August 29 2016

Puerto Montt

Ein weiteres Etappenziel Robusta’s grosser Reise ist erreicht. Etwas wehmütig ist uns schon zu Mut. 2265 Seemeilen! Damit sich Landratten die Distanz auch vorstellen können, wären dies umgerechnet 4194 Kilometer was genau der Distanz zwischen New York am Atlantik und San Francisco am Pazifik entspricht. Hartnäckig gegen widrige Strömungs- und teilweise extrem starke Windverhältnisse mit hackiger Welle durch eindrucksvolle Kanäle, entlang an Felswänden, Wasserfällen und sogar zu gigantischen Gletscher.  Meist wehte der Wind auch noch aus der falschen Richtung und preschte direkt auf die Nase. Kälte macht uns nichts aus. Regentage mit Wolkenbilder und dampfende Wälder haben fast genau so seinen Reiz wie Sonnenschein. In Momenten in denen der  Kontakt zur Armada oder die vorgeschriebenen zwei mal täglichen Positionsmeldungen mit VHF oder mit Kurzwellenfunk nicht möglich waren, sind auch mal mulmige Gefühle hochgekommen. Was wenn die Segel reissen, der Motor streikt? Genau das betreffende Ersatzteil nicht dabei ist? Was wenn so tierische Zahnschmerzen aus dem Nichts lospochen oder sonst ein Notfall eintritt? Mich hat es einmal voll auf den Hinterkopf gehauen. Als ich über eine Landleine laufen wollte, die genau in dem Moment steif gekommen ist, wirbelte es mich durch die Luft. Wie im Trickfilm habe ich erst mal nur Sternchen gesehen….
Grössere Pannen sind glücklicherweise ausgeblieben!
Die Entscheidung den Winter auch noch in den Chilenischen Kanälen zu verbringen fiel recht schnell. Der ursprüngliche Plan war, Puerto Montt bereits im April statt erst im September zu erreichen. Doch das hätte viel Stress bedeutet und wäre von Puerto Williams natürlich nur auf direktem Weg und wohl auch zum grössten Teil nur unter Motor möglich gewesen.
Ja all diese Erinnerungen an die für uns faszinierendste, unwirtlichste Gegend der Welt, hinterlassen intensive Eindrücke die bestimmt in alle Ewigkeit nachklingen werden.


Hier in Puerto Montt wollen wir nun eine geeignete Werft finden, um Robusta wieder mal an Land zu stellen.  Einige Wartungsarbeiten stehen an. Das Unterwasserschiff reinigen, regelmässige Stahlpflege um es nicht mit Rostpflege auzudrücken,  die Segel sind auch stark beansprucht, da und dort muss eine Naht nachgenäht werden oder ein Flicken drauf genäht werden. Beim Sturmfock ist sogar das ganze Schothorn abgerissen. Dieses habe ich unterwegs  provisorisch mit Gurtband geflickt.
Wie sich bereits im Archipelago von Chiloe zeigte, sind die Preise für Liegeplätze in Chile recht deftig. Vor allem für uns Fahrtensegler die von keiner Pension leben und die Reise durch Erspartes finanzieren. Kommst du am Abend an, legst am nächsten Tag gerade wieder ab, werden glatt zwei Tage verrechnet. Segeln ist hier in Chile ein Sport für die super Reichen.
Beduin, Abraxas und Robusta legen  im Club Deportes Nauticos Reloncavi an um die Bedingungen auszuhandeln. Dort stehen auch die Kalibu, Mousse, Yaho schon seit einigen Monaten, während ihre Besitzer in Europa den Sommer geniessen oder arbeiten.
Alle im Club sind echt nett. Doch das es für kleine Yachten unter 10 Meter keine extra Preisabstufung gibt, hinterlässt einen bitteren Nebengeschmack. Die kleine Abraxas und Beduin sollen trotzdem in wenigen Tagen an Land gehievt werden. Wir hauen gerade wieder ab. Verlegen die Robusta erst mal auf die andere Seite des Flusses und liegen dort gemütlich vor der Kirche, tip top und erst noch kostenlos vor Anker. Mit dem nächsten gemässigtem Nordwind wollen wir nochmals raus aus der Stadt um die Kontinentalseite vom Golfo de Ancud zu erkunden.
Ein Termin und Preis um die Robusta an Land zu stellen sind ausgemacht. Auf einem Fresszettel stehen die Preise, doch der Krantermin wurde auch nach mehreren Hinweisen nirgends notiert. Zu dieser Jahreszeit soll alles kein Problem sein.
Wir werden’s sehen.

Nun beschäftigten uns viele Gedanken um die Zukunft. Einerseits bereitet die finanzielle Situation Sorgen. Wie weiter, was soll mit der Robusta und der Crew in Zukunft geschehen? Wohin und wie lange wollen oder besser gesagt, können wir noch segeln? Die Schweiz liegt ja bekanntlich nicht am Meer. Wenn wir zurück gehen, muss die Robusta leider verkauft werden. In Europa eine Yacht zu verkaufen ist seit einigen Jahren schon fast nicht mehr möglich. Der Markt ist überschwemmt. Jedoch die beste Zeit um ein Abenteuer zu realisieren! Da liegen tausende Yachten für wenig Geld. Doch wo ist der beste Ort um eine  originelle Fahrtenyacht aus Stahl, mit toller Heizung und fetter Isolation und mit Deckshaus gut zu verkaufen? Wo werden wir wieder arbeiten? Finden wir jemals wieder einen Job? Wie werden wir uns als Landratten integrieren? Das sind die Problemchen die uns momentan beschäftigen. So fliessen auch schon mal Tränen an die Vorstellung, dass unser Abenteuer irgendwann mal ein Ende haben wird.
Wo und wann ist vorerst noch unklar. Klar ist, dass wir es wieder tun werden!
Sollte jemand Geld übrig haben, könnte er eine sehr gute Tat tun und es an uns weiter reichen. Dann könntest du auch in Zukunft weitere Stories über die Robusta lesen!


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Posted August 29, 2016 by robusta in category "Chile

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