June 5 2021

Prince William Sound und der Gau von vorgestern

Prince William Sound ist ein nahezu abgeschlossenes Seegebiet. Ungefähr so gross wie die Schweiz. Nach dem grossen heftigen Erdbeben von 1964, wird empfohlen, die Wassertiefe stets zu beobachten. Noch heute ist nicht jeder Winkel in Alaska neu kartographiert. Mit Abweichungen von bis zu zwei Metern ist zu rechnen! Zahlreiche Inseln, Gletscher und lauter schneebedeckte  Berge säumen den Horizont. Dank Covid19 – diese Saison ohne Kreuzfahrtschiffe. 

Es ist Sommer und es liegt noch immer zu viel Schnee, um mal vernünftig zu wandern. Die beliebten Ausflüge hoch hinaus, bleiben aus. Im Bereich der Küste ist Spazieren wegen übertrieben viel Regen, nur mit Gummistiefeln und in Oelmontur möglich. Vieles erinnert an Patagonien. Nur ist in Alaska alles gross und weit und der wesentliche Unterschied liegt bei den Windstärken. Die lokalen Wetterkanäle über VHF Funk, berichten jeden Tag von 10 bis 15 Knoten Wind aus Nord. Doch nicht mal die Wasseroberfläche bringen diese Nachrichten zum kräuseln. Ideale Bedingungen für motorbetriebene Gefährte. Doch nicht für die Robusta. Ich kann diese Stimme aus dem Funk schon gar nicht mehr hören. Dieser Dödel sollte mal seinen Schreibtisch verlassen und sich angucken, was da draussen wirklich los ist. 

Gletscher gucken ist total genial. Doch für den Hochgenuss muss der Himmel endlich mal blau werden. Die Farbe des Wassers ändert sich in einem Gletscherfjord von schwarzblau in milchiges Türkis. Im Sommer kalben gewaltige Eismassen ins Meer. Ein Schauspiel der besonderen Art. Doch mich überwältigt das alles eher zu Tränen. Jedes Stück Jahrtausende alte Eis, welches hier gerade abbricht, wird in wenigen Stunden für die nächsten Generationen nicht mehr sichtbar sein. Umso mehr ärgert es, so oft unter Motor durch die Natur zu streifen.  Auf Wind warten können wir uns nicht erlauben. Müssen Mitte Juli pünktlich aus Alaska ausreisen, sprich in Kanada sein.

Wo sind die Wale? Die vielen Otter und all die Seevögel?

Am späten Abend, kurz nach dem Auslaufen aus dem Hafen von Valdez, muss der Kurs wegen Drifteis um einige Grad geändert werden. Irgendwann musste es ja mal so weit kommen. Der Gau war doch absehbar. Alle waren überfordert. Menschen standen am Ufer. Sie versuchten mit über ihren Köpfen schwingenden Kleidungsstücke, die Seevögel vom Landen abzuhalten. Fischer sammelten die unter ihnen sonst nicht so beliebten Otter ein und versuchten sie zu reinigen…

Wer mag sich noch daran erinnern? 32 Jahre ist es her als der Supertanker Exxon Valdez, im Prince William Sound auf das Bligh Riff auflief. Dabei wurden von den elf Kammern sieben aufgerissen. 41 Millionen Liter Rohoel liefen aus. Weder die Pipelinebetreiber Alyeska, noch der Kapitän des Tankers waren in der Lage, die Havarie  unter Kontrolle zu bringen. Das Wetter wäre die nächsten Tage ruhig gewesen. Doch  Oelsperren mussten erst  von England eingeflogen werden. So wurde etwas hilflos das umstrittene Dispersionsmittel aus Flugzeugen versprüht, damit das Oel  schlicht und einfach an den Grund sinkt, wo all die Hailbutt pennen. Seit dem Jahr 2015 gibt es biologische Mittel, die das Rohöl in seine Bestandteile Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff zerlegen. Bevor die Oelsperren da sind, zieht ein heftiger Frühjahrsturm auf und verteilt die Suppe bis an die Bäume hoch und noch hunderte Kilometer weiter, bis über Kodiak hinweg, in den Westen von Alaska. Millionen Tiere verendeten. Hunderte Anwohner versuchten verzweifelt etwas dagegen zu tun. Die bis anno dazumal grösste Havarie der Geschichte, hatte  schwerwiegende Folgen für Mensch und Umwelt.  Langfristig vergiften Tiere schleichend über die Nahrungsaufnahme. In kalten Gewässer baut sich das Oel noch viel langsamer ab. Zum einen hat sich die lokale Killerwalpopulation nicht mehr reproduziert. Drehen wir am Strand Steine um, sind die Spuren der Havarie noch immer unübersehbar. Trotzdem bleibt Alaska für uns eines der Eindrücklichsten Länder.

Ein Jahr später, durften in den vereinigten Staaten nur noch doppelwandige Tanker Häfen anlaufen. Bis diese Bestimmungen weltweit eingeführt wurden, dauerte es nochmals weitere 25 Jahre!


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Posted June 5, 2021 by robusta in category "Alaska

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