December 27 2016

Puerto Montt nach Valdivia

Genau jetzt, am 26. Dezember 09.06 Uhr Local Time, übersegeln wir den 40 Breitengrad Süd! So sind wir raus aus den “brüllenden Vierzigern”. Ausser kleiner Schäden alles bestens überlebt! Glück gehabt.
Ciao Patagonien, bis vielleicht gerne ein andermal! Im Club Nautico verabschiedeten wir uns und setzten morgens um sechs Uhr Segel und ziehen zum berüchtigtern Canal Chacao.
Die Weihnachtsfeier durften wir mit Franco, Kate, Marianne und Jean Loup auf der Kalibu mit Birgit und Thomas mit ihren beiden Kindern feiern. Jeder fasste Tage zuvor einen Auftrag etwas zu kochen. So entstand ein buntes,  super leckeres,  internationales Weihnachtsmahl. Ja und auch Thomi und ich waren vollgefressen. (Wir beiden sind die unangenehmen Gäste, die meist mehr essen als der Durchschnittsbürger.)
Auch heisst es in dem Moment Abschied nehmen von Jean Loup und Marianne. Sie segeln nach Valparaiso. Kate und Franco und die Kalibu Crew werden wir in Valdivia übermorgen wieder treffen.
Leider muss ich auch Abschied von Happy und Cabezon nehmen, mit denen ich mich eigentlich zu sehr angefreundet habe. Die Story über die beiden folgt in einem späteren Blog, aber erst will ich das aktuelle Ereignis schildern.
Ab 11 Uhr kann es losgehen. Dann kippt der Strom und das Wasser läuft durch den Canal Chacao zwischen der Insel Chiloe und dem Festland in den stillen grossen Ozean hinaus. Dies mit 5 bis 8 Knoten Strom. Gespannt laufen wir unter Motor auf den Kanal zu. Der von Rasmus versprochene Südwind hat noch nicht eingesetzt. Das ist auch gut so, denn mit Wind gegen Strom geht da draussen die Post ab. Der Schwell vom Pazifik drückt in den Canal Chacao während der Ebbstrom sich durch die Enge zwängt. Da entstehen gewaltige Seen.
Während ich am Kartentisch auf dem Plotter nochmals die Strecke überblicke, blärrt aus dem Funkgerät eine Securitemeldung. Tsunamiwarnung! 70 Seemeilen nord-westlich von Melinka gab es ein Erdbeben mit der Magnitude von 7.7. Auch auf dem Handy überdeckt prominent eine Meldung den ganzen Bildschirm: Warnung vom Präsidenten: Tsunami. Nun ist uns klar, was wir gerade gespürt haben. Ein deutlicher Rums war durchs ganze Schiff vernehmbar.
Alle Schiffe werden von der Armada gebeten die Küste zu verlassen und sich in Wassertiefen über 50 Meter in Sicherheit zu begeben. Im Kanal dreht ein fetter Tanker um und kommt auf uns zu. Also tun wir unmittelbar das selbe. Zum Glück waren wir noch nicht in der Strömung. Gegen 5 Knoten und mehr, hätten wir keine Chance mehr gehabt zurück gegenan zu motoren. Nun sind acht Schiffe im Golfo de Ancud mit einem guten Abstand von der Küste in über 50 Meter tiefem Wasser versammelt,  mit gebührendem Abstand zueinander am gebannt warten was nun geschieht. Vom Land sind die Tsunamisirenen zu hören. Ertönen diese, muss die Bevölkerung alles stehen und liegen lassen und sich in sogenannte tsunamisichere Zonen begeben. Chile hat ein echt ausgeklügeltes Tsunami Sicherheitskonzept nachdem 1960 beim letzten grossen Erdbeben so viele Menschen durch den Tsunami umgekommen sind und viele Dörfer an der Küste total verwüstet wurden. Chile liegt in einer seismisch sehr aktiven Zone.
Unsere Anspannung wird durch eine weitere Securité-Meldung unterbrochen. Die Zeiten werden durchgegeben,  wann die Welle wo eintreffen soll. Für den Golfo de Ancud ist sie auf 13.48 angekündigt. Also in 23 Minuten ist es soweit. Was ist dann soweit? Was ist da zu erwarten? Bilder aus den Nachrichten vom grossen Tsunami in Asien kommen in Erinnerung. Wie sollen wir uns verhalten? Ein Beben von 7.7 ist ganz schön stark! Wir schnallen uns mal die Schwimmwesten um und glotzen einander ungläubig, ja zugegeben etwas entsetzt an. Müssen wir uns jetzt auf einen Salto vorbereiten? Die Fenster werden alle mal zugeschraubt, die Steckshotts geschlossen. Mit dem Fernglas guckt Thomi,  was auf den anderen Schiffen so los ist. Ui auf den Passagierschiffen,  ist da wohl der Bär los? Panik? Und wir? Müssen wir nun zum letzen Kuss ansetzen? Uns verabschieden?
Ach was! Panik bringt nichts. Ich schreibe in aller Ruhe noch ein Weihnachts SMS, ohne was gerade los ist. In dem Moment erreicht mich eine Nachricht von Alejandro,  mit dem wir letztes Jahr in Buenos Aires Weihnachten gefeiert haben. Ich antworte ihm, dass wir gerade auf den Tsunami im Gofo de Ancud warten. Ich habe ihn wohl erschreckt. Das wollte ich nicht. Aber er hat verstanden, dass ich jetzt keine Zeit zum chatten habe.
13:45 startet Thomi den Motor und dreht die Robusta mit dem Bug in Richtung Canal de Chacao wo wir vermuten, dass die Welle herkommen wird….
Gespenstische Ruhe, keine Seevögel, keine Kormorane, nichts ausser knisternde Anspannung in der Luft. Auf Kanal 16 hören wir ein Gespräch mit, wie jemand der Armada meldet, dass draussen an der Küste mehrere Wellen hintereinander mit ungewöhnlicher Höhe an der Küste aufgetreten sind. Noch ein Funkspruch von einer schlecht englisch sprechenden Person an die Armada. Was er tun müsse, er liege mit seinem Tanker zwischen den Inseln vor Anker. Was für eine Pappnase! Was soll er wohl tun? Ein Tankerkapitän wird wohl wissen wie er sich zu verhalten hat? Oh jemineee. Was sich da alles auf dem Meer herumtreibt,  ist ja nicht zu fassen.
14:15 wird von der Armada Entwarnung gegeben. Die Fahrt in den Canal Chacao kann nun eine Stunde verspätet in Angriff genommen werden. Wieder mal ins offene Meer raus, lange Strecken einfach geradeaus segeln,  mit Nachtfahrt und tollem Sternenhimmel, das alles liegt nun schon fast ein Jahr hinter uns. Doch wir sind noch nicht draussen! Der Tanker überholt und die ganze Crew winkt mit beiden Armen von der Brücke uns zu,  wohl ebenfalls erleichtert,  dass keine Wellen kamen!
Die Robusta saust mit gegen 10 Knoten durch den Kanal auf den stillen grossen Ozean zu. Von wegen sill! Der Südwind bläst nun mit 15 Knoten. Der Schwell verwandelt die Bucht in ein Chaos aus Wellen die leider wegen einer nördlich liegenden Inseln nicht flacher geschnitten werden können. Krass hopst die schwer beladene Yacht durch die Wellen. Eine nach der anderen kracht übers Deck, Geschirr scheppert in den Schapps, ein Bild fliegt durch die Bude. Erstaunlicherweise geht es nicht in Brüche – “LOVE Anja und Thomi”.  Zwei Stunden dauert der Spass und dann endlich beruhigt sich die See und die Robusta gleitet friedlich auf langezogenen Dünungswellen gegen Norden – nach Valdivia.


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Posted December 27, 2016 by robusta in category "Chile

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