December 14 2021

Bye bye Amerika – hasta pronto Mexiko

Betreffend Ankern herrscht in San Diego wieder das ähnliche Geschiss wie in der Bay Area von San Francisco. Die Regulierungen, Port of San Diego) erfordern ein sorgfältiges Studium. Das Wichtigste kurz zusammengefasst: Wer im San Diego Bay ankern will, muss erst mit dem Schiff bei der Hafenpolizei vorfahren. Dort wird das Gefährt unter die Lupe genommen. Es geht vor allem um Umweltschutz. Darum muss ein Fäkalientank vorhanden sein und in der Motorbilge darf absolut kein Oel rumschwappen. 

Es wird schon bald dunkel. Bei der Hafenpolizei ist bereits niemand mehr.  So schnappen wir uns  die nächstbeste Boje im Kanal und machen dort fest. Das war schon mal falsch. Der Besitzer ist jedoch nicht aufgetaucht. Trotzdem tuckern wir schon sehr früh zur Hafenpolizei. Doch da ist wieder niemand. Wir hätten telefonisch einen Termin vereinbaren müssen. Die Kontrolle ist rasch erledigt. Ein Papier erlaubt uns nun für drei Monate kostenlos im A9 Ankerplatz zu liegen. Dies gilt nur für Yachten ausserhalb von San Diego. Für die lokalen Segler gelten strengere Regeln. Sie müssen alle paar Tage den Standort wechseln. 

A9 ist krass. Direkt neben der Landepiste des internationalen Flughafens gelegen und mit bester Aussicht auf die Skyline von San Diego! Vom Dinghi Dock bist du in zehn Minuten zu Fuss mitten im Zentrum. Einkaufen ist wieder wie in allen amerikanischen Städten ohne Auto höchst kompliziert. Im Zentrum befinden sich nur Büros, Restaurants und Bars. Keine kleinen Einkaufstrassen  mit allerlei verschiedenen Geschäften. Sowas findest du in den Shopping Malls. Die liegen weit vom Zentrum entfernt. In San Diego gibt es noch viele andere Dinge zu entdecken. Egal, wir freuen uns auf’s Einkaufen  in Mexiko, wo alles wesentlich günstiger sein wird!

Das Maritime Museum, mit dem ältesten noch aktiven Segelschiff, der Star of India, war leider geschlossen. Schade. Etwas enttäuscht schlendern wir weiter am Ufer entlang. Stehen nun vor der USS Midway. Der bis 1955 grösste US-Flugzeugträger ist heute ein Museum. Erst sträube ich mich da rein zu gehen. Ich verabscheue Krieg. Thomas überredet mich. Weil wir uns in Museen eh immer verlieren, werden wir uns in einer Kneipe wieder treffen. Drinnen, während einer Filmvorführung erst recht, überkommt mich ein Schwall von Emotionen. Ich denke an all die jungen Männer und Frauen, die ihre Jugendzeit auf der USS Midway gedient haben und wie viele junge Leben dabei draufgegangen sind. Schrecklich! Ich bin dankbar musste mein Sohn nicht in irgendwelche Kriege ziehen. Die Angestellten haben alle in der Vergangenheit auf diesem Flugzeugträger gedient. Sie gehen verblüffend offen auf unsere kritischen Fragen ein. Ich hockte mich in jeden Jet rein und auch noch in den Flugsimulator. Der war allerdings recht heftig! Sehr eindrücklich! Nun versuchte ich mir vorzustellen, wie alles bei schwerer See und während einer Schlacht abgegangen ist. In  geheimer Mission mischte ich mich unter eine Schulklasse, um den Schülern jegliche Gedanken an den Eintritt in die Armee zu vermiesen. Nach sechs Stunden war ich noch immer nicht durch. So bekam ich am Ausgang für den nächsten Tag nochmals ein Ticket. 

Bevor die Reise über eine der  meist bewachten Grenze der Erde geht, müssen wir am Flughafen ausklarieren. Achte darauf, dass die Exit clearance ausgestellt wird. Wird oft vergessen. Der Wind saust in heftigen Böen bis 40 Knoten über den Ankerplatz.  Immer wieder wache ich auf. Der Anker hält gut. Sobald der Wind gedreht hat, geht’s los. Thomas weckt mich um vier Uhr mit einem starken Kaffee. Es regnet und stürmt noch immer recht heftig. Haben Mühe die Segel zu setzen weil alles arg flattert. Was für ein Drama sich vor wenigen Stunden draussen am Coronado Beach zugetragen hat, erfahren wir erst Tage später. Fünfzehn vor Anker liegende Yachten sind in der Nacht gestrandet!

Bye Bye Amerika!

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December 14 2021

Der wilde Westen bis San Diego

Robusta’s Bauch ist mit Lebensmittel und Wasser aufgefüllt. Diesel ist noch genug da. Sie pflügt nun schwer und träge auf die Golden Gate Bridge zu. Der Nord Wind hat noch nicht eingesetzt. Nur eine leichte Briese weht über den Bay. Das ist gut so. Denn die Gezeitenströme unter der Brücke sind enorm stark. Angedacht ist, eine halbe Stunde vor Hochwasser unter der Brücke durchzusegeln. Da wird noch ein leichter Gegenstrom zu spüren sein. Doch so kann eine Wind – gegen Strom Situation vermieden werden, was gefährlich steile Wellen verursachen würde. Ich bin traurig. Wehmütig schaue ich zurück auf die bezaubernde Szenerie der Golden Gate Bridge, und bis die letzten Häuser der Stadt im Abenddunst verschluckt sind. Wir trösten uns mit Gedanken an den warmen Süden. Die Prognosen versprechen knappe 12 Stunden Nordwind. Danach herrscht wieder ein paar Tage Flaute. Am nächsten Morgen ist Monterey in Sicht. Erst versuchen wir vor dem Hafen zu ankern. Ein beissender Gestank trifft mich und der Brechreiz ist knapp kontrollierbar! Ein Blick, Thomas reisst wortlos das Steuer rum und ein paar Minuten später ist die Robusta nach zwei Jahren das erste mal wieder in einer Marina geparkt. Der strenge Geruch der Seelöwen- Seevögel- und Pelikankacke hängt noch Stunden in unseren Riechorganen fest. 

Ich rufe an. Paar Stunden später sitzen wir gemeinsam im Cockpit der Robusta. Taunya war acht Jahre alt als ich sie in Sacramento Kalifornien zum letzten mal gesehen habe. Das war vor 35 Jahren. Wir verbrachten eine lustige Woche miteinander! An Thanks Giving bereiten wir gemeinsam ein tolles Schlemmermenue mit allerlei Leckereien zu und essen uns buchstäblich schlapp. Oh wie gerne denke ich an diese lustigen Zeiten mit all den vielen Pot Luck Parties dieser Grossfamilie von meinem Ex- Mann zurück. Da waren immer mindestens 20 Personen anwesend! Die waren alle so irre lustig drauf! Doch trotzdem hatte ich oft Heimweh. Ich mochte das Stadtleben nicht, und vieles am American Livestyle irritierte mich. So entschied ich mich zurück in die Schweiz zu ziehen. 

In der Marina steht eine tolle Waschmaschine zur Verfügung. Ein Dollar pro Waschgang. Der Liegeplatz ist mit 25 Dollar auch absolut erschwinglich. So verbringen wir viel Zeit um wieder mal alles nebst den Kleidern auch all die Decken und die Schwerwetter Klamotten zu waschen. Die brauchen wir nicht mehr und werden verstaut. Doch mit dieser Meinung lagen wir weit daneben. In Kalifornien hatten wir nur ein mal  Gelegenheit um zu waschen. Das war in Sausalito. Die Wäscherei liegt dort nahe am Ufer. Ein wichtiges Kriterium damit nicht zu weit geschleppt werden muss.

Das nächste Wetterfenster tut sich auf. Mit etwas Glück sollte es möglich sein, bis zu den vor Los Angeles gelegenen Channal Islands  zu segeln. Dieser Abschnitt an der Küste des wilden Westens von Kalifornien bis zur mexikanischen Grenze, herrscht oft Flaute oder der Wind kommt aus Süd. So bestimmt das Wetter das Vorankommen und wo ein Zwischenalt eingelegt wird. Natürlich könnte der Motor eingesetzt werden. Doch unsere Philosophie lautet:  diese Reise möglichst unter Segel zurückzulegen.  

Trotzdem füllen wir für den Notfall den Tank mit Diesel. Zu allem Übel hängen all diese faulen Stinker neben der Tankstelle auf der Hafenmole! Gemütlich dümpeln wir mit leichtem Wind bei angenehmen Temperaturen in den Süden, Richtung San Diego. Vor Los Angeles liegen mittlerweile über 90 Containerschiffe vor Anker und warten darauf um entladen zu werden. Ist durch die Pandemie der online Kaufrausch ausgebrochen? Thanksgiving, Black Friday und Cyber Monday stehen kurz bevor, danach folgt Weihnachten…. Eine Zeit in der die Amis am meisten konsumieren.  All der aus Asien kommende Kram kann nicht schnell genug entladen werden. Lastwagenfahrer fehlen und in  Darum mangelt es in Asien an leeren Container um mehr Ware zu verschiffen. Truck Driver fehlen und einige Häfen sind wegen der Pandemie sogar geschlossen. Der Suezkanal war erst noch durch ein auf Grund gelaufenen Frachter blockiert. Die Auswirkungen sind weltweit zu spüren. 

 

Leider ist östlich der Channel Islands selten Wind. Für die nächsten 10 Tage auch nicht. Schade, wäre bestimmt spannend gewesen zwischen all den ankernden Frachtern vor Los Angeles durchzusegeln. Egal, wir sind eh etwas im Stress. Weihnachten kommen Markus und mein Sohn Sascha nach La Paz, Mexiko, damit wir gemeinsam feiern können. 

Beim Kap Concepcion geht’s schon los. Flaute, Winddreher, Wenden – auch nicht gut. Noch 30 Seemeilen bis zu der westlichst gelegenen Insel von den Channel Islands – San Miguel. In diese Richtung segeln geht nicht.  Bis zur nächsten sicheren Ankerbucht sind es noch 15 Seemeilen. So darf der Motor wieder mal dröhnen. Doch die Einfahrt in die riesige Bucht ist der absolute Horror. Überall Kelp und nicht gerade wenig davon. Da rein in der Dunkelheit wäre fatal. Es ist noch zu tief um zu ankern. Irgendwo muss doch ein Durchgang sein. Thomas behauptet mit dem Langkieler sei es kein Problem durchs Kelp zu pflügen. Das habe ich aber anders in Erinnerung. Wir beide sind müde und wollen noch bevor es ganz dunkel ist sicher vor Anker liegen. Also rein in das Gemüse. Bei 25 Meter geht der Anker runter. Er hält nicht wirklich. Da ist kein Wind. Mal beobachten was passiert.  Um Mitternacht ist die Robusta noch immer an der selben Position. Also legen wir uns schlafen. 

Am Morgen liegt wie so oft dicker Nebel an der Küste Kaliforniens. Das Kelp scheint sich während der Nacht verdreifacht zu haben. Thomas hantiert mit dem Anker. Die Winsch bekommt nicht genug Strom. Irgendwas stimmt nicht. Auch von Hand geht es irre schwer. Viel Kette ist nicht mehr draussen. Mit dem Bootshaken erwische ich den Fender an dem die Trippleine befestigt ist. Tonnenweise Kelp hat sich um die Leine und Ankerkette geschlängelt. Mit der Macheta und dem Brotmesser wird gehackt und gesägt. Keiner von uns will ins kalte Wasser um den Propeller zu kontrollieren. Mit der GoPro am Bootshaken befestigt, filme ich unter Wasser ob da von dem Grünzeugs was im Propeller hängt. Ja! Doch nur wenig. Kann mit dem Bootshaken ohne Morgenbad entfernt werden. 

Jetzt aber nicht s wie weg hier! Ohne Motor versuchen wir aus der Gemüsesuppe zu segeln. Nicht ganz einfach, die Strömung ist stärker als der Wind.

In San Miguel einem phantastischem Naturparadies, erlaubt nur ein kurzer Zwischenhalt. Die Prognosen künden 25 Knoten Nordwind an. Somit wird der Ankerplatz zur Falle. Doch diese Wetterlage pustet uns direkt nach San Diego!

 

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November 10 2021

Durchs goldene Tor in die Bay Area von San Francisco

Unter der berühmten Golden Gate Bridge durchsegeln, darauf haben wir uns riesig gefreut! Unüblich dabei war, die Sonne schien in voller Pracht und brachte sogar etwas Wärme ins Gemüt. Das fühlte sich nach der strengen Überfährt sehr gut an. San Franzisco liegt oft in Nebel gehüllt, welcher sogar einen Namen hat.  Wehen die kalten Winde vom Pazifik auf das heisse Festland, schleicht Karl von der Küste die Hügel empor und legt sich wie eine flauschige Decke über die Stadt. 

Aus diversen nautischen Berichten wissen wir,  der Aufenthalt in diesem Seegebiet wird nicht einfach. Die Marinas sind oft überfüllt und die Preise für einen Liegeplatz sind unermesslich hoch. Freies Ankern, wie wir es sonst immer tun und dann mal so husch mit dem Dinghi an Land sausen, soll nun plötzlich ultra kompliziert sein. 

Warum? 

Vor Sausalito einer Wohn- und Feriensiedling für die Oberschicht, mit prachtvoller Sicht auf San Francisco, tobt der Hausboot-Krieg. Die Story reicht bis in die 50er Jahre zurück. Für die Beetniks, Hippies und Freaks und Künstler war es Kult auf bunt zusammengezimmerten schwimmenden Konstrukten zu leben. Diese kuriosen Buden mussten für  millionenschwere durchgestylte Hausboote weichen. Von den Vertriebenen kaufte sich wer konnte, eine halbwegs seetaugliche Yacht und ankerte im Richardson Bay. Bis vor ein paar Jahren wuchs die Gemeinschaft auf 250 Yachten an.  Durch massive Massnahmen von Seiten der Regierung, sind es heute noch 85. Zum erneuten Eclat kam es letzten Sommer, als die lokale Regierung  von Sausalito beschloss,  den Bay mal wieder gründlich aufzuräumen. So wurden an einem Tag von 43 Menschen, teils Familien mit Kinder, ihre schwimmenden Lebensräume mit samt Inhalt verschrottet. Nun leben sie in einem eingezäunten Grundstück in Zelten – an den Rand  von Sausalito gedrängt. Die sogenannten “Anchor-Out” sind sauer. 

Bezahlbarer Wohnraum  ist inexistent. Um die Situation zu verdeutlichen, im Jahr 2021 zogen aus der Bay Area von San Francisco 20 Prozent der Bevölkerung weg, weil die Lebenskosten einfach nicht mehr zahlbar sind. Die Auswirkungen sind überall sichtbar. Entlang der Autobahn, unter Brücken, in der Industriezone und sogar mitten in der Stadt leben Menschen wie anno dazumal im Gold Rush vor 170 Jahren in Zelten und unter Planen auf der Strasse.

Diese Umstände beunruhigen uns und wir machen erst mal einen grossen Bogen um Richardson Bay. So müssen wir als Langfahrten Segler etwas kreativ werden. Im folgenden Link findest du alle möglichen Ankerplätze.  Ankern ist nicht immer kostenlos. Über den folgenden Link erfährst du mehr über die etwas konfusen Regeln und Preise und kannst auch online bezahlen. Mit etwas Phantasie lässt sich immer irgend ein Ort zum Ankern finden. Einfach die Seekarten genau studieren und auf die starken Strömungen im Bay achten!

Als erstes versuchen wir direkt vor dem Schiffsmuseum, mitten im Zentrum von San Francisco zu ankern. Nur kleine Segelyachten ohne Motor sind erlaubt. Also sausen wir unter Segel da rein und schmeissen den Haken zwischen den beiden Schonern vor dem Museum. Mit dem Dinghi rudern wir ins Museumsgelände und werden mit der Brandung unsanft an Land katapultiert. Mit triefnassen Hosenbeinen  waten wir ins Büro des Direktors. Stellen uns vor und fragen ob wir ankern dürfen und das Dinghi im Museum parken können. Er spricht fliessend Deutsch und ist über unsere Reise höchst beeindruckt. Da die Robusta aus der Distanz betrachtet ein klassisches Schiff ist, dürfen wir für 10 Dollar pro Tag so lange wir wollen bleiben. Er stellt uns beim Nachtwächter vor der uns seine Telefonnummer gibt. Wenn wir ausserhalb der Öffnungszeiten rein wollen, können wir ihn anrufen und er wird uns ins Gelände lassen. Perfekt. Ausser in Sausalito hatten wir durchwegs positive Erfahrungen mit Ankern gemacht. Wenn du alle paar Tage wieder irgendwo anders ankerst, ist alles kein Problem. Die Bay Area ist ein  sehr spannendes Seegebiet. Unter Brücken durchsegeln, an der Skyline von San Francisco vorbei, mittendurch den Industriehafen von Oakland  segeln und es wäre sogar möglich gewesen ins Delta rein bis nach Sacramento zu reisen. 

Wir lieben die Bay Area!

San Francisco und Umgebung haben echt viel zu bieten. Mir ist jedoch aufgefallen, die schönen alten Häuser im viktorianischem Stiel, sind nicht mehr so bunt wie in den 80er Jahren, als ich als junges Girl für vier Jahre in Kalifornien lebte. Schade.

Hier treffen wir ein paar Leute die wir in der Südsee kennen gelernt haben. Das war echt cool! Harry und Sandra leben seit einem Jahr auf einer kleinen Yacht die sie für die Reise nach Mexiko am ausrüsten sind. Sie werden jedoch erst in ein paar Monaten los ziehen. Doch wir werden uns in der Sea of Cortez in Mexiko treffen. So wird viel fachgesimpelt und Harry und Sandra fahren uns zu den tollsten Schiffsausrüster der Umgebung. Gemeinsam durchwühlen wir stundenlang den Secondhandladen  nach Ersatzteilen.  Ich habe dort unser Traum Dinghi gefunden! Ein Porta Bote, ein Faltboot das ich mir schon hundert mal im Netz angeschaut habe. Brandneu – noch in der Originalverpackung – zum halben Preis. Nie mehr aufpumpen oder Löcher flicken. Es ist halb so schwer aber doppelt so stabil wie das altes aufblasbares Dinghi. Aus dem selben Material wie die Schusssichern Westen gebaut. Klingt doch vielversprechend!

Wir könnten noch ewig hier bleiben. Doch wir wollen noch vor den Winterstürmen in Mexiko ankommen.

 

 

 

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October 2 2021

Zwischenstop in Crescent City, Kalifornien

Gerade noch kurz bevor der Sturm lostobt, liegt die Robusta im sicheren Hafen. Zwischen überdimensional fetten, hoch  in den Himmel ragenden Pfeilern, an denen die Schwimmpontons jetzt noch sanft schaukeln. 

Schnell Einchecken und eine ausgiebig heisse Dusche und dann richtig fest ausschlafen. Egal an welchem Hahn gedreht wird, die Temperatur ist unmöglich zu regulieren. Wir beide schaffen es nicht das feuerheisse, schlappe Gedröppel zu beeinflussen. Nicht frisch geduscht, starren wir beide entsetzt auf eine im Hafen angebrachte Informationstafel. Ich bin geschockt über die Gewalt. Kannst du dir vorstellen wie laut es in solch einem Moment ist? Ich blicke erschrocken um mich. Wo müssten wir hinrennen?  Seit 1933 wurden in Crescent City 32 Tsunamis beobachtet. Fünf davon richteten Schäden an. Der Hafen wurde 2006 durch einen Tsunami stark beschädigt und 2011  durch ein weitere heftiges Ereignis komplett zerstört. Du kannst im Netz eine Tsunami Walking Tour für diese Stadt downloaden. Es fing 1964 mit einem 9.2 Magnitude starkem Erdbeben an. Die 21 Fuss hohe Welle zerstörte 290 Häuser. Dabei verloren 11 Menschen ihr Leben. 

Jetzt erstmal gute Nacht!

Das Zentrum liegt eine halbe Stunde Fussmarsch vom Hafen entfernt. Weiss jetzt gerade nicht wie ich diesen Ort beschreiben soll. Wir fragen uns, warum um Himmelswillen hier nur Menschen wohnen können? Oder warum jemand hier Urlaub macht? Das Kaff kommt uns absolut schief rein. Doch nur wenige Meilen entfernt liegen die berühmten Redwood Wälder von Kalifornien mit ihren gigantischen Zedern. Da wollen wir hin. Im Touristenbüro decken wir uns mit Infos ein. Die nette Dame markiert im Fahrplan den Bus und die Abfahrtzeiten. Im Wald angekommen, fragt der Busfahrer wie wir gedenken nach Crescent zurück zu kommen. Wegen Covid19 ist da nur noch einer pro Tag. Beim Einsteigen ist ihm diese Frage noch nicht in den Sinn gekommen. Können ja ein Baumhaus bauen. Eine Mitarbeiterin vom Park, versucht ohne Erfolg einen Taxi in den Wald zu locken. Sie bietet uns an, nach der Arbeit nach Crescent City zu fahren, obwohl sie in der entgegengesetzten Richtung wohnt!

So und nun kümmern wir uns um die Sturmschäden und die nasse Wäsche. Das von mir neu genähte Lazy-Bag ist demoliert. Bei genauerer Betrachtung ist alles nur halb so schlimm. Der Stoff ist nicht beschädigt. Doch die Leinen sind gerissen und die neuen Fixierungen am Baum abgebrochen. Ich habe im Fachgeschäft noch rumgestänkert, weil die nur in Plastik erhältlich sind. Moderner Seich. Jetzt ist das Lazy-Bag mit soliden Schrauben und mit massiven Schrauben am Holzbaum festgeschraubt. Toll im Hafen hat es eine neue moderne Waschmaschine. Doch niemand darf sich ihr nähern. Wegen Covid19! Wieder mal so eine Regel die ich schlecht verstehen will. Die nächste Wäscherei liegt eine halbe Stunde zu Fuss entfernt. Die Taxis hat wohl der letzte Tsunami verschluckt. 

Wetter ist wieder gut zum Segeln – also jetzt aber nichts wie weg hier! Die Hochdruckintervalle fallen immer kürzer aus. Das wird wieder eine knappe Kiste. Wollen wenigstens das das Kap Mendesino hinter uns haben. Freuen uns schon riesig auf die Bay Area! Vor allem bin ich gespannt, wie sich meine Lieblingsstadt San Franzisko verändert hat.

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September 25 2021

Überfahrt von Seattle zum Goldenen Tor

Den letzten Abend in Port Townsend verbringen wir mit unseren Seglerfreunden Jennifer und John, die nun endlich von Alaska wieder nach Hause gekommen sind. John springt nervös vom Sofa. Er hat soeben eine Anfrage von einem Bekannten aus Kanada erhalten, ob er nach San Franzisco segeln wolle. Na perfekt. So sind wir nun zwei Yachten mit dem selben Ziel. Drew wird die nächsten Tage in die USA einreisen. Die Grenze ist für den Freizeitverkehr noch immer zu. Wir sind zuversichtlich. Er wird, wie von uns empfohlen, einen Bogen um Friday Harbor segeln und in Port Angeles einklarieren. Ich denke bei uns allen hat es geklappt, weil wir nach Mexiko wollten und somit die Reise unter Transit läuft.

Paar Tage später tut sich das lang ersehnte Wetterfenster auf. Ich schätze es, die bevorstehende Herausforderung mit zwei erfahrenen, ortskundigen Segler zu planen. Sie leihen uns einen tollen Segelführer aus. Charlies Charts, US Pacific Coast. Den werde ich ihnen von San Diego wieder zurück schicken. Weiter nutzen wir den US Coast Pilot Nummer 7 und 10.

Diese Küste ist schon so manchem Seefahrer zum Verhängnis geworden. Die starken Strömungen machen diese Küste so gefährlich. Auf Grund der gegenläufigen Hauptströmungen mischt sich kaltes Oberflächenwasser aus Nord mit dem warmen Wasser aus Süd, was die See gut aufmischt. Zusammen mit dem Wind herrschen oft Wind gegen Strom Verhältnisse was zusätzlich eine steile hackige See verursacht. Vor den Häfen liegen Sandbarren die nur in ruhigen Bedingungen oder allenfalls nur mit Hilfe der Küstenwache angefahren werden dürfen. Diese vermeintlich sicheren Orte werden schnell mal aus Sicherheitsgründen von der Coast Gard geschlossen.. Crescent City ist der einzige Hafen der immer offen ist. Cape Mendosino ist ein weiterer Knackpunkt auf dieser Strecke. Dort pustet es auch immer kräftig. Die beste Zeit um dieser Küste entlang zu segeln ist Sommer bis Mitte September. Ab Herbst ziehen die aus West über den Pazifik reinlaufenden Tiefs immer südlicher durch und bringen starken Südwind.

Rückblickend sind wir zu spät los. Wir beide haben schon so manche Seemeilen unterm Kiel, doch diese Überfahrt geht in die Kategorie schlimm – jedenfalls für mich! Unsere Freunde wollten uns folgen. Doch der Nordwind hat sich wohl bis nächsten Sommer verabschiedet. Schade.

Letzter Sicherheitscheck steht an: Das Gefährt muss in bestem Zustand sein! Motor wird eingehend unter die Lupe genommen, Rigg kontrollieren, dabei muss jemand auf den Mast klettern, um alle Wanten nach fehlenden Splinten oder anderen Schäden zu überprüfen. Vor allem den Splinten traue ich nicht mehr, obwohl sie längst allesamt ausgetauscht sind. Die vom AWN in Neuseeland sind absolute Schundware! Gummis der Luken habe ich letzte Woche schon in Silikon eingeweicht damit alle Fenster bestimmt dicht sind. Schwerwetterklamotten, Schwimmwesten mit Sicherheitsleinen und warme Pullis sind einsatzbereit. Wasser und Diesel sind getankt, Proviant und alles was rumfliegen oder klappern kann ist ordentlich verstaut.

Alles scheint perfekt.

Geplant ist, die rund 700 Seemeilen ohne Zwischenhalt bis nach San Francisco durchzusegeln. Stecken einen Kurs von mindestens 60 Seemeilen von der Küste entfernt ab, um so dem Frachtverkehr und den lokalen Krabbenfischern auszuweichen. Der Nachteil, weiter draussen ist die See unruhiger.

In der Straight of Juan de Fuca, der Meerenge zwischen Kanada und den USA, fegen heftige Böen von den Berghängen herunter. In der Naeh Bay, einer kleinen „First Nation Siedlung“, die wegen Covid19 gegen aussen abgeschottet ist, verbringen wir die Letzte Nacht vor dem Absprung ohne Landgang. Eine unruhige Nacht. Der Ankergrund ist mies und die heftigen Böen bringen die Robusta ins Rutschen. Nach dem dritten Umankern ist dann gut.

Drew und John wecken uns als sie bei Sonnenaufgang aufbrechen. Wir warten noch zwei Stunden bis sich der Südwind doch noch etwas beruhig und die See nicht mehr über die Mole kracht. Der erste Schlag ist hart. Mit Sturmfock und Grosssegel im dritten Reff, stampft die Robusta flott in die vom vorangegangenen Sturm aufgewühlte See. Beim Cape Flattery, spritzt die Brandung eindrücklich den Felsen empor. Doch der Spass hält nicht wie gedacht an. Statt wie im Wetterbericht prognostiziert sollte der Wind am Nachmittag langsam über Ost nach Nord drehen. Der bilderbuchmässige Drall bleibt aus. Zwei qualvolle Tage ohne Wind folgen. Mit Drew und John stehen wir per Funk im Kontakt. Sie motoren. Ihre Position liegt  etwa 100 Seemeilen weiter südlich. Zur Belohnung erwischen sie den Nordwind früher. Drei Tage um die 30 Knoten. Die beiden leiden. Inklusive Kotzen. Unter Motor bei diesen Bedingungen Diesel verbraten, ist uns zu anstrengend. Das Schiff schaukelt extrem. Ohne Segel erst recht. Trotzdem sind wir beide nicht Seekrank. Haben wir noch nie erlebt. Mussten auch noch nie Medikamente einnehmen! Der Hunger wäre da, aber alles ist zu anstrengend. So stopfen wir halt je eine Schachtel Kekse liegend in uns hinein. Ich bekomme starke Kopfschmerzen. Das wohl weil mein untrainierter Nacken sich durch das Rollen komplett versteift hat. Ich bin kaputt. Geschlissen. Thomas übernimmt alles. Sogar die Fütterung des Monsters. Ich schäme mich.

Unter Segel ist alles wieder angenehmer. Doch im folgendem Wetterbericht poppt da ein Tief direkt vor uns auf. Ein kleiner Keil mit Lila Auge. Lila – eine Farbe auf der Wetterkarte, die kein Segler mag. Ausweichen geht nicht mehr. Jetzt aber Schotten dicht! Schwimmwesten mit Sicherheitsleinen anlegen. Reff ins Gross binden, Klüver weg. Sturmfock steht schon. Innen nochmals kontrollieren, ob alles gesichert ist. Seeventile zu, Lüfter schliessen! Es ist kalt. 10 Grad. Das Wasser etwa gleich. Über Bord gehen ist verboten! So unser Motto. Die Windsteueranlage arbeitet grossartig. Es ist so dunkel wie in einem Kuhmagen. Der Regen, der so dringend an Land erwartet wird, prasselt wie ein Wasserfall in die See. In der Robusta ist es laut wie wenn jemand eine Toilette spült. Thomas hat es sich mit seiner Matratze so halbwegs am Boden bequem gemacht. Mich hats gerade aus der Koje quer durchs Schiff geschmissen. Paar Beulen – sonst nichts. Hat die Kopfscherzen jedoch nicht gerade gelindert. Ich muss aufs Klo. Akrobatik pur ist angesagt. Mit einer Hand sich von der Wand wegstemmend die Hosen runter kurbeln – auf den Thron klettern – später wieder Hosen rauf und am besten vorher noch die nun gefährlich schwappende gelbe Suppe abpumpen. Es wird zu heftig. Beidrehen. Das Manöver gelingt nicht auf Anhieb. Die anrollenden Wellen drücken den Bug wieder auf die andere Seite. Doch nun liegt die Robusta für die Verhältnisse relativ ruhig und stabil, mit etwa vier Knoten driftend in der See. Die Wanten singen und flössen mir dabei ungute Gefühle ein. Die Robusta neigt sich so weit zur Seite, dass Wasser ins Cockpit strömt. Thomas brüllt das Gross muss weg! Deckslicht an, ich leuchte Zusätzlich mit der Taschenlampe. Die Sicherheitsleine ist verheddert. Dann sehe ich Thomas nicht mehr. Habe ihn doch nur für einen kleinen Augenblick aus den Augen gelassen um einen Blick auf die Windanzeige zu werfen. Nun kommt die Filmrolle aber ins spulen. Die Mann über Bord Taste zu drücken, ist mir so spontan nicht in den Sinn gekommen. Ich war wie paralysiert. Aus den abscheulichen Gedankennebel poppe ich raus, als durch das Getose der Befehl Reffleinen dicht, schwach erkennbar durchdring. Zwei Minuten, nicht mehr, aber so viele Gedanken schossen durch meine Gehirnwindungen und lösten dabei einen Heulkrampf aus – aber erst als alles wieder unter Kontrolle war. Das ist das erste mal wo ich mich so derart mies gefühlt habe. Nicht seekrank. Oder vielleicht doch? Nach einigen Stunden, so mit nun nur noch 30 Knoten Wind, beruhige auch ich mich wieder und mache mich ans Aufräumen. Thomas hat jetzt eine Pause verdient. Im Spülbecken stapelt sich das Geschirr der letzten Tage. In der Bilge schwappt eine braune Brühe. Herkunft noch unklar. Die Farbe erinnert an nichts schönes. Im Klo herrscht Chaos pur. Die Schapps sind sozusagen leer. Der Inhalt des Mülleimers, hauptsächlich aus Klopapier bestehend, liegt vermischt mit Zahnbürsten, Shampoo, Creme, Tücher und Waschlappen und Jacken am Boden. Immerhin trocken. Oelzeug und haufenweise nasse Klamotten liegen verstreut rum. Polster sind auch Nass. In der einen Decke klebt noch ein angeknabbertes Nutellabrot. Das Leintuch weist durch den ausgeschütteten Kaffee eine neue Musterung auf.

Der nächste Wetterbericht passt echt wieder überhaupt nicht ins Konzept. Wind von Süd direkt auf die Nase! Der Beschluss fällt schnell. Crescent City liegt 60 Seemeilen querab. Die Küste ist zwar mit vorgelagerten Felsen gespickt, die Hafeneinfahrt ist jedoch gut anzulaufen. So stets jedenfalls im Führer beschrieben.

 

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September 10 2021

The American Dream

Unter Segel sausen wir ins Ankerfeld vor Port Townsend. Tom und Tatj sind da! Das muss gefeiert werden. Obwohl Covid19 nach wie vor das Weltgeschehen beherrscht, und wie auch anderswo die Grenzen zu sind, gelang es ihnen ebenfalls von Kanada in die USA einzureisen. Es mag dich lieber Leser irritieren, dass es Leute gibt, die sich nicht an Bestimmungen halten. Uns ist bewusst, es ist nicht die richtige Zeit zum Reisen. Doch die Pandemie hat uns am anderen Ende des Globus erwischt. Zehntausende Seemeilen von zu Hause entfernt. Ein Traum, mit jahrelanger intensiver Vorbereitungszeit, die Welt mit einem kleinen Segelkahn, ohne jeglichen Luxus zu umrunden, ist zur Zeit echt erschwert. Nur wenige Regierungen haben die Aufenthaltsgenehmigungen der steckengebliebenen Segler auf Grund der Pandemie automatisch verlängert – nicht so die USA. Glaub mir, wir tun alles um die Ausbreitung des Virus zu verhindern. So bitte hab Verständnis für den Versuch Regeln zu umgehen. Für einen Neuanfang in der Heimat, Job finden, Wohnung suchen und so weiter, ist ebenfalls nicht der Ideale Zeitpunkt.

Themawechsel:

Die hübsche Kleinstadt ist von einem Fisch-Dosen-Futter-Fabrikanten-Ort zu einem beliebten Touristenziel mutiert. Flanierzone und Strassenkneipen, schöne Geschäfte, Museen und die viele gut erhaltene alte Viktorianische Häuser. Wir stromern Stunden rum und sammeln dabei Beeren und mehr. In einigen Gärten oder an Obstbäumen sind Schilder angebracht, die einladen sich zu bedienen. Fast in jeder Strasse steht ein hübsch gestalteter kleiner Kasten in dem Anwohner bereits gelesene Bücher für die Nachbarn zur Verfügung stellen.

Jenifer und John wohnen hier. Wir kennen sie vom Segeln in Alaska. Doch sie kommen erst ende Monat nach Hause. Sie verraten uns jedoch wie wir in ihr Haus kommen. Das Auto stehe auch zur Verfügung. Legt euch einfach in unser Bett und fühlt euch wohl. Unglaublich lieb und unkompliziert! Wir waschen dort unsere Wäsche und weichen uns in der Badewanne ein. Wohnen aber weiterhin auf der Robusta. Wollen sie nicht unbeaufsichtigt am Ankerplatz lassen.  Revanchieren können wir uns nicht. Es sei alles organisiert. Thomas kehrt das Laub im Garten zusammen. 

Ein Ausflug in die Grossstadt Seattle steht als nächstes auf dem Plan. Ankern geht dort nicht. Doch gegenüber von Seattle, in der Bucht von Bainbridge, ist das möglich. (Sehr eng und voller Ankerbojen. Uns ist jedenfalls eine Leine in den Propeller geraten.) Doch der Ort ist perfekt um mit der Fähre mitten ins Zentrum von Seattle zu gelangen.

Schlendern durch die Schluchten von Hochhäusern mit ihren auf Hochglanz polierten Glasfassaden. Moderne Architektur vom Feinsten. Alles extrem eindrücklich! Sowas ist für uns Schweizer ein ganz besonderes Erlebnis. Doch die Stadt ist nahezu Menschenleer. Viele Schaufenster sind mit Bretter verrammelt. Davor stehen riesige, muskulöse, breitschultrige, bewaffnete Männer in Uniform. In der Apotheke werde ich von einem Polizisten bedient. Mitten in der Stadt pennen auffallend viele verwahrloste Menschen. Etwas Schutz suchend vor Hauseingängen oder auf einer Bank. Teilweise sind ganze Strassen mit Zelten oder provisorischen Schlafstätten geziert. Traurige Menschen sitzen sprachlos mit Kartonschilder auf den Knien da und betteln um Geld oder Essbarem. Extrem fallen mir die vielen psychisch angeschlagenen Menschen auf. Entweder wird laut gestikuliert, gestritten und sie sind arg verwahrlost und offensichtlich von irgend einer oder mehreren illegalen Substanzen zugedröhnt. Ich als gestandene Sozialarbeiterin, wechsle sogar die Strassenseite oder nehme einen Umweg in Kauf.

Eine Betroffene vermittelt mir ein grobes Bild der Situation. Ich kam mit ihr in einer öffentlichen Toilette ins Gespräch wo sie sich gerade etwas frisch machte. Ihren Job hat sie noch. Doch wegen der Pandemie wurde ihr Pensum gekürzt. So konnte sie die Miete nicht mehr bezahlen und lebt nun in ihrem Auto. Ihre kleine Tochter ist bei einer Pflegefamilie untergebracht.  So vom Staat verordnet, bis sie ihre Lebenssituation verbessert hat! Durch diverse Medien war ich schon etwas vorbereitet. Doch aus nächster Nähe vor Ort das Elend und eben die frappanten sozialen Unterschiede zu sehen, ist nochmal eine andere Nummer. Ich hätte alles vor ein paar Monaten sehen sollen. Da standen Zelte und provisorische Behausungen auf jedem grünen Flecken der Stadt. 

Und wo sind diese Menschen jetzt? Wie ist alles soweit gekommen?

Sind ganz erschlagen von all den intensiven Eindrücken der Grossstadt. 

Vor etwa drei Jahrzehnten lebte ich für ein paar Jahre in Kalifornien. Meine ersten Eindrücke – so viele Jahre später, stimmen mich sehr nachdenklich. 

So viel zum American Dream! 

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August 22 2021

San Juan Islands, Washington

Müssen uns nach Monaten in der Wildnis erst wieder an die Zivilisation gewöhnen. Zur Zeit sind Schulferien und darum ist in den San Juan Inseln der Bär los.  Jeder Ankerplatz ist völlig überfüllt. In Alaska und Kanada waren sozusagen keine anderen Boote. Immer wieder mal kommt uns eine Yacht bedrohlich nahe. Wie ist denn sowas nur möglich? Irgendwann reichts. Paddeln mit paar Ruderschlägen zur nächstgelegenen Yacht um das Problem zu lösen. Bei einer Wassertiefe von 6 Meter haben sie 100 Meter Leine ausgelegt.  Ach so, die Robusta hängt nur an 20 Meter Kette. Sorry, wir sind zwei panische Ingenieure. Offensichtlich können die beiden nicht so gut rechnen. Liegen mehrere Boote in einer engen Bucht, wäre die Norm, drei bis fünffache Kettelänge im Verhältnis zur Wassertiefe zu stecken. Mit anständigem Ankergeschirr versteht sich und auf die Wetterlage abgestimmt. Es ist windstill. In stürmischen Verhältnissen gilt je mehr Kette desto besserer Halt. Eine Schnur zur Sicherung einer nicht gerade kleinen Yacht und deren Crew?

Funkkanal 16 läuft auch schon glühend heiß. Mayday, Pan Pan, Security! Motorschaden – auf Grund gelaufen – Kelp im Propeller – Wassereinbruch – unbemanntes Dinghi saust durch die Bay….. Horror! Zur Krönung der Szenerie: Eine Schulsegelyacht kann den Anker nicht heben. Wir versuchen zu helfen. Erfolglos. Ein Taucher muss vom Festland kommen, denn am Anker hängt ein fettes Kabel. Eine Trippleine wäre hilfreich gewesen. Hoffe es handelt sich dabei nicht um die Telefonleitung der Inselgruppe. Das wäre immerhin die Erklärung warum unser Telefon schon wieder nicht funktioniert.

Da liegen nun so viele Sportboote, doch niemand besucht sich gegenseitig. Sind etwas enttäuscht. Vor allem nach fast vier Wochen langer Quarantäne während der Passage durch Kanada, hätten Kontakte zu anderen Menschen uns gut getan. Selbst nach mehreren Anläufen ist daraus nie etwas entstanden. In der Langfahrtenszene sind wir ganz anderes gewohnt. Die Yachties sind stets offen für gegenseitige Besuche. Dabei ist es üblich seine Getränke selber mitzubringen und eventuell noch einen kleinen Snack dazu. Weiss nicht woran es liegt. In Alaska haben wir die Amis immer sehr kontaktfreudig und spontan erlebt. Ist Covid19 der Grund für die Kursänderung?

Auf Steward Island treffen wir endlich mal die beiden Schweizer Segler Hansueli und Helene. Wir sind bereits seit vielen Jahren immer mal wieder per email im Kontakt. Jetzt treffen wir uns das erste Mal persönlich. So verbringen wir einige nette Tage gemeinsam mit Wandern, Beeren sammeln und was Schweizer nebst Fondue essen sehr gerne tun – mit Jassen. Dabei handelt es sich um ein traditionelles Kartenspiel, welches zu viert gespielt wird.

In Friday Harbor müssen wir dringend wieder mal einkaufen. Doch erst will ich Custom und Border Protection unsere Position melden. Ausländische Yachten sind in den USA verpflichtet, sich in jedem Port of Entry zu melden. Eigentlich gibt es dazu eine App. Doch selbst der IT Spezialist Thomas bekommt eine Krise. So melde ich mich per Funk. Schnell stelle ich fest, die Person am anderen Ende ist eindeutig mit dem falschen Bein aufgestanden. Wagt es bloss nicht über die Grenze zu kommen! Nach intensiver Erklärung ist alles in Ordnung. Wow, Friday Harbor ist eindeutig nicht der Ort um während der Pandemie die geschlossene Grenze zu passieren! Die Gerüchte bestätigen sich. Sind froh, haben wir den Umweg nach Port Angeles auf uns  genommen um dort einzuklarieren!!! Da die Marina unerhört teuer ist, schmeissen wir den Anker und schippern wie immer mit dem Dinghi an Land. Alles ist super herausgeputzt. Die Geschäfte sind mit Kram vollgestopft, den niemand wirklich braucht. Das Wandergebiet ist auch arg geschrumpft. Das kann ich beurteilen, weil wir einen zehn Jahre alten Reiseführer besitzen. Die Inseln werden offensichtlich mehr und mehr mit tollen Villen oder Hotels für die obere Klasse zugebaut.  Schade für die schöne Landschaft. 

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August 12 2021

USA noch immer zu – was nun?

Von der Hitzewelle ist noch immer nichts zu spüren. Im Gegenteil. Die Sommerklamotten lagern noch immer ganz tief unten in den Schapps und das im August! Bei dichtem Nebel entstand ein sorgfältig ausgearbeiteter Schlachtplan mit den anderen beiden Yachten, die auch über die Grenze müssen. Nach Prüfung aller Infos aus den verschiedensten Quellen, fällt die Wahl für den Versuch in die USA einzureisen, auf Port Angeles. Denn Friday Harbor muss mit Beamten der härteren Sorte bestückt sein. Bekannte sind im letzten Herbst beim Versuch dort einzuklarieren, im Knast gelandet (die beiden sehen nun wirklich nicht kriminell aus). Nach allem Stress endete ihre Story doch noch positiv. Eine andere Yachties mussten 5000 Dollar blechen und ihr B1B2 Visa wurde annulliert. Robusta wird als Versuchskaninchen vorgehen. Dieser Entscheid fiel nicht bei einem Trinkspiel, sondern wir müssen als erstes raus aus Kanada. Die anderen Kollegen werden je nach dem folgen, oder ihr Glück an einem anderen Port of Entry versuchen. Im Noonsite steht geschrieben (Infoseite für Weltumsegler), falls die Einreise nicht klappt, lohnt sich ein Versuch am nächsten Port of Entry. 

Wie durch ein Wunder, funktioniert plötzlich unser Telefon wieder. Perfekt, denn die Einreise auf dem Seeweg soll 96  Stunden zuvor bei CBP (Custom and Border Protection) per Formular angekündigt sein.  Die letzte Nacht in Kanada verbringen wir in Becher Bay, in der Nähe von Victoria. Beide tun wir kein Auge zu. Einerseits  wegen vieler Gedanken die im Kopf rumschwirren falls  es nicht klappt und auch weil wir traurig sind. Ich denke nicht, dass wir jemals wieder die Gelegenheit bekommen an die Westküste von Kanada zurück zu segeln. Dieses Kapitel ist ein für alle Mal abgeschlossen.

Sobald der Anker gelichtet ist, rufe ich mit dem frisch erwachten Handy CBP in Port Angeles an. Was wenn zur Antwort kommt, ihr könnt nicht einreisen? Das würde bedeuten 1300 Seemeilen direkt nach Mexiko zu segeln. Das ohne vorher einkaufen zu dürfen…. Bei dieser Vorstellung verkrampft sich mein Magen. Drei mal hänge ich das Telefon wieder auf bevor eine Verbindung zustande kommt. Nochmals bespreche ich mit Thomas, was ich sagen soll und wie allenfalls zu reagieren. Die Stimme am anderen Ende der Leitung tönt einigermassen freundlich. Bekomme die Anweisung, in der Marina bei der Tankstelle anzulegen. Schiffsdaten und unsere Namen angeben. Das wars. Die gelbe Quarantäne Flagge flattert ja nun schon fast einen Monat am Mast. Der Wind ist perfekt. Über der Strait of San Juan de Fuca liegt Nebel. Das Verkehrstrennungsgebiet ist zu kreuzen. Ein Kapitän bittet über Funk hinter ihm zu passieren, da sein  Gefährt schlecht manövrierbar sei. Wau der Pott der jetzt aus dem Nebel auftaucht, ist echt riesig. Krass. Zwei mal wenden und die Robusta segelt mit gebührendem Abstand an seinem Heck vorbei.  Evergreen? Dieser Pott steckte doch im Winter im Suez Kanal fest und blockierte somit für mehrere Tage den ganzen Schiffverkehr?! Diesem Kapitän wäre ich auch freiwillig ausgewichen…. schade habe ich es nicht vorher realisiert. Hätte mindestens einen Spruch sausen lassen müssen.

Zwei Beamten schreiten die Rampe herunter auf die Robusta zu. Wir, brav mit Covid Schnauzie und Schweizer Bernhardiner Blick, für das Urteil bereit.

Zur Begrüssung schiebe ich folgenden Satz vor: Uns ist bewusst, wir sind zur falschen Zeit am falschen Ort. 

Fünf Minuten später sind wir wieder weg. Nun mit Kurs auf die San Juan Inseln. Und stellt euch vor, das mit einer neuen Crewsing Licence und einer Aufenthaltsgenehmigung von weiteren sechs Monaten. Unendlich erleichtert, freuen wir uns schon tierisch auf den Landgang. Weiss gar nicht ob wir noch laufen können. Motoren und Quarantäne ist schon etwas sehr unsportlich. Die beiden anderen Yachten haben ein paar Tage später die Prozedur ebenfalls überlebt. Warum es geklappt hat, wissen wir alle nicht so recht. Doch der Fakt, dass alle drei Yachten auf Weltumseglung sind und weiter nach Mexiko ziehen werden, mag ein Grund dafür gewesen sein. Offiziell ist die Grenze jedenfalls noch immer zu. Das nun schon seit März 2020.

 

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