April 14 2016

Puerto Williams bis Puerto Eden

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Achtung Vorwarnung: es folgt ein Bilder Zunami!  Nun sind immerhin  acht Wochen vergangen, seit wir das letzte Mal in der Zivilisation waren und den Luxus einer Internerverbindung nutzen konnten  um den Blog zu bearbeiten. Nun folgt mal der erste Teil bis Puerto Eden.
Aus der Perspektive eines Kondor, mit einer Spannweite von über drei Meter, überfliegt dieser imposante Vogel die Anden und genau so verfolgt unsere Freundin unsere Reise – Google Maps macht’s möglich. „Wenn ich in so eine gotverdammi verlassene Gegend wiedergeboren werde, würde ich mich selber abtreiben“. Seit sieben Wochen durchstreifen wir nun die Chilenischen Kanäle. Wir kommen aus dem Staunen nicht mehr raus. Gewaltige Berge mit bizarr zerklüfteten Felswänden, üppig grün bewachsen mit es scheint von tausenden verschiedenen Arten von Moos, mit Bäumen deren Form einer straff flatternden Flagge gleicht. Wolkenbilder in allen Formen und Grautönen. Gletscher in Türkisblau, die bis in die Kanäle an steilen Hängen zwischen Moränen, gewaltige Eismassen vor sich her ins Meer schieben.


Mag sein, Leben in dieser unwirtlichen Gegend muss hart sein. Die Alcaluf- Selk’nam- Haush- Yamanain- und Theuelches Indianer, die mit der letzten Eiszeit aus Asien in diese Gegend eingewandert sind, haben hier überlebt. Sie zogen als Nomaden umher, sammelten Früchte und lebten von gestrandeten Walen. Sie würden niemals in’s Meer scheissen, da sie die Muscheln und Fische aus diesen Gewässer essen. Fleisch verzehrende Tiere mochten sie nicht. Die Frauen waren geschickt im Navigieren des Kanus in dem stets ein Feuer brannte um die ganze Familie warm zu halten. So lebten diese Menschen mit grossem Respekt gegenüber der Natur. Natürlich nur bis der Weisse Mann ende des 19. Jahrhundert Tierra del Fuego auf der Suche nach Gold bevölkerte und erst mal Krankheitskeime einschleppte. Die Guanocos (Lamaart), ein Grundnahrungsmittel der Indianer, wurden in tausende Kilometer, zusammen mit Schafen, eingezäunt. Jagten die Indianer eines der Tiere, war dies schon Grund genug um eine Prämie für jedes Kilo toten Indianer anzusetzen. Den angeschwemmten Walen wurde Gift injiziert. Dies sind nur einige der Gründe die zur fast radikalen Dezimierung dieser Ethnie geführt haben.
Wir sammeln auch blaue Beeren, die Calafate und noch andere deren Namen wir nicht kennen. Doch die gestrandeten Wale an der Chilenischen Küste fressen wir nicht auf. Diesen Sommer sollen es 300 gewesen sein! Die Gründe sind wohl offensichtlich, nur will es niemand wahr haben. Der ganze Müll, der hier immerhin nur ganz selten zu sehen ist, die Umweltgifte die auch die abgeschiedensten Regionen der Welt nicht verschont, fordern ihren Tribut.

In den schönen engen geschützten Buchten, in denen wir uns mit Anker und Landleinen sichern, was jeweils vor allem bei Ebbe einem akrobatischen Akt nahe kommt, haften an den Felswänden tausende Muscheln. Da läuft jedem Feinschmecker das Wasser im Munde zusammen. Doch diese Leckerbissen dürfen wir nicht essen. Der Grund dafür ist eine Alge die Schalentiere ungeniessbar machen (Marea Roja). Den Seevögel bekommt die mit der Alge vergifteten Tiere. Nur den Menschen haut es innert weniger Stunden qualvoll leidend um und er kann sich gleich neben die 300 Wale legen. Als Gemüse Ersatz kochen wir Kelp. Kelp mit Kartoffeln, Kelp mit Ingwer, Kelp mit Zwiebeln, Kelp an weisser Sauce mit Kapern. Der nächste Laden ist noch in weiter Ferne.

Wir fühlen uns frei! Fast frei, wäre da nicht das grosse Auge der Armada, die gerne zwei mal täglich eine Positionsmeldung haben will. Ha ha, aber wie denn bitte? Mit Kurzwelle eine E-Mail schreiben geht normalerweise gut. Aber in den Schluchten der Anden ist das schlicht eine andere Ausgangslage. Der erste Hop einer Funkwelle prallt schon an der nächsten senkrecht emporsteigenden Felswand ab und wenn nicht dort, landet der zweite Hop in einer der zahlreichen Gletscherspalten. Aber mach denen das mal klar und dann noch in einer Fremdsprache. Wir funken wenn wir können. Passierende Schiffe sind verpflichtet eine Positionsmeldung an die Armada weiter zu leiten. Auf unserem Zarpe haben wir gerade mal drei Caletas (Bucht) angegeben. Fühlten uns schon sehr frei, bis das Pactormodem über Kurzwelle eine Botschaft vom MRCC Rettungs Coordinations Zentrum ausspuckte. Kurz und bündig, in wenigen Worten formuliert steht da, dass die Armada eine Vermisstmeldung aufgegeben hat. Ohjemineeeee. Das gibt eine derart dicke Rechnung, wenn wir die Aktion nicht rechtzeitig stoppen können, dass wir den Rest unseres Lebens in einer der Zürcher Notschlafstellen verbringen können.

Bis jetzt ist alles ziemlich gut gelaufen. Die gefürchtete Magellanstrasse mit ihren  Gegenströmungen und starken Winden, die innert Kürze eine unangenehme steile See entwickelt, sind wir bei schönstem Wetter buchstäblich durchgeflutscht. Die Bedingungen können so schlagartig ändern. Da freust du dich über tollste Segelbedingungen und schon fällt die Geschwindigkeit von 5 Knoten auf nur noch knapp zwei Knoten. Wind und Strom gegen dich und jede Meile wird zu einem harten Kampf gegen die Zeit. In der Dunkelheit ist es hier nicht zu empfehlen zu reisen. Die Seekarten der Chilenischen Armada sind teilweise bis drei Seemeilen daneben! Navionics ist eine gute Ergänzung, aber manchmal auch wieder unbrauchbar.
Es ist fast unglaublich, doch wir treffen mitten in den  Kanälen auf Stepke und Aleko, doe beiden Einhandsegler mit ihren Yachten Abraxas und Beduin! Die Freude ist riesig und muss ausgiebig in der nächsten  Caleta gefeiert werden.

DenWetterbericht bekommen wir von der Armada, vorausgesetzt das mit der Kuzwelle klappt. Ist recht genau, aber muss je nach Verlauf und Form der Topographie selber noch nachinterpretiert werden. Bis Puerto Montt werden wir’s wohl draussen haben. Puerto Tamar, kein Hafen wie es der Name vermuten lässt, sondern ein ziemlich ungeschützter Ankerplatz, mit miesem Ankergrund, mit vorgelagerten Felsen, der Einzige zum Abwettern vor der Passage in den Kanal Smith, verbrachten wir eine harte schlaflose Nacht. Am nächsten Morgen kämpfte sich die Robusta mit Segel und Motorunterstützung im Zickzack durch Regen und die grandiosen Wellen, die vom Pazifik in die Magellanstrasse einrollen. Unser Freund hatte an dieser Stelle weniger Glück. Ihm wehte der Wind derart hart entgegen, dass es ihm das Vorsegel zerschredderte. Unter Motor erreichte er die Bucht, doch der Anker hielt nicht. Die Yacht driftete gefährlich nahe an die Felsen. So und dann sass der Anker super fest, liess sich gar nicht mehr lichten. Das alles in zwei Meter Welle und die Heizung hatte auch noch den Geist aufgegeben. Seine Crew wurde durch die Armada abgeborgen. Er blieb an Bord bis sich das Wetter beruhigte. Wir waren 100 Seemeilen hinter ihm als uns ein stattliches Transportschiff anfunkte, um nach der Position der Yacht in Not zu  fragen. Es lieferte 200 Liter Diesel von Punta Arenas. Hört sich wie ein Pizzalieferdienst an, doch hat 27’000 US Dollares gekostet! Seine Versicherung habe das organisiert. Ob die auch bezahlt wird sich herausstellen. Die Armada wollte ein Gesundheitsatest von dem geretteten Crewmitglied. Wer nicht wirklich krank ist, hat wohl mit bösen Folgen zu rechnen und kann uns in der Notschlafstelle Gesellschaft leisten.

Mir ist schon schleierhaft wie die Indianer nur mit einem Stück Fell bekleidet in einer Gegend, die selbst im Sommer nachts Temperaturen gegen null Grad und im Schnitt tags das Thermometer 10 Grad anzeigt, leben konnten. Meine liebe Freundin, da magst du recht haben, es gibt angenehmere Lebensbedingungen. Es schifft hier teilweise unglaubliche Mengen – dies im Schnitt 300 Tage pro Jahr und das auch noch bei Starkwind. Praktisch für uns, so konnten wir in einer Regennacht über 300 Liter Wasser in unseren Tanks sammeln. Selbst in der super gut isolierten Robusta kämpfen wir gegen die Feuchtigkeit. Mit der Heizung kondensiert die Wärme an den kalten Fensterscheiben. Alle Bullaugen, ausser zwei davon, wir wollen ja auch mal lüften, haben wir mit durchsichtigem Plastiktischtuch isoliert. Das hilft perfekt! Das geschlossene Deckshaus ist auch Gold wert. Wir hocken bei Regen trocken und windgeschützt, einigermassen warm und geniessen die einmalige Landschaft. Standardausrüstung zum Wandern sind Oelzeug mit Gummistiefel. So wühlen wir uns buchstäblich wie Maulwürfe durchs Dickicht über triefnasse,  moosbewachsene Baumstämme.
Jetzt geifern wir förmlich nach einem fetten blutigem zarten riesig grossem Stück Fleisch mit frischem Gemüse und davor und dazu und danach ein grosses schmackhaftes Bier in der Zivilisation von Puerto Eden und eine heisse Dusche darf auch nicht fehlen!

Tja und aus der netten Kneipe mit dem Lomo und dem Bier wurde leider nicht’s. In Puerto Eden, mit seinen 170 Einwohnern, gibt es keine Bar und keine Kneipen. In den zwei kleinen Supermercados war das Bier ausverkauft. Kommt erst mit der Faehre am Samstag neuer Nachschub. Der Mann der den richtig teuren Diesel verkauft ist nicht da. Er sei zur Zeit in Puerto Natales. Wir sind aber trotzdem zu unserem Diesel gekommen. Wie will ich hier nicht genauer erläutern – wäre ja mies deinen “Freund und Helfer” an den  Pranger zu  stellen.
Jedenfalls war die Nachtaktion richtig kriminell. Vielleicht erfährst du ja mehr dazu auf einer anderen Homepage ;-))


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Posted April 14, 2016 by robusta in category "Chile

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