart, bei schwerer See und nachts nur mit Sicherheitsleine an Deck rumzuwuseln. Den Rest kennen die Beiden. Waren ja schon oft auf der Robusta. Eine Stauliste soll allen helfen, Kochbares in den Schapps zu finden.
Segel, setzen, Leinen los! Ein letzter Blick zur Segelyacht Inti. In diesem Moment kann ich niemandem in die Augen schauen. Ich muss selber fast heulen.
Bei 15 Knoten Wind aus Nord-Ost geht’s gemütlich, bei strahlend blauem Himmel und Sonnenschein los. Ein Bilderbuchtag. Easy sailing. So wird es jedoch nicht bleiben. Traditionsgerecht bekommt Neptun, Kapitän und Crew einen Schluck Rum, direkt aus der Flasche. Gemeinsam schwören wir auf eine angenehme Überfahrt und darauf, dass wir danach auch noch Freunde sind.
Eine Herausforderung wird der Umgang mit Trinkwasser. Robusta hat keinen Wassermacher. Drei Edelstahltanks von je 150 Liter Volumen, plus 100 Liter in Kanister sind an Bord. Während der Überfahrt wird mit Seewasser abgewaschen. Wasser aus den Tanks ist nur zum Trinken und Kochen vorgesehen. Nudeln werden mit zirka einem Drittel Seewasser gekocht. Eventuell sind sie dann, wegen der Atomtests der Amis im Bikini Atoll, ein wenig radioaktiv verstrahlt und wir leuchten bunt. Wacheinteilung: Drei Morgenmuffel und ein Frühaufsteher. Egal. Es wird rotiert. Einmal pro Nacht drei Stunden. Was für ein Luxus! Mit kleiner Crew ist eine Überfahrt wesentlich strenger. Der Einteilung zur Folge muss Claudi mich wecken. Sie äussert Bedenken. Ja ich weiss, ich bin diesbezüglich unmöglich. Mein Job war auch kein leichter. Jona lag immer wie eine Rollwurst ganz in der hintersten Ecke der Achterkoje. Mit meiner Hand kam ich dort vom Cockpit her nicht hin. So behalf ich mir mit einem langstieligen Kochlöffel. Kann ja nicht in die Kabine reinbrüllen, sonst wären alle wach geworden. Am dritten Tag war Jona feinstens auf den Kochlöffel konditioniert.
An Deck spielen wir Tavli Turniere. Alle kochen grandiose Mahlzeiten. Jona ist der Currispezialist! Claudi hat super leckere Bolognese Konserven vorgekocht. Zum Frühstück gibt’s Müsli mit selbst gezüchtetem Kefir und Früchten. Sogar Kuchen und Brote werden gebacken. Die Stimmung ist toll. Alle lesen viel, hängen gemütlich in den Kojen, bis die tausendste Welle sich ihren Weg durch die offenen Bullaugen und dem Niedergang verschafft. Ich könnte schwören, da waren paar Fische dabei. Rucksäcke, Kissen, Bettzeug nass. Wegen Salzwasser wird es wohl auch für den Rest der Reise so bleiben. Ein Bullauge ist auch undicht. Kann aber notdürftig abgedichtet werden. Ich fühle mich schlecht, dass es die Kojen unserer Gäste getroffen hat.
Die nächsten Tage ist Rock’n’Roll angesagt. Die Wellen sind unglaublich hoch! Richtige Berge rollen von Achtern an. In ihnen gleiten elegant riesige Wesen. Es sind Buckelwale. Sie kommen ganz nahe. Tauchen unter der Robusta durch. Der Tiefenmesser zeigt nur gerade mal zwei Meter an. Also eine Handbreit frei unterm Kiel. Was für ein schönes Spektakel. Alle sind zutiefst beeindruckt. Doch da schwingt auch immer etwas Respekt mit. So manche Geschichten kursieren in der Seglerszene. Zum Beispiel von Walen, die sich an Yachten gerne mal etwas kratzen und dabei Schäden am Ruder anrichten. In Neuseeland haben wir Leute kennen gelernt, denen ist so ein Vieh auf’s Deck gehopst und hat dabei die ganze Reling runtergerissen und am Stahlschiff eine dicke Beule hinterlassen. Nachts, wenn ich in absolut schwarzer Nacht Ausguck halte, wird mir dann schon manchmal etwas mulmig….
Die vielen Squalls fordern uns heraus. Reffen, ausreffen. Heftige Regenfälle, alle Luken zu, heiß. Jede Bewegung wird zur reinsten Akrobatik. Claudi wird quer durchs Cockpit geschleudert und landet dabei unsanft. Und die zweitausendste Welle steigt übers Cockpit und zerstört einen Reissverschluss vom Deckshaus. Es kommt noch dicker. Robusta fällt sozusagen von einer Welle. Kracht seitlich ins Wasser und taucht mit der ganzen Reling unter. Viel Wasser fliesst ins sonst so geschützte Cockpit.
Ich staune wie sauber das Klo bei diesen Bedingungen bleibt. Alle sind bemüht, dass es schön bleibt. Claudi wurde aus Panik um dieses empfindliche Jabsko Klo, ein Kochverbot erteilt. Ihre super leckeren Speisen verursachten bei der Besatzung übermässige Darmtätigkeit. Wir haben einfach schlicht zu viel gemampft! Mit der schweren See steigt die Spannung an Bord. Was ist los?
Drei Raucher – eine Nichtraucherin – keine Zigaretten!
Ich bin entsetzt! Wie konnte es nur soweit kommen? Hat etwa die dreitausendste Welle die Zigaretten über Bord gespühlt? Nun bin ich aber sehr verunsichert, was auf mich zukommt und bin ab sofort auch gereizt. Thomas hatte als erster keine mehr. Bald ist Claudi auch soweit. Jona trägt ab sofort seinen Vorrat immer am Körper. Ohje. Sowas finde ich nicht lustig. Claudi hat zu Beginn der Reise behauptet, sie rauche nie auf See. Doch auf der Robusta schmecken Zigaretten plötzlich.
Wer sich nicht benimmt, kommt in den Löwenkäfig, die Achterkabine! Nach ein paar Tagen Entziehungskur auf dem Therapieschiff Robusta, taucht ganz unverhofft ein volles Päckli Zigaretten auf.
Ruhe kehrt dennoch nicht ein. Neptun wirbelt kräftig die See auf. Kochen ist super anstrengend, der Abwasch muss mindestens zu dritt bewältigt werden. Alles strengt an und lässt uns an der Klippe der Komfortzone balancieren. Jetzt ist aber langsam genug. Wann sind wir da? Alle haben die letzten Nächte schlecht bis gar nicht gepennt.
Endlich! Die Lichter von Saipan sind in der zwölften Nacht zu erkennen. Puff und der Wind ist weg. Was bleibt, ist eine aufgewühlte See. Kaum ist das Leichtwindsegel gesetzt, zischt ein Squall mit viel zu viel Energie daher. Das Segel muss sofort runter! Es landet völlig unprofessionell in der See. Jona eilt auch ohne Einsatz vom Kochlöffel zur Hilfe um das Segel zu retten. Dann halt wieder den Klüver setzen. Doch der hat einen Riss! Für die letzten Meilen kramen wir kein anderes Segel mehr raus. Wir sind schlicht zu müde. Kommen auch nur mit dem Grosssegel ans Ziel.
Claudis und Jonas Sichtweise der Überfahrt kannst du auf ihrem Blog lesen!
…..und stellt euch vor, Dank Neptun-Schwur werden wir befreundet bleiben😜! Wir sind jetzt schon traurig, dass sich unsere Wege bald trennen!!!!