Durchhänger in der Werft
Noch immer in der Werft?
-Ja.
So viel zu renovieren?
Die „Tu was Liste“ hat sich in den ersten Wochen täglich verlängert. Es löscht mir ab, wenn ich über das Deck der verdreckten Robusta schaue. Rostschlieren da und dort, vom weissen Deck ist fast nichts mehr zu sehen. Alles ist echt gruselig. Innen Staub und Chaos pur. Es sieht nicht aus, als hätten wir bereits sechs Monate geschuftet. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Deck nur durch reinigen jemals wieder sauber wird. Beim betrachten der komplett vernachlässigten „Tu was Liste“ wird es mir schwindelig. So viele Dinge sind angefangen. Ich bin traurig, überfordert und habe den Überblick verloren was noch zu tun ist. Thomas scheint das alles nicht zu stören. Umso mehr fühle ich mich unverstanden. Da klaffen unsere Wahrnehmungen auseinander.
Ich packe den Cumputer, richte mich im Aufenthaltsraum der Werft ein und versuche mich zu beruhigen. Ich schreibe lieber wiedermal Blog. Nohl der Bootsbauer und Murry der Boss der Marina sehen, dass ich geheult habe. Wir trinken zusammen Tee. Sie versuchen mich zu trösten indem sie mir verrückte Geschichten über Paare in der Werft erzählen. Am meisten tröstet mich, als sie mir versichern all die Arbeit lohne sich bei der originellen Robusta. Es sei eine gute für Schwerwetter taugliche, stabile Yacht!
Nun haben wir uns zusammengerappelt und die “Tu was Liste” auf den neusten Stand gebracht. 69 Dinge sind noch zu bewältigen. 69 tönt skandalös. Leider habe ich es verpasst zu zählen wie viele es insgesamt waren. Gefühlsmässig garantiert über tausend! Einen Überblick zu schaffen tat mir gut. In Zukunft werde ich mit der Liste arbeiten. Ich stelle mir vor, wenn ich eine Arbeit abhaken kann, kommt das einem Orgasmus gleich!
Beim genaueren Hinschauen, weshalb die Renovation so lange dauert, sind wir auf folgende Punkte gestossen: Eigentlich sind es nicht nur Punkte, sondern ganze Stories.
Nun ja, wenn zum Schweissen in der Bilge schon ein Teil des Innenausbaus entfernt ist, lohnt es sich was dahinter liegt zu erkunden und gegebenenfalls auch zu bearbeiten. Sehr erschwerend ist der Fakt, dass wir auf der Baustelle leben! Da ist zum Beispiel eine Kabine mit Ware bis obenhin vollgestopft und Arbeiten die im Gleichen erledigt werden könnten, sind dort nicht möglich.
Oft muss auch wegen ungünstigen Wetterbedingungen umgeplant werden. Dann geht das Durcheinander erst recht los. Angefangene Arbeiten bleiben liegen. Oder irgendwelche Malöre geschehen wie zum Beispiel mit den ausgebauten Decksluken. Die Schraublöcher hatte ich doch mit einem Mammutklebeband provisorisch abgedichtet. Der sintflutartige Regen muss es irgendwann weggeschwemmt haben. So ist Wasser in die Vorkabine hinter die frisch gestrichenen Holzwände vorgedrungen. Sämtliche Klamotten in den Schapps sind durchnässt. Paneelen wieder abschrauben, an die Sonne legen, Isolation trockenen…… das macht echt Spass! Auch wenn es oft mehrmals täglich nur kurz regnet, fehlt oft die Motivation Arbeiten draussen überhaupt zu starten. Zu zweit innen zu werken ist anstrengend da wir einander aus Platzmangel in die Quere kommen. Die Wetterfenster für Malerarbeiten müssen gut gewählt werden. Der Polyurethanfarbe muss bei diesen niedrigen Temperaturen ein Beschleuniger beigemischt werden. Drei fette Infrarot Wärmelampen helfen zusätzlich den chemischen Prozess der Trocknung anzukurbeln. Erst gegen Mittag können wir beginnen. Nach 15 Uhr ist die Luftfeuchtigkeit bereits schon wieder zu hoch. Der Anstrich verliert mit der Feuchtigkeit den Glanz. Obwohl, mattschwarze Autos sind ja jetzt hoch im Kurs!
Wir, die unseren Stahleimer selber renovieren, brauchen viel Zeit um uns über die anstehenden Arbeitsvorgänge schlau zu machen. Dank Internet geht das ja relativ flott. Die Informationsflut verunsichert auch. Vor allem Beiträge aus Foren müssen kritisch eingeschätzt werden. Im Facebook, im Forum “Sailing and crusing” finde ich oft sehr guten Rat. Da tummeln sich die Leute, die Ihre Yachten an die Grenzen puschen und Erfahrungen mit allerlei Reparaturen haben. So und nun geht es darum das entsprechende Material zu finden. Der kleine Laden in der Werft ist sehr praktisch. Doch der Verkäufer hat keine Ahnung! Frag den Maler, heisst es dann und am Ende des Monats steht eine halbe Stunde Beratung auf der Rechnung (Ist uns noch nicht passiert, doch viele Segler haben das hier so erlebt). Wenn ich ein Produkt kaufe, erwarte ich auch eine kompetente Beratung. Letzte Woche habe ich ein ganzes Holzbrett mit falscher Farbe versaut, welches ich in stundenlanger Arbeit ins Deckshaus eingepasst habe. Ich bin sauer! Ein Entgegenkommen oder eine Wiedergutmachung ist nicht auszuhandeln. So strampeln wir in Zukunft mit dem Velo viele Kilometer in Whangarei für Einkäufe und Beratung herum. Price vom Malergeschäft Fraser ist die geniale Ansprechperson geworden. Dort können wir über das Geschäftskonto eines neuen Freundes für 30 Prozent günstiger einkaufen.
Ehrlich gesagt gelingt es nicht immer die Arbeiten in einer sinnvollen Reihenfolge zu organisieren.
Missgeschicke machen an Erfahrung reicher? Oder wie ist das noch?
Relax, have a nice cool beer.
Der Winter ist nun da. Er ist jedenfalls wesentlich milder als in der Schweiz! In den Gärten blühen die schönsten Blumen. Zitronen, Limonen, Kiwis und die Pampelmusen sind reif. In der Nacht können die Temperaturen aber schon mal gegen fünf Grad fallen. Tagsüber steigt das Thermometer bei praller Sonne gegen 15 Grad. Schlafen tun wir schon fast mit der selben Ausrüstung wie in Patagonien. Fehlt nur noch die Mütze auf der Birne. In der Schlafkabine mussten wir die Bullaugen wieder gegen Kondenswasser mit einer transparenten Plastikfolie sozusagen doppelt verglasen. Hilft super! Geheizt wird nur kurz morgens mit der frisch gewarteten Webasto (Dieselheizung).
Abends treffen sich die wenigen zurückgebliebenen Segler,nicht zu verwechseln mit geistig zurückgeblieben, beim Grill zum quasseln und festen. Sie basteln ebenfalls seit Monaten oder gar Jahren an ihren Yachten. Doch oft können die Yachties nicht abschalten und reden dauernd von Reparaturen als gäbe es keine anderen Themen in der Welt!
Ich brauch mal eine Pause.
Die Sonnenwende ist immerhin überstanden. Die Tage werden wieder länger. Gefeiert wird der kürzeste Tag im Jahr mit einem Konzertbesuch im Club Maina. Die Band Mermaid Bait spielt dort. Der ganze Club ist mit Christbaumkugeln und Klimbim dekoriert. Ein „Weihnachtsmenue“ steht auf dem Speiseplan. Fast so lecker wie aus Mamas Küche. Weihnachten jetzt? Das sei ein Gebrauch den die Europäer zumindest in diese Gegend gebracht haben. Ausflüge, um mal von der Werft weg zu kommen, geniessen wir beide sehr. Das Fest war super. Doch ein dezent bitterer Nachgeschmack überschattet den tollen Abend. Zurück bei der Werft hatte Dave den Schlüssel für das Tor nicht gefunden. So lässt er ausnahmsweise das Auto über Nacht auf der Strasse stehen. Am nächsten Morgen war es aufgebrochen und ausgeraubt. Dave renoviert seine Yacht und hatte deshalb all seine Kleider und eigentlich alles was er besitzt im Auto zwischengelagert. Ich würde sagen das war wirklich grosses Pech. Wir fühlen uns sehr sicher in Neuseeland.
Die Sonne scheint heute immerhin, so tun wir was gegen die Tu was Liste! Übermorgen ist frei, der Wetterbericht meldet einen fetten Sturm mit viel Regen!