January 24 2016

Puerto Deseado – Bahia Tetis – Bahia Buen Suceso

Jeh ich könnte jauchzen vor Freude! Endlich mal super coole Bedingungen! Wau ist das toll. Lustig schwappen und züngeln die Wellen. Weiss von Gischt belegt soweit das Auge reicht. Grosse Berge, rauf und runter surfen. Kalt ist es geworden. Das macht mir aber nicht viel aus, denn ich komme vom Norden. Nur die ständigen heftigen Seitenhiebe der riesigen Wellen mag ich nicht. Die Narbe an meinem Bauch ist gut verheilt. Die Naht hält dicht. Doch als heute morgen so ein tolpatschiger Albatros, die keine Ahnung von präzisem Landeanflug haben, auch noch auf meinem Mast landen wollte, hat das fette Tier mit seinen Latschen, den Windanzeiger verbogen. Die Nadel muss ihn heftig am Bauch gekitzelt haben. Drinnen in meinem Bauch, hocken Thomi und Anja am Kartentisch und fragen sich verzweifelt, wann die 40 bis 50 Knoten Wind endlich abnehmen. Anja hat sich nun in die kalte Koje verkrümelt und träumt von einer heissen Badewanne.
Am krassesten fand ich die Nacht. Schwarze absolut dunkle Nacht. Ich kann nicht sagen ob es regnet oder ob es die Wellenberge sind die über die Robusta krachen. Die Sicht ist gleich null. Wahrscheinlich auch besser so.  Die Einfahrt der Magellanstrasse muss bei diesem starken Wind großräumig umfahren werden. Vorgelagerte Sandbanken bauen dort eine krass steile gefährliche See auf. Im selben Moment dreht der Wind auf Süd-West. Sich nahe an der Küste halten ist nun unmöglich geworden! Die Geräuschkulisse ist nun gewaltig. Ab 40 Knoten ist es schon sehr laut. Das Pfeifen und sirren ist ab 50 Knoten nochmals eine Stufe enormer. Nicht umsonst wird die Gegend hier die Brüllenden Fünfziger genannt. Die See ist chaotisch. Nur noch ablaufen unter der Sturmfock gelingt. Die Windsteueranlage Pazific Plus funktioniert selbst bei diesen extremen Bedingungen tadellos! 
Das Wetter beruhigt sich nach 36 Stunden bei 40 bis 50 Knoten Wind langsam wieder. Doch kurz vor dem Estrecho de Le Maire stellt der Wind völlig ab. Flaute. Die letzten 20 Seemeilen laufen wir unter Motor und kommen in absoluter Finsternis in der Bahia Tetis an. Die Islas de los Estados erreichen wir leider nicht! Dort haben wir uns mit der Gallate und der Kalibu verabredet. Mit der Taschenlampe versuche ich das Kelp auszumachen. Flupp und schon stecken wir drin in den riesigen bis zu 40 Meter langen Wasserpflanzen. Rückwärtsgang und wir kommen mühelos wieder raus. Ups, wenn sich Kelp im Propeller verwickelt, kann das sogar die Welle verbiegen! Es ist saukalt hier, regnet leicht. Nur noch den Anker runter und expressmässig ab in die Kojen. An Schlaf war ja die letzten Tage nicht zu denken. Bei solchen Bedingungen ist die Anspannung echt gross. Was wenn jetzt das Material den Naturgewalten nicht standhält? Es war schon extrem. Ich glaube jetzt dürfen wir uns schon zu den Seebären zählen, denn wir sind selbst bei diesen Bedingungen noch immer nicht seekrank geworden. Ich war aber bestimmt ausserhalb meiner Konfortzone! Erst mal kräftig ausschlafen. Nein geht leider nicht. Sieben Uhr müssen wir mit dem einsetzenden Ebbstrom weiter. Also nur vier Stunden schlafen. Die Bedingungen sind perfekt! Durch den Estrecho de Maire will niemand bei Wind gegen Strom Verhältnissen segeln. Die Meerenge an der südöstlichsten Spitze Südamerikas zwischen Feuerland und den Islas de los Estados, ist bekannt für ihre starken Ströme und bis zu 12 Meter hohe, stehenden Wellen. Wir haben Glück. Nur leichter Nordwind weht. So erlauben es die Bedingungen ganz nahe an der Küste bis nach Bahia Buen Suceso zu segeln. Normalerweise muss das Kap im Mindestabstand von acht Seemeilen umfahren werden.  
Auf den Tag genau, 400 Jahre nach Kapitän Le Maire, segelt die Robusta durch den Estrecho de Le Maire. Der Holländer Le Maire engagierte für das eine Schiff den erfahrenen Kapitän Willem Conelisz Schouten. Das Kommando über das zweite Schiff übertrug Le Maire seinem Sohn Jacob. Bei der Landung auf Java, im Oktober 1616, wurden die beiden Kapitäne verhaftet. Man glaubte ihnen nicht, eine alternative Route zur Magellanstrasse gefunden zu haben. Die beiden wurden in Ketten in die Niederlande zurück verfrachtet und ihre Schiffe wurden konfisziert. Jacob Le Maire starb auf dieser Fahrt.
Hier ein Link der die Wellen beschreibt
http://www.seemotive.de/html/dseegang.htm

January 18 2016

Puerto Deseado

Erst wollten wir an Puerto Deseado vorbeirauschen. Doch der Wetterbericht ist nicht so optimal. Bereits die ganze Nacht lagen wir beigedreht den Südwind abwetternd bei etwa 35 Knoten Wind  in den Wellen. Für Landratten eine Erklärung zum Beidrehen oder Beiliegen: hierbei handelt es sich um eine Technik mit kleiner Segelfläche starken Wind und hohe Wellen abzuwettern, oder schlichter ausgedrückt, auf besseres Wetter warten. Das Schiff liegt so einigermassen ruhig in den Wellen und driftet langsam seitwärts zurück.
Nach zwei Uhr in der Früh ist es wieder möglich mit der Flut in den Fluss Puerto Deseado anzulaufen. Wir ankern im Fluss und schlafen erst mal aus. Die Prefectura hätte laut Laurent uns auch schon versucht zu wecken. Doch wir haben wohl tief und fest geschlafen.


Später kommt die Prefectura nochmals mit ihrem Boot auf Besuch um den Papierkram zu erledigen. Sie haben sogar Durchschlagpapier dabei, was meine Grossmutter wohl noch aus ihrer Schulzeit kennt. Wenn wir im Hafen anlegen wollen, sollen wir doch die Fortuna, ein Schlepper für Frachtschiffe, auf Kanal 10 anfragen, ob wir an ihm festmachen können. Der Steg für kleine Bote existiere nicht mehr erklären uns die Beamten. Neben der Prefectura habe es noch eine private Anlegestelle. Kostet aber 25 Dollar pro Tag.
Kanal 10 funktioniert auf unserem europäischem VHF Funkgerät nicht. Sie hören uns, aber wir sie nicht teilt uns Laurent auf Kanal 16 mit. Super. Er fragt für uns die Fortuna an. Da liegt bereits die Segelyacht Antarktika. Wir können uns an ihr festbinden. Wie es der Namen schon verrät, machen sie Charter Touren von Buenos Aires in die Antarktis und sind nun auf dem Heimweg. Sie hätten die Robusta bereits in Buenos Aires mal gesehen. Die Crew der Fortuna erzählt uns, was für ein Südsturm unsere Freunde hier an der selben Stelle getroffen hat. Das müssen ja dramatische Momente gewesen sein, als die Stricke gerissen sind! Wir haben die Fotos gesehen – dass ihr alle noch mal heil davongekommen seit, grenzt an ein Wunder! Alles Gute Abraxas (Alekistan) und Skol, hoffen es geht euch und euren Yachten wieder gut!!!!!!!!

Morgen ziehen wir weiter gegen Süden. Cara Mia, Calatée und Robusta. Kalibu ist schon weiter gesegelt. Das optimale Wetterfenster gibt es hier nicht. Da müssen wir jetzt durch. Kleinste Besegelung: Sturmfock und Grosssegel im dritten Reff. Im Schiff ist alles gut verstaut und die Schapps sind zusätzlich gesichert, dmit sie nicht ungewollt im chaotischen hohen Seegang aufspringen. Einige Yachten montieren Bretter an ihre Fenster um sie vor Treibgut zu schützen. 
Ohje bin schon etwas nervös. 
Wetterbericht sagt 35 Knoten aus Nord-West voraus. 
Der Skipper der Charteryacht empfiehlt, wie die lokalen Segler und die Armada auch, ausnahmsweise nicht weiter als drei Meilen von der Küste entfernt zu Segeln. Die Wellen sind dann nicht so chaotisch. Der Wind donnert dort von den Anden runter und wird deshalb mindestens 20 Knoten stärker sein als vorhergesagt.
Mamma mia…. 

January 12 2016

Mit Blaulicht durch die Pampas

Im Kanal Leones bläst der Wind mit über 35 Knoten. „Kalibu Kalibu – Robusta“ rufe ich auf Kanal 69 wie vereinbart unsere Freunde. Sie liegen bereits mit ihren Yachten in der Caleta Horno. Sie wollen bei unserem ersten Manöver mit Landleinen in der schmalen Schlucht helfen. Markku hat bereits eine Landleine an der südlichen Felswand vorbereitet. Perfekt! Damit wir an den beiden Yachten vorbei können, müssen sie eine Leine lösen. Die Situation wird kurz mal kritisch, da es die Kalibu in diesem Moment arg gegen die Cara Mia drückt. Beide Dickschiffe hängen nun nur noch an einer Landleine. Wie lange diese die starken Fallböen aushält, ist fragwürdig. Galatée wartet im Windschatten der Einfahrt, bis wir festgezurrt sind. Nach einer Stunde sind die vier Yachten optimal, wie in einem Spinnennetz in der Schlucht gesichert. Der Tidenhub von über vier Meter und die Caleta mit ihren steilen Felswänden ringsum sind beeindruckend.


Das Wiedersehen sollte mit dem extra für uns aufgespartem Asado gefeiert werden. Doch das Fleisch hat das lange Warten leider nicht überlebt. Die Fische freuen sich dafür. Diese werden doch von uns später gefangen und aufgegessen.
Die karge Pampas ist genial zum Wandern. Birgit bringt uns sechs mit dem Dinghi an die südliche Felswand, von wo wir mit einem kleinen Picknick ausgerüstet, die Gegend erforschen wollen. Doch Markku steuert stur gegen Osten. Ihn zieht es in die Zivilisation. Der Fleischvorrat sei ihm ausgegangen und Teria, die an Board wartet, brauche dringend Karotten. Markku behauptet, wenn wir immer geradeaus laufen, muss da in etwa zehn Kilometer Entfernung eine Strasse sein. Dort wolle er ein Auto anhalten, welches ihn nach Camarones bringt. Wir wollen ihn nicht alleine ziehen lassen. Also geht Thomas von der Kalibu mit seinen Kindern zu den Klippen und wir latschen eine, zwei, drei Stunden Markku hinterher, ohne auf eine Strasse zu treffen. Ausser Steine, Berge, karges Gestrüpp, Guanocos, Schafe und Hasen, sind weit und breit keine Anzeichen von Zivilisation zu erkennen.
Etliche Kilometer später, vom höchsten Punkt, ist in der Ferne, schon fast wieder am Horizont, eine Farm zu sehen. Dort ist dann tatsächlich die erhoffte Strasse, auf der aber wie sich herausstellt, sehr selten Autos fahren.

Nach nahezu 30 Kilometer latschen, sitzen wir gemütlich in einer kultigen Kneipe. Doch wie informieren wir nun unsere Freunde, dass wir es heute nicht mehr zurück schaffen? Die machen sich bestimmt Sorgen. Wenn die nun einen Notruf absetzen? Handys und Internet stehen uns schon lange nicht mehr zur Verfügung. Schon gar nicht in der Pampa.
So beschliessen wir, mit dem Handfunkgerät das wir dabei haben, uns mal bei der Prefectura Camerones zu melden. Haben wir eh schon seit Tagen nicht mehr gemacht, da die Entfernung zu gross ist.
Lima-4-Bravo, Lima-4-Bravo, Robusta, rufe ich schon etwas angeheitert aus der Kneipe ins Funkgerät (hatten schliesslich auch einen riesigen Durst zu löschen). Ich erkläre dem Polizeibeamten, dass wir extra hierher gelaufen sind, um uns wiedermal bei ihnen zu melden (zwei mal täglich verlangt die Prefectura normalerweise eine Positionsmeldung). Das freut den Mann besonders. Er fragt, ob wir eine Dusche bräuchten. Ich erkläre, wir hätten bereits eine kleine Pension zum übernachten gefunden. Mit warmer Dusche! Er meint, wir sollen Morgen ins Hafenbüro kommen. Den langen Weg könnt ihr unmöglich wieder zurück laufen.
Wir fahren euch!
Die Wirtin nimmt die Bestellung auf. Doch sie hat kein Fleisch. Das freut den Markku aber gar nicht. Er stänkert  rum da sie ihm gerade eine Flasche Wein geöffnet hat, die er in dem Fall auch nicht mehr haben will. Die Wirtin schlägt vor, dass sie im Supermarkt für ihn Fleisch holen könne. Doch der Supermarkt ist leer, das ganze Fleisch wurde bereits von uns aufgekauft!

Also ich muss hier meine negative Einstellung zu Beamten etwas revidieren:
Die sind hier ja voll nett!

January 5 2016

Puerto Santa Elena

In Mar del Plata treffen wir noch die letzten Vorbereitungen für die grosse Fahrt nach Patagonien. Diesel tanken ist angesagt. Der Diesel vom Fischereihafen sei total mies und schlecht. Also leihen wir uns eine Schubkarre vom Yacht Club Argentino und holen die 300 Liter eben zu Fuss bei der Auto Tankstelle. Beim dritten Mal bezahlen will die Kreditkarte nicht mehr! Also zurück zum Schiff, mit SKYPE der Bank anrufen. Die Karte wurde gesperrt, weil das System einen Betrug vermutet hatte. So viel Diesel passt unmöglich in ein Auto oder so muss sich der Computer gedacht haben. Die Sachbearbeiterin schaltet die Karte wieder frei. Ich gebe meine Karte Thomi (seine ist ja wegen Betrugs gesperrt), damit er alleine gehen kann. Ich brauche mal schnell eine Pause. Es ist fast 40 Grad heiss. Doch kurz darauf kommt er wieder. Ohne Diesel. Der Typ an der Tankstelle hat die Karte nicht mehr akzeptiert, weil da ein Frauenname drauf steht! Also musste ich doch wieder mit. Diesmal fehlte mein Pass! An manchen Tagen ist so eine Reise einfach zum durchdrehen!
Wir reisen einen Tag nach der Kalibu und der Cara Mia ab. Übrigens der Yacht Club Argentino hat draussen in der Bucht zwei gelbe Bojen, an denen du kostenlos festmachen kannst. Für an den Stegen anlegen, zwicken sie pro Tag 50 Dollar ab, zwei Tage sind frei. Unverschämt teuer!


Gemeinsam mit den Franzosen Shu In und Laurent von der Galatée ziehen wir gegen Süden los. Beide treffen sozusagen glichzeitig, nach fünf Tagen auf See in der Bucht von Puerto Santa Elena ein. Wieso die Bucht den Namen “Puerto” trägt, ist mir unerklärlich. Da ist nix! Nicht mal der Leuchtturm funktioniert. Nur sechs Menschen leben auf drei Haciendas erzählt uns Juan. Ich frage ihn, ob er Schaffelle für unsere Betten verkauft. Er habe viele davon. Er rennt nach Hause und schenkt uns zwei! Ach wie lieb!  Die Felle waren ungegerbt, blutverschmiert und stinken. Ich müsse sie noch waschen, dann werden sie schön! Doch so viel Süsswasser haben wir nicht an Bord!  Iris und Mirj, danke für eure Recherche im Internet wie ich die Teile behandeln muss. Irgend wann haben wir die Dinger dann doch den Delfinen gespendet! Nun schwimmen zwei Delfine im Schafspelz im Atlantik 😉

In der Bucht finden wir das erste Kelp. Eine grosse Seealgenart die in grossen Mengen in Patagonien vorkommt. Alle Algen können übrigens gegessen werden. Sie sind äusserst schmackhaft und erst noch gesund. So wird’s gemacht: Erst dreiviertel Stunden im Süsswasser einlegen, dann mit Zwiebeln gedünstet schmeckt diese Pflanze super lecker! Nicht salzen, ist schon genug salzig! In der Bratpfanne wird alles erst mal recht schleimig und sieht gruselig aus. Einfach weiter braten. Wenn die Schleimerei aufhört, ist das Gemüse gar.
Guten Appetit!