La Paz
Die Vorfreude ist gross. Nach über drei Monaten in der Natur, oder allenfalls in der Nähe von kleinen Siedlungen, ist die Stadt La Paz in Sicht. Endlich! Seit der Rundung der Südspitze von Baja California, war Wind und Strömung nur noch gegen uns. An Segeln war gar nicht zu denken. So wurden wieder einmal, gegen all unsere Prinzipien, völlig unsportlich, etliche Liter Diesel verbraten. Die unkontrollierte Schaukelei nervt. In jede Bucht läuft der Schwell ungebremst rein. Einzig in der Ensenada de Muertos schliefen wir wieder mal – wie es der Name verspricht – wie die Toten.
Für die letzten zehn Seemeilen bläst der Wind mit über 25 Knoten aus der gewünschten Richtung! So sind die negativen Gedanken im Nu im Winde verweht.
La Paz liegt an einer Lagune. Der Kanal und die Untiefen sind mit riesigen Tonnen markiert. Doch was soll denn sowas?
Die Story dazu sieht so aus: beim vorletzten Sturm ging eine dieser Tonnen auf Wanderschaft. Um eine Kollision mit den ankernden Yachten zu verhindern, schleppte ein Segler diese mit seinem Dinghi zum nächst gelegenen Seezeichen und band es dort fest. Den Vorfall meldete er der Hafenbehörde. Monate später sieht alles noch genau gleich aus.
In der Lagune liegen an die hundert Yachten vor Anker. Dieses Jahr sind es besonders viele. Da die meisten Länder, im Gegensatz zu Mexiko ihre Grenzen nach wie vor geschlossen halten, kommt kein Segler mehr weiter. So entstand ein sogenannter Covid19 Stau. Ansonsten brach der Tourismus in Mexiko um 40% ein.
Die einen scheinen unbewohnt. Abgesehen von Seevögel und Ungeziefer war da schon sehr lange keiner mehr an Bord. Traurig zu sehen, wie diese Geisterschiffe vor sich hergammeln. Was ist aus ihren Besitzern geworden? La Paz hat den Ruf, dort segeln die Amis hin, um zu sterben.
Da die Strömung in in der Lagune je nach Mondstand sehr stark sein kann, und der Wind gerade flott bläst, Ankern wir die Robusta sehr nahe bei der Einfahrt der Marina La Paz. Dort befindet sich auch der Dinghi Steg. Der Boss der Marina, die Hafenbehörde und abschliessend auch noch die Armee rufen an, weil ihnen nicht passt, wo die Robusta liegt. Doch all diese Funksprüche hören wir nicht. Haben uns nach der Ankunft direkt mit dem Dinghi-zu-Wasser-lassen beschäftigt. Wollten möglichst noch bevor die Strömung wieder einsetzt, an Land rudern. Dennoch war der Trip in die Marina voll anstrengend. Total verschwitzt und durch die aufgewühlte See auch noch nass, versuchen wir nun an den Steg zu gelangen. Erste Konfrontation mit dem Covid19 Stau! Zu viele Dinghies. Würden alle ihre Gefährte an einer langen Leine festbinden, wäre alles kein Problem.
Von allem zu viel!
Entsprechend motiviert sind die Mitarbeitenden im Office. Die eine Señorita hält sich sichtlich angestrengt hinter dem Computer versteckt. Nach einer gefühlten Ewigkeit erhebt sie sich doch noch. Frage in spanisch, ob wir das Dinghi hier parken dürfen. Die Antwort kommt in Englisch: Ja das geht. Kostet zwei Dollar pro Tag. Ich dachte wir sind im Peso-Land! Mit Würgen finden wir heraus, dass es auch möglich ist, monatlich zu bezahlen. 30 Dollar pro Monat. Dinghi Park Gebühr ist was ganz neues für uns. Wohl etwas zu offen, zeige ich mein Entsetzen. Alles sei dafür mit einer Kamera bewacht. Und wer erkennt dann die Person die gerade mit dem Dinghi davonbraust?? Dass ausgerechnet ich, Wochen später, mit Hilfe der Kamera den Dieb erkenne, der mit einer Ladung frisch gewaschener Wäsche und zwei Einkaufstüten voller Lebensmittel entwischt ist, war echt verblüffend. Die Klamotten kamen zurück, doch der Food war aufgefressen.
Zwei Dinge stehen als höchste Priorität auf der Tu-was-Liste. Den geklauten Motor für das Dinghi ersetzen und einen Zahnarzt finden. Letzteres gerät ganz unbewusst für mehrere Wochen wieder in Vergessenheit.
So besuchen wir den Club Cruzeros. Seglerclubs sind gute Orte um an Infos zu kommen und die lokalen Segler kennen zu lernen. Etwa zehn sehr alte Kreaturen sitzen an verschiedenen Tischen. Erster Gedanke der mir durch den Kopf schiesst: Thomas wir sind hier falsch. Das ist das Altersheim! Doch wir sind am richtigen Ort. Niemand erwidert unsere Begrüssung, oder redet mit uns. Schweigend starren wir nun, einen bitteren Cafe Americano schlürfend, aufs Anschlagbrett. Dort wird auf das morgendliche Funknetz verwiesen. Aktivitäten im Club scheint es keine zu geben. Covid19 sei Dank. So dackeln wir enttäuscht ab und erkunden die Stadt.