April 28 2016

Puerto Eden bis Caleta Tortel

Internet ist im Süden Chiles ein höchstes Luxusgut! In Caleta Tortel finden wir keine Kneipe die WIFI bietet. So fragen wir im Gemeindehaus ob wir gnädigerweise ihre Internetleitung anzapfen dürften, um unsere e-mails lesen zu können. Der zuständige Informatiker willigt ein. Er tippt den Zugangscode höchst persönlich ins Tablet. Doch die Leitung ist zu schlapp um die Bilder für den Blog auch noch zu laden. Später, als ich es erneut versuchen will, ist der Code ungültig und der zuständige Herr weilt im Urlaub! Bravo.
Wir sind süchtig. Zu richtigen Junkies mutiert. Können kaum noch genug davon kriegen. Das weiss – blau schimmernde Kristall der Gletscher. Eine Faszination die uns kaum mehr los lässt. Wenn riesige Brocken mit Pistolenschuss lautem knallen vom Gletscher bersten, mit einem gewaltigen Rums ins Wasser kalben um an irgend einer Stelle gleich wieder aufzutauchen. Genau an solch einer Stelle willst du dann eben nicht sein, wenn gewaltige Eismassen unter dir auftauchen, die sich manchmal auch vom Grund lösen. Wie lange dieses Schauspiel noch zu beobachten ist, wissen wir nicht. Doch die Realität hat in den letzten Jahren gezeigt, dass die Gletscher jedes Jahr um 100 Meter geschrumpft sind. Das Wasser ist dieses Jahr vier Grad wärmer. Grund dafür ist „El Nino“, ein Phänomen welches das Klima weltweit beeinflusst.


Eigentlich wollten wir gerade weiter segeln. Als wir bei der Armada in Puerto Eden die Zarpe (Auslaufbewilligung) abholen, ertönt Markkus Stimme aus dem Lautsprecher der Armada. Die Segelyachten Kalibu, die Yao und die Cara Mia laufen auch noch in Puerto Eden ein. Das ist nun ein Grund um ausgiebig das Wiedersehen zu feiern! Wir verbringen ein paar lustige nette Tage. Es gibt viel zu erzählen! Die Reise mit Aleko von der Beduin zum Mischief war echt abenteuerlich. Die „Hand breit unterm Kiel“ wurde förmlich amputiert. Beide Yachten sind bei Hochwasser, schlimmer kann’s nicht kommen, auf Felsen aufgesemmelt. Die Strömung drohte uns gegen die Sandbank zu drücken. Einen zweiten Versuch wagten wir nicht. Da wo die Wassertiefe laut Seekarte gut sein soll, liegt aber eine Sandbank! Auf der Hauptroute stimmen die Seekarte recht gut. Doch Abweichungen bis drei Seemeilen können durchaus vorkommen. So suchten wir einen sicheren Ankerplatz für die Nacht. Die erste Bucht könnte bei einem Winddreher die Ausfahrt mit Eis versperren. Eine Seemeile südlich liegt die perfekte Bucht. Auch super zum Wandern. Seit Puerto Tamar bedeutet Wandern eigentlich „Moos-Baum-Klettern“ mit Gummistiefel und Oelzeug. Hier ist halbwegs normales über “Baumstämme steigen” möglich. Wie toll. Selbst mit dem Dinghi sind wir am nächsten Tag nicht sehr weit durch die Angostura Mischief gekommen. Riesige Eistrawler versperrten auf dem Rückweg den Kanal und drohten das Dinghi zu zermalmen. Aleko und ich mussten eine fette Eisscholle vor uns herschieben um den Bug vor den scharfen Kanten des Eises zu schützen! Thomi manövriert mit dem 6 PS Motörli gekonnt durch die in verschiedenste Richtungen treibenden Eismassen. Ich bekomme eine echte Krise. Will gar nicht mehr aus dieser schönen Berglandschaft raus. Diese Kanäle und Buchten haben’s mir echt angetan. Mir graut es vor der Zivilisation. Puerto Eden ist speziell. Da existieren keine Autos. Alle Güter werden auf dem Wasserweg transportiert. Für mich sind die Chilenischen Kanäle der schönste Flecken der Erde. Die Natur, die Abgeschiedenheit, keine Autos, kein Lärm. Na ja das mit dem Lärm ist nicht ganz korrekt; Der starke Wind pfeift in den Wanten und reisst an der Gastlandflagge, was unerträgliche Geräusche im Schiffsinnern erzeugt. Die wird nur noch gehisst, wenn wir wieder in der Zivilisation sind.

Thomi und Stepke wollen möglichst schnell in den Norden. In wärmere Breiten, milderes Klima. Sie haben genug vom Regen und dem Kampf gegen die Feuchtigkeit. Die Tage werden auch immer kürzer. Morgens ist nun sogar das Deck vereist. Der Winter meldet sich an. Markku will auch möglichst schnell in den Norden. Nach Valdivia um nach Tahiti in die Südsee abzubiegen. Er hat die Nase auch voll von diesem Klima, den starken Winden die ja immer aus der falschen Richtung blasen und der viele Regen! Kalibu’s Crew will bald in Puerto Montt sein. Sie fliegen für drei Monate nach Deutschland. So trennen sich unsere Wege leider wieder. Ich will hier gar nicht mehr weg. Doch der Zufall will, dass Alekos Motor streikt. (Ich schwöre, ich habe nichts damit zu tun!!!) Die Süsswasserpumpe hat den Geist aufgegeben. So ein Mist! Hier ist keine Autowerkstatt in der Nähe. Nix, gar rein nix. Bis Puerto Montt sind es noch über 300 Seemeilen. Alles unter Segel könnte funktionieren. Ohne Wasserpumpe kein Motor – ohne Motor keine Ankerwinsch. 15 Meter Kette von Hand einholen geht ja noch. Doch in dieser Starkwind Region stecken wir möglichst viel Kette. Oftmals 80 Meter! Doch in die Buchten einlaufen, an die ja logischerweise immer windgeschützten Ankerplätze, wird zum Problem. Wir durchforsten Reiseführer, Karten, grübeln über Möglichkeiten nach, wie und wo und ob die Pumpe repariert werden könnte. Ersatzteil von Europa schicken, das kann aus Erfahrung echt lange dauern. Die Stopfbuchse, die wir vor neun Monaten von Deutschland mit DHL nach Uruguay bestellt hatten, gammelt auch noch irgendwo herum. Auf dem Suchlaufzettel der DHL wird bekannt gegeben „Am Zielort eingetroffen“ was im betreffenden Fall aber „am Zoll hängen geblieben“ bedeutet. Während der Telefongespräche mit den Angestellten der Hotline, mutiere ich zwangsläufig fast zur Terroristin. Lauro vom TO Montevideo sorgt nun dafür, dass die 50 Euro Zollgebühren bezahlt werden und transportiert das Ersatzteil höchstpersönlich über die Grenze nach Chile. Herzlichen Dank!!!
Da schau, ein Fluss, der Rio Baker, da liegen zwei grössere Orte. Eines mit 4000 Einwohner und der nächst grössere mit 40’000! Caleta Tortel liegt am Rio Baker. Bis dahin führt die Caretera Austral. Das müssten wir in etwa fünf Tagen schaffen. Robusta schleppt die Beduin falls der Wind ausbleibt. Da wird es wohl einen Bus geben und einen Mechaniker zu finden sein. Doch da sind noch die Anden….

Caleta Tortel ist unglaublich nett. Nur etwa zehn Yachten verirren sich jedes Jahr in diese abgelegene Gegend. Die Leute vom Dorf kommen den Holzsteg entlang gelaufen, um unsere drei Yachten zu fotografieren. Der Bus fährt nur zwei mal die Woche nach Cochraine. Niemand kann hier die Pumpe reparieren wie sich herausstellt. In Coyhaique, dort soll es auch Dreher geben die ein Lager herstellen können. Aleko reist mit dem Bus elf Stunden dort hin. Thomi und ich nehmen den ähnlich langen Weg über Schotterpisten in Angriff. Husch mal nach Argentinien auszureisen um einen neuen Einreisestempel in den Pass zu bekommen. Die drei Monate sind schon fast rum. Stepke passt in dieser Zeit auf die drei Yachten auf. Doch die Aktion dauert länger als gedacht. Von Chile Chico soll es Busse nach Argentinien geben. Wann kann keiner sagen. Die Busgesellschaften sind privat, was soviel heisst, dass keiner weiss, wo und wann und wohin die anderen Busse im Land fahren. Im Internet finden wir einen Fahrplan. Doch das ist der Sommerfahrplan. Jetzt ist Winter. Also wieder übernachten in einer Hospedaje (nicht mit Spital zu verwechseln). Das sind einfache Unterkünfte bei Familien. Meist darf der Holzherd in der Küche benutzt werden. Wir zahlen zwischen 10 und 15 Euro mit Frühstück. Zelten im Garten ist noch günstiger. Im Bett bekomme ich einen halben Kollaps. Schweissgebadet mache ich das Licht an und untersuche die Bettwäsche mal genauer. Da liegen doch neun Wolldecken über mir, die mich komplett platt drücken. Neun. Ich habe mich nicht verschrieben. Das ist ja nun echt zu viel des Guten. Wir sind ja schliesslich in den Anden oder wie? Dabei liegt noch nicht mal Schnee.
Der Grenzübertritt, das war auch so eine Aktion: Alle Fahrgäste müssen raus aus dem Bus. Rein ins Büro, der Beamte will das Einreisedokument. Wie sieht denn das aus? Haben wir nicht. Kein Problem, dann muss es eben nochmals ausgefüllt werden. In dem Moment schiesst mir die Erinnerung in den Kopf, wie empfindlich die Argentinier und Chilenen mit der Einfuhr von Lebensmittel und Güter sind. Können wir doch nicht’s dafür wenn die beiden Länder sich nicht mögen. Im kleinen Rucksack habe ich ein Picknick für die Reise eingepackt. Nun fordert ein älterer miesgrämig, streng dreinblickender Beamte alle Fahrgäste auf, ihr Gepäck zu präsentieren. Wir ignorieren die Aufforderung. Doch dann geht der Kerl, nach dem er alle Koffer und Taschen wie ein Maulwurf durchwühlt hat, in den Bus. Schaut auf die Ablege, bückt sich, gafft unter die Sitze, kommt mit strenger Miene wieder raus, direkt in meine Richtung….. Ups, doch er wendet sich an den Busfahrer, um ihm die Durchfahrt zu gewähren. Die Landschaft im Grenzgebiet erscheint uns eigenartig. Im Hintergrund türmen sich unnatürlich geformte Berge. Wie sich herausstellt, wird hier nach Bodenschätzen gebuddelt. Die Natur weist zahlreiche Narben auf. Die Wandmalereien verraten den Unmut der Bevölkerung.

Die Rückreise nach Caleta Tortel müssen wir über Coyhaique antreten. Der nächste direkte Bus nach Tortel würde erst in sechs Tagen fahren! Der Umweg über Coyhaique bedeutet ja nur drei Stunden mit der Fähre und noch weitere sechs Stunden mit einem Bus über die Berge.
Aleko hat in der Zwischenzeit dort nach zwei Tagen ausgiebiger Forschung, einen Hinterhofmechaniker gefunden, der die Wasserpumpe reparieren will. Doch der findet kein passendes Ersatzteil. Ein Dreher, der so was herstellen könnte, ist nicht aufzutreiben. Fazit: zwei Wochen Inlandreise durch eindrückliche Landschaft, ohne Erfolg! Alekko paddelt in den Wald, schneidet sich verschieden dicke Äste von Bäumen und will sich nun ein Lager für die Wasserpumpe des Motors aus Holz basteln.
Er ist ja schliesslich Schreiner. (mehr dazu auf www.alekistan.com)
Nun soll die Reise mit dem Provisorium weiter gehen. Eine neue Wasserpumpe ist von Europa nach Valdivia unterwegs. Leo, sein Sohn, hat diese vor dem einpacken noch ordentlich mit Altöl eingesifft, um so die Zollgebühren zu umgehen. Meistens wird der Vermerk auf dem Paket „Yacht in Transit“ schlicht übersehen und das Paket wird erst ausgehändigt, wenn die Gebühren abgeliefert sind.

 


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Posted April 28, 2016 by robusta in category "Chile

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