April 28 2021

Abschied

Gerdy kratzt an der Türe vom in der Nachbarschaft gelegenem Hausboot, wo Thomas und ich nun wohnen. Ich freue mich über ihren täglichen Besuch! Doch gleichzeitig stimmt es mich traurig. Sanft streichle ich ihr über das struppiges Fell, das sie sich ungern bürsten lässt. Am Strand schmilzt nun so langsam der Schnee. Der gefrorene Belugasee ist nicht mehr begehbar. Erste Zeichen vom Frühling sind erkennbar. Zugvögel, wie die Kraniche sind eingetroffen. Sie sind von Kalifornien gekommen und werden den gemässigten Sommer in Alaska mit der Aufzucht der Jungtiere beschäftigt sein. Schade ist der Abschied schon bald. Nur zu gerne hätten wir miterlebt, wie die Natur aus dem Winterschlaf erwacht. In den Salzwiesen um Homer werden diverse Vogel- und Entenarten den milden Sommer verbringen.

Über den Winter durften wir einige nette spannende Menschen kennen lernen. Alaska, ist für uns ein sehr spezieller Ort. Ein wildes Land, mit kurzer intensiver Geschichte.

Witzig ist, dass sich so viele bemühen, damit wir sämtliche Schweizer die hier leben, kennen lernen. Ihre Lebensgeschichten beeindrucken uns. Noch eindrücklicher ist für uns die Lebensweise. Homer hat sozusagen keinen Dorfkern wie wir dies in Europa kennen. Alles ist auf’s Autofahren ausgelegt. Die Leute leben auf riesigen Grundstücken, so gross, dass meist kein Nachbar in Sichtweite ist. Doch was uns völlig in die Knie haut, ist die Aussicht! Wald, Berge, Meer, Natur so weit das Auge noch reicht. Winter ist die Zeit der Ruhe. Im Sommer ist der Bär los, Touristen ziehen aus allen Richtungen in oft skurrilen Gefährten durch Alaska. Campen, Fischen und Jagen ist für viele von ihnen ein Traum. 

Alles was ich gerade tue, nehme ich äusserst intensiv wahr. Denke, jetzt ist es das letzte Mal, wo ich mich in dieser Badewanne entspanne. Nochmals Wäsche waschen in einer tollen sauberen Maschine, ohne die dreckigen Kleider erst mühselig in einen Waschsalon zu transportieren. Mit Gerdy nochmals am bezaubernden Strand spazieren. Und wenn ich nun an den Abschied all der netten Leute denke, rollen dicke Tränen über meine Backen.

Ein Wetterfenster tut sich auf. Susia, Brat und Sepp werden uns bis Seldovia begleiten.

Doch erst soll noch ein Abschiedsfest am Strand über die Bühne gehen.

Ganz einfach. Alle bringen mit, was sie zum Festen brauchen und zusätzlich noch ein Instrument oder Ähnliches, um eine anständige Jam Session zu vollbringen. Wir sind im Endstress. Grosseinkauf steht an. Wer weiss, wann sich die nächste Gelegenheit bietet. Segel anschlagen, Rigg kontrollieren und spannen.

Das Dhingi verliert auch mal wieder Luft. Da ich kein Leck finden kann, besorge ich an der Tankstelle eine Dose mit giftgrünem Inhalt. Luft raus, grüne Pampe durch das Ventil rein, aufpumpen und immer wieder das Dinghi drehen und wenden, damit sich der Schleim im Innern schön verteilt. Diese Notreparatur, eigentlich für Autoreifen gedacht, funktioniert für das sehr alte PVC Dinghi perfekt. Die letzte Anwendung hat ein Jahr gehalten. Falls jemand ein gebrauchtes Dinghi zu verkaufen hat, bitte melden. Das tat dann Joe. Doch das Dinghi liege unter einem Berg Schnee! Zwei Tage graben wir. Stossen irgendwann auf Eis. Salz rauf und einwirken lassen. Hat bedingt geholfen. Das befreite Dinghi sieht nicht schlecht aus. Doch es braucht eindeutig Zuwendung. So kaufe ich Kleber und Flicken. War jedenfalls so geplant. Für eine  mikrokleine Tube Kleber und paar Quadratzentimeter Flicken, 60 Dollar!!! Abriss! Joes Dinghi ist jetzt in Flicken zerlegt. Hochgerechnet sind diese nun 15 tausend Dollar wert. Cool!

Wir sind erstaunt. Am Samstag herrschen für eine Strandparty nahezu perfekte Bedingungen. Kein Wind, kein Schnee oder Regen. Temperaturen knapp über Null Grad Celsius. Sue, Susia und Brat, die musikalischen unter uns, haben zum Abschied ein Seemannslied komponiert! Hey, völlig cool, Wir wollen es auch lernen!

Danke für die tolle Zeit und tschüss Homer Homies


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Posted April 28, 2021 by robusta in category "Alaska

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