January 3 2018

Liebenswertes im Land der Kiwis

Die Norsand Werft liegt fünf Kilometer südlich von Whangarei in der Industriezone. Öffentliche Verkehrsmittel habe ich noch keine entdeckt. So versuche ich für uns zwei Fahrräder aufzutreiben. Ich klappere die Fahrradgeschäfte erfolglos nach gebrauchten Fahrräder ab. Nur neue unerschwingliche Modelle sind im Angebot. Whangarei scheint ein Paradies für Secondhandläden zu sein. Tolle Klamotten, Campingausrüstungen wie neu und so allerlei für das tägliche Leben – aber kein Fahrrad. Schon etwas verzweifelt frage ich auf der Strasse eine Frau wo ich ein gebrauchtes Fahrrad kaufen könne. Sie weiss keinen Rat. Zerrt mich jedoch in das nächste Geschäft, fragt dort nach Papier und Stift und notiert sich meine Mail. 
An die grossen Supermärkte habe ich mich noch nicht gewöhnt.  Kleine übersichtliche Lebensmittelgeschäfte gibt es in Neuseeland nicht. Ich hasse es so einzukaufen. Dann ist da der neuste Gag mit dem Selbsteintipp – Scann statt Kassenpersonal. Das ist doch nun echt der Brüller. Ich beobachte die Scene am Ausgang erstmal aus Distanz. Da drehen und wenden die Einkaufenden die Produkte umständlich um sie einzuscannen. Dauert alles eine Ewigkeit. Ich werde mich bis in alle Ewigkeit weigern, meinen Frass selber einzuscannen. Nicht weil ich zu faul dazu bin, sondern weil ich mir Gedanken über den Verlust vieler Arbeitsplätze mache. Also stelle ich mich an eine Kasse, die noch mit Personal besetzt ist. Ich vermisse die Gemüsemärkte von Fiji! Die exotischen Düfte, das Gewusel an den kleinen stets so lieblich angerichteten Ständen. 


In der Auktionshalle ersteigert Thomas drei Schleifmaschinen und andere Werkzeuge. Das funktioniert so: Samstag 11.30 Uhr geht’s los: In der Halle sind nummerierte Bananenkisten mit allerlei Inhalt aufgestellt. Natürlich auch grössere Artikel die nicht in einer Kiste Platz haben. Wer ersteigern will, muss sich registrieren und erhält ebenfalls eine Nummer. Der Auktionär nennt einen Preis, falls niemand höher geht, wird der Artikel günstiger bis sich jemand  meldet. Im Beispiel der Kiste mit den Schleifmaschinen und Werkzeugen wollte er Verkäufer 80 Dollar. Thomas hat als einziger 40 geboten. So musste der Verkäufer kontaktiert werden um über den Preis neu zu verhandeln. 50 Dollar wurden vereinbart. Dazu kommen dann noch 20 Prozent für das Auktionshaus. Ich strecke nochmals den Kopf in den nahe gelegenen Secondhand Shop.Da steht nun tatsächlich ein Fahrrad! Total verrostet, mit platten Reifen, ein Helm und eine Tüte mit Ersatzteilen gehören auch noch dazu. 20 Dollar. Ich nehme das verkrüppelte Teil mit, schiebe es zur Tankstelle, pumpe dort die Reifen die tatsächlich noch dicht sind und radle zurück in die Werft. Die Gänge sind blockiert und alles quiekt und schäppert. In der Werft bekommt “Rosti” eine 4WD-Behandlung. Nach einem halben Tag Einwirkzeit mutiert Rosti zu einem stattlich, funktionstüchtigem Fahrrad! 
Fahrradfahren in Neuseeland ist jedoch der absolute Gau! Der Linksverkehr ist total verwirrend. Hinter dem Steuer verwandelt sich der sonst so freundliche Kiwi in ein Monster. Auch als Fussgänger wirst du von den Autofahrern nicht beachtet. Mir scheint alles läuft nach dem Motto “wir in unseren grossen Karren sind die Stärksten”. Mühsam. 
Abends erhalte ich eine Mail. Der Absender ist mir unbekannt. Haidee schreibt, sie hätte mit ihrem Mann gesprochen und beschlossen, mir ein Fahrrad für die Zeit die ich in der Werft bin, auszuleihen. Ist das nicht super nett? Würdest du dein Fahrrad einer fremden Person ausleihen, die dich mitten auf der Strasse anquatscht? Das rückt den Kiwi doch sofort wieder in ein ganz anderes Licht. Die Neuseeländer sind echt Hilfsbereit. Auch Autostop klappt hier super. Ein Umweg wird nicht gescheut um dich direkt vor die Haustür zu befördern.

Und hier noch so eine Anekdote wie liebenswürdig der Kiwi ist wenn er nicht im Auto hockt: Die Bohrmaschine hat schlapp gemacht. Robustas vier Millimeter dicker Stahl hat ihr Leben ausgelöscht. So wird beschlossen, im Downtown Tools eine gebrauchte, währschafte Bohrmaschine zu kaufen. (dieser Laden ist echt empfehlenswert  für gebrauchte und neue Werkzeuge, tolles Personal).  Thomas kommt mit einem niegelnagel neuem rot leuchtendem Gerät zurück welches er im Warehouse für 40 Dollar erstanden hat. Made in China. Ich motze und wette darauf, dass das Teil eine Lebensdauer von maximal einer Stunde haben wird. Nach 54 Minuten steigt aus dem rotem Ding schwarzer Rauch. Der Laden verspricht auf seine Produkte ein Jahr Garantie. Also nichts wie hin. Doch der Kassenzettel ist nicht auffindbar. Thomas radelt so dreckig wie er ist nochmal zum Warehouse, wühlt dort im Müll um die Schachtel und den Kassenzettel wieder zu finden.
Da streckt ihm ein Kiwi, unaufgefordert drei Dollar entgegen!
 
 
 


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Posted January 3, 2018 by robusta in category "Neuseeland

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