August 22 2021

San Juan Islands, Washington

Müssen uns nach Monaten in der Wildnis erst wieder an die Zivilisation gewöhnen. Zur Zeit sind Schulferien und darum ist in den San Juan Inseln der Bär los.  Jeder Ankerplatz ist völlig überfüllt. In Alaska und Kanada waren sozusagen keine anderen Boote. Immer wieder mal kommt uns eine Yacht bedrohlich nahe. Wie ist denn sowas nur möglich? Irgendwann reichts. Paddeln mit paar Ruderschlägen zur nächstgelegenen Yacht um das Problem zu lösen. Bei einer Wassertiefe von 6 Meter haben sie 100 Meter Leine ausgelegt.  Ach so, die Robusta hängt nur an 20 Meter Kette. Sorry, wir sind zwei panische Ingenieure. Offensichtlich können die beiden nicht so gut rechnen. Liegen mehrere Boote in einer engen Bucht, wäre die Norm, drei bis fünffache Kettelänge im Verhältnis zur Wassertiefe zu stecken. Mit anständigem Ankergeschirr versteht sich und auf die Wetterlage abgestimmt. Es ist windstill. In stürmischen Verhältnissen gilt je mehr Kette desto besserer Halt. Eine Schnur zur Sicherung einer nicht gerade kleinen Yacht und deren Crew?

Funkkanal 16 läuft auch schon glühend heiß. Mayday, Pan Pan, Security! Motorschaden – auf Grund gelaufen – Kelp im Propeller – Wassereinbruch – unbemanntes Dinghi saust durch die Bay….. Horror! Zur Krönung der Szenerie: Eine Schulsegelyacht kann den Anker nicht heben. Wir versuchen zu helfen. Erfolglos. Ein Taucher muss vom Festland kommen, denn am Anker hängt ein fettes Kabel. Eine Trippleine wäre hilfreich gewesen. Hoffe es handelt sich dabei nicht um die Telefonleitung der Inselgruppe. Das wäre immerhin die Erklärung warum unser Telefon schon wieder nicht funktioniert.

Da liegen nun so viele Sportboote, doch niemand besucht sich gegenseitig. Sind etwas enttäuscht. Vor allem nach fast vier Wochen langer Quarantäne während der Passage durch Kanada, hätten Kontakte zu anderen Menschen uns gut getan. Selbst nach mehreren Anläufen ist daraus nie etwas entstanden. In der Langfahrtenszene sind wir ganz anderes gewohnt. Die Yachties sind stets offen für gegenseitige Besuche. Dabei ist es üblich seine Getränke selber mitzubringen und eventuell noch einen kleinen Snack dazu. Weiss nicht woran es liegt. In Alaska haben wir die Amis immer sehr kontaktfreudig und spontan erlebt. Ist Covid19 der Grund für die Kursänderung?

Auf Steward Island treffen wir endlich mal die beiden Schweizer Segler Hansueli und Helene. Wir sind bereits seit vielen Jahren immer mal wieder per email im Kontakt. Jetzt treffen wir uns das erste Mal persönlich. So verbringen wir einige nette Tage gemeinsam mit Wandern, Beeren sammeln und was Schweizer nebst Fondue essen sehr gerne tun – mit Jassen. Dabei handelt es sich um ein traditionelles Kartenspiel, welches zu viert gespielt wird.

In Friday Harbor müssen wir dringend wieder mal einkaufen. Doch erst will ich Custom und Border Protection unsere Position melden. Ausländische Yachten sind in den USA verpflichtet, sich in jedem Port of Entry zu melden. Eigentlich gibt es dazu eine App. Doch selbst der IT Spezialist Thomas bekommt eine Krise. So melde ich mich per Funk. Schnell stelle ich fest, die Person am anderen Ende ist eindeutig mit dem falschen Bein aufgestanden. Wagt es bloss nicht über die Grenze zu kommen! Nach intensiver Erklärung ist alles in Ordnung. Wow, Friday Harbor ist eindeutig nicht der Ort um während der Pandemie die geschlossene Grenze zu passieren! Die Gerüchte bestätigen sich. Sind froh, haben wir den Umweg nach Port Angeles auf uns  genommen um dort einzuklarieren!!! Da die Marina unerhört teuer ist, schmeissen wir den Anker und schippern wie immer mit dem Dinghi an Land. Alles ist super herausgeputzt. Die Geschäfte sind mit Kram vollgestopft, den niemand wirklich braucht. Das Wandergebiet ist auch arg geschrumpft. Das kann ich beurteilen, weil wir einen zehn Jahre alten Reiseführer besitzen. Die Inseln werden offensichtlich mehr und mehr mit tollen Villen oder Hotels für die obere Klasse zugebaut.  Schade für die schöne Landschaft. 

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August 12 2021

USA noch immer zu – was nun?

Von der Hitzewelle ist noch immer nichts zu spüren. Im Gegenteil. Die Sommerklamotten lagern noch immer ganz tief unten in den Schapps und das im August! Bei dichtem Nebel entstand ein sorgfältig ausgearbeiteter Schlachtplan mit den anderen beiden Yachten, die auch über die Grenze müssen. Nach Prüfung aller Infos aus den verschiedensten Quellen, fällt die Wahl für den Versuch in die USA einzureisen, auf Port Angeles. Denn Friday Harbor muss mit Beamten der härteren Sorte bestückt sein. Bekannte sind im letzten Herbst beim Versuch dort einzuklarieren, im Knast gelandet (die beiden sehen nun wirklich nicht kriminell aus). Nach allem Stress endete ihre Story doch noch positiv. Eine andere Yachties mussten 5000 Dollar blechen und ihr B1B2 Visa wurde annulliert. Robusta wird als Versuchskaninchen vorgehen. Dieser Entscheid fiel nicht bei einem Trinkspiel, sondern wir müssen als erstes raus aus Kanada. Die anderen Kollegen werden je nach dem folgen, oder ihr Glück an einem anderen Port of Entry versuchen. Im Noonsite steht geschrieben (Infoseite für Weltumsegler), falls die Einreise nicht klappt, lohnt sich ein Versuch am nächsten Port of Entry. 

Wie durch ein Wunder, funktioniert plötzlich unser Telefon wieder. Perfekt, denn die Einreise auf dem Seeweg soll 96  Stunden zuvor bei CBP (Custom and Border Protection) per Formular angekündigt sein.  Die letzte Nacht in Kanada verbringen wir in Becher Bay, in der Nähe von Victoria. Beide tun wir kein Auge zu. Einerseits  wegen vieler Gedanken die im Kopf rumschwirren falls  es nicht klappt und auch weil wir traurig sind. Ich denke nicht, dass wir jemals wieder die Gelegenheit bekommen an die Westküste von Kanada zurück zu segeln. Dieses Kapitel ist ein für alle Mal abgeschlossen.

Sobald der Anker gelichtet ist, rufe ich mit dem frisch erwachten Handy CBP in Port Angeles an. Was wenn zur Antwort kommt, ihr könnt nicht einreisen? Das würde bedeuten 1300 Seemeilen direkt nach Mexiko zu segeln. Das ohne vorher einkaufen zu dürfen…. Bei dieser Vorstellung verkrampft sich mein Magen. Drei mal hänge ich das Telefon wieder auf bevor eine Verbindung zustande kommt. Nochmals bespreche ich mit Thomas, was ich sagen soll und wie allenfalls zu reagieren. Die Stimme am anderen Ende der Leitung tönt einigermassen freundlich. Bekomme die Anweisung, in der Marina bei der Tankstelle anzulegen. Schiffsdaten und unsere Namen angeben. Das wars. Die gelbe Quarantäne Flagge flattert ja nun schon fast einen Monat am Mast. Der Wind ist perfekt. Über der Strait of San Juan de Fuca liegt Nebel. Das Verkehrstrennungsgebiet ist zu kreuzen. Ein Kapitän bittet über Funk hinter ihm zu passieren, da sein  Gefährt schlecht manövrierbar sei. Wau der Pott der jetzt aus dem Nebel auftaucht, ist echt riesig. Krass. Zwei mal wenden und die Robusta segelt mit gebührendem Abstand an seinem Heck vorbei.  Evergreen? Dieser Pott steckte doch im Winter im Suez Kanal fest und blockierte somit für mehrere Tage den ganzen Schiffverkehr?! Diesem Kapitän wäre ich auch freiwillig ausgewichen…. schade habe ich es nicht vorher realisiert. Hätte mindestens einen Spruch sausen lassen müssen.

Zwei Beamten schreiten die Rampe herunter auf die Robusta zu. Wir, brav mit Covid Schnauzie und Schweizer Bernhardiner Blick, für das Urteil bereit.

Zur Begrüssung schiebe ich folgenden Satz vor: Uns ist bewusst, wir sind zur falschen Zeit am falschen Ort. 

Fünf Minuten später sind wir wieder weg. Nun mit Kurs auf die San Juan Inseln. Und stellt euch vor, das mit einer neuen Crewsing Licence und einer Aufenthaltsgenehmigung von weiteren sechs Monaten. Unendlich erleichtert, freuen wir uns schon tierisch auf den Landgang. Weiss gar nicht ob wir noch laufen können. Motoren und Quarantäne ist schon etwas sehr unsportlich. Die beiden anderen Yachten haben ein paar Tage später die Prozedur ebenfalls überlebt. Warum es geklappt hat, wissen wir alle nicht so recht. Doch der Fakt, dass alle drei Yachten auf Weltumseglung sind und weiter nach Mexiko ziehen werden, mag ein Grund dafür gewesen sein. Offiziell ist die Grenze jedenfalls noch immer zu. Das nun schon seit März 2020.

 

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August 2 2021

Transit durch Kanada

Auf der Seekarte sieht alles extrem spannend aus. Hunderte Inseln und Kanäle kreieren zusammen mit den mehr oder weniger fetten braunen Strömungspfeilen, welche in unterschiedlichste Richtungen zeigen, ein echtes Kunstwerk. Doch momentan ist die Landschaft nur mit viel Fantasie durch fette Nebelschwaden zu erahnen. Von der extremen Hitzewelle in Kanada spüren wir  rein gar nichts. Jetzt regnet es auch noch. Egal. Spielt ja unter Quarantäne keine Rolle. Dürfen eh nicht vom Boot oder auch keinen Besuch empfangen. Quarantäne ist wie eine lange Ozeanpassage, nur noch etwas spannender und anspruchsvoller. Jede einzelne Seemeile muss sorgfältig geplant werden. Segeln in Kanälen bedeutet Gezeitenströmungen nutzen und viele Male wenden und halsen – das alles in bezaubernd wilder Natur. 

Am ersten Ankerplatz poltert es energisch am Boot. Was ist denn jetzt los? Küstenwache? Schon jetzt? Haben doch noch gar nichts verbrochen! Sind wir nun unter voller Kontrolle? Ich werde paranoid. Erschreckt hechten wir in einem Satz aus den Kojen ins Cockpit. Das kann doch jetzt wirklich fast nicht möglich sein! Dazu muss ich erstmal ein wenig ausholen. Vor einigen Monaten, berichtete eine Kollegin aus Deutschland, sie kenne Segler die zur Zeit in Kanada sind. Ist mir exakt vor wenigen Minuten in den Sinn gekommen und so schrieb ich ihnen eine Mail. Nun dürfte es nicht mehr schwer  zu erraten sein, wer da grinsend aus einem Dinghi glotzt. Was für ein Zufall! Kanada ist ja wirklich nicht klein. Die beiden wollen, oder präziser ausgedrückt, müssen in wenigen Wochen aus Kanada ausreisen und sind somit ebenfalls in Richtung Süden unterwegs. Was für ein Mist. Ihre Situation ist ähnlich. Ich platze fast vor Aufregung. Bin total neugierig was für einen Covid19 – Schlachtplan sie ausgearbeitet haben. Später lernen wir noch Segler aus Holland kennen. Die müssen auch bald aus Kanada raus. Ich liebe auf einmal den Nebel. Wir fühlen uns wie kleine Kinder, die heimlich unter der Bettdecke Schoggi verschlingen.

Für den Transit durch Kanada hat Thomas in Alaska eine neue Prepaid SIM Karte gekauft. Diesmal  von AT&T. Geht auch für Kanada und Mexiko. Doch das blöde Teil funktionierte nach einem Tag bereits nicht mehr. Auf einer langen Passage über den Ozean ist klar, da ist kein Empfang. In der Wildnis geht logischerweise auch kein Handy. Aber selbst in Shearewater ging nix. Ankern gleich hinter dem riesigen Trümmerhaufen aus Stahl, Beton und Armierungseisen, in denen sich Baumstämme verfangen haben. Der ganze Schrotthaufen ist nicht in der Seekarte vermerkt! Ganz schwach bekommt Thomas eine Verbindung zu einem offenem Wifi. So wende ich mich per Chat an AT&T. Stunden später kam zur Antwort, bitte der Hotline anrufen. Wie denn wenn das Telefon nicht geht?

In ein paar Tagen könnte sich  an der Grenze etwas ändern. Wie kommen wir an diese Infos? Das ist nun wirklich doof. Vor allem müssten wir uns täglich melden. Die elektronische Krankenschwester, oder die Schwester unter Strom oder wie auch immer, vom Arrive Canada App, erwartet täglich Auskunft, ob Covid19 schon ausgebrochen ist. Hoffentlich verpetzt die Stromschrulle uns nicht, wenn keine Antwort kommt. Jetzt wäre ich zum ersten Mal gerne stolze Besitzerin eines Satellitentelefon.

Am Tag 6 kam die Aufforderung  für einen Covid19 Test. Tag 7, erste Mahnung, Tag 8 zweite Mahnung, Tag 9 Bussandrohung in schwindelerregender Höhe von bis einer Million Kanadischen Dollar. Doch diese Nachrichten konnten wir erst Wochen später abrufen, nämlich als das Telefon plötzlich wieder funktionierte. Alles ohne böse Folgen. Für den Transit wird weder Test noch Impfung verlangt. 

Dringt die Sonne durch den Nebel, erscheint die Landschaft in einem ganz besonderen Licht. Rosa, Orange, Blau, ja das ganze Spektrum ist vertreten. Es ist ein Jammer so schnell vorbeiziehen zu müssen. Ich liebe den Nebel.

Von wegen die Hoffnung stirbt zuletzt; Zum Erstaunen vieler, bleibt die US-amerikanische Grenze zu. Kanada öffnet hingegen nur für voll geimpfte US-Bürger. Für uns, wo wir nun schon über drei Wochen unter Quarantäne sind, ändert sich nichts. Denken wir an unsere Familien und Freunde zu Hause, fühlen wir uns hingegen echt gut. Covid19 ist bei Telefongesprächen zum absoluten Reizwort mutiert. Mit den einen diskutiere ich schon gar nicht mehr darüber. Das Thema ist zu explosiv und manche Haltungen kann ich nicht nachvollziehen. Ich bin auch nicht zu Hause im Alltag.

Auf halbem Weg der Passage, baut sich  das perfekte Wetterfenster auf. Statt unter Motor durch die Kanäle zu tuckern, segeln wir an Vancouver Island auf dem Pazifik aussen rum. Nicht zu wissen, was an der geschlossenen US-Grenze geschehen wird, belastet unser Gemüt. 

 

 

 

 

 

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