October 2 2021

Zwischenstop in Crescent City, Kalifornien

Gerade noch kurz bevor der Sturm lostobt, liegt die Robusta im sicheren Hafen. Zwischen überdimensional fetten, hoch  in den Himmel ragenden Pfeilern, an denen die Schwimmpontons jetzt noch sanft schaukeln. 

Schnell Einchecken und eine ausgiebig heisse Dusche und dann richtig fest ausschlafen. Egal an welchem Hahn gedreht wird, die Temperatur ist unmöglich zu regulieren. Wir beide schaffen es nicht das feuerheisse, schlappe Gedröppel zu beeinflussen. Nicht frisch geduscht, starren wir beide entsetzt auf eine im Hafen angebrachte Informationstafel. Ich bin geschockt über die Gewalt. Kannst du dir vorstellen wie laut es in solch einem Moment ist? Ich blicke erschrocken um mich. Wo müssten wir hinrennen?  Seit 1933 wurden in Crescent City 32 Tsunamis beobachtet. Fünf davon richteten Schäden an. Der Hafen wurde 2006 durch einen Tsunami stark beschädigt und 2011  durch ein weitere heftiges Ereignis komplett zerstört. Du kannst im Netz eine Tsunami Walking Tour für diese Stadt downloaden. Es fing 1964 mit einem 9.2 Magnitude starkem Erdbeben an. Die 21 Fuss hohe Welle zerstörte 290 Häuser. Dabei verloren 11 Menschen ihr Leben. 

Jetzt erstmal gute Nacht!

Das Zentrum liegt eine halbe Stunde Fussmarsch vom Hafen entfernt. Weiss jetzt gerade nicht wie ich diesen Ort beschreiben soll. Wir fragen uns, warum um Himmelswillen hier nur Menschen wohnen können? Oder warum jemand hier Urlaub macht? Das Kaff kommt uns absolut schief rein. Doch nur wenige Meilen entfernt liegen die berühmten Redwood Wälder von Kalifornien mit ihren gigantischen Zedern. Da wollen wir hin. Im Touristenbüro decken wir uns mit Infos ein. Die nette Dame markiert im Fahrplan den Bus und die Abfahrtzeiten. Im Wald angekommen, fragt der Busfahrer wie wir gedenken nach Crescent zurück zu kommen. Wegen Covid19 ist da nur noch einer pro Tag. Beim Einsteigen ist ihm diese Frage noch nicht in den Sinn gekommen. Können ja ein Baumhaus bauen. Eine Mitarbeiterin vom Park, versucht ohne Erfolg einen Taxi in den Wald zu locken. Sie bietet uns an, nach der Arbeit nach Crescent City zu fahren, obwohl sie in der entgegengesetzten Richtung wohnt!

So und nun kümmern wir uns um die Sturmschäden und die nasse Wäsche. Das von mir neu genähte Lazy-Bag ist demoliert. Bei genauerer Betrachtung ist alles nur halb so schlimm. Der Stoff ist nicht beschädigt. Doch die Leinen sind gerissen und die neuen Fixierungen am Baum abgebrochen. Ich habe im Fachgeschäft noch rumgestänkert, weil die nur in Plastik erhältlich sind. Moderner Seich. Jetzt ist das Lazy-Bag mit soliden Schrauben und mit massiven Schrauben am Holzbaum festgeschraubt. Toll im Hafen hat es eine neue moderne Waschmaschine. Doch niemand darf sich ihr nähern. Wegen Covid19! Wieder mal so eine Regel die ich schlecht verstehen will. Die nächste Wäscherei liegt eine halbe Stunde zu Fuss entfernt. Die Taxis hat wohl der letzte Tsunami verschluckt. 

Wetter ist wieder gut zum Segeln – also jetzt aber nichts wie weg hier! Die Hochdruckintervalle fallen immer kürzer aus. Das wird wieder eine knappe Kiste. Wollen wenigstens das das Kap Mendesino hinter uns haben. Freuen uns schon riesig auf die Bay Area! Vor allem bin ich gespannt, wie sich meine Lieblingsstadt San Franzisko verändert hat.

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September 25 2021

Überfahrt von Seattle zum Goldenen Tor

Den letzten Abend in Port Townsend verbringen wir mit unseren Seglerfreunden Jennifer und John, die nun endlich von Alaska wieder nach Hause gekommen sind. John springt nervös vom Sofa. Er hat soeben eine Anfrage von einem Bekannten aus Kanada erhalten, ob er nach San Franzisco segeln wolle. Na perfekt. So sind wir nun zwei Yachten mit dem selben Ziel. Drew wird die nächsten Tage in die USA einreisen. Die Grenze ist für den Freizeitverkehr noch immer zu. Wir sind zuversichtlich. Er wird, wie von uns empfohlen, einen Bogen um Friday Harbor segeln und in Port Angeles einklarieren. Ich denke bei uns allen hat es geklappt, weil wir nach Mexiko wollten und somit die Reise unter Transit läuft.

Paar Tage später tut sich das lang ersehnte Wetterfenster auf. Ich schätze es, die bevorstehende Herausforderung mit zwei erfahrenen, ortskundigen Segler zu planen. Sie leihen uns einen tollen Segelführer aus. Charlies Charts, US Pacific Coast. Den werde ich ihnen von San Diego wieder zurück schicken. Weiter nutzen wir den US Coast Pilot Nummer 7 und 10.

Diese Küste ist schon so manchem Seefahrer zum Verhängnis geworden. Die starken Strömungen machen diese Küste so gefährlich. Auf Grund der gegenläufigen Hauptströmungen mischt sich kaltes Oberflächenwasser aus Nord mit dem warmen Wasser aus Süd, was die See gut aufmischt. Zusammen mit dem Wind herrschen oft Wind gegen Strom Verhältnisse was zusätzlich eine steile hackige See verursacht. Vor den Häfen liegen Sandbarren die nur in ruhigen Bedingungen oder allenfalls nur mit Hilfe der Küstenwache angefahren werden dürfen. Diese vermeintlich sicheren Orte werden schnell mal aus Sicherheitsgründen von der Coast Gard geschlossen.. Crescent City ist der einzige Hafen der immer offen ist. Cape Mendosino ist ein weiterer Knackpunkt auf dieser Strecke. Dort pustet es auch immer kräftig. Die beste Zeit um dieser Küste entlang zu segeln ist Sommer bis Mitte September. Ab Herbst ziehen die aus West über den Pazifik reinlaufenden Tiefs immer südlicher durch und bringen starken Südwind.

Rückblickend sind wir zu spät los. Wir beide haben schon so manche Seemeilen unterm Kiel, doch diese Überfahrt geht in die Kategorie schlimm – jedenfalls für mich! Unsere Freunde wollten uns folgen. Doch der Nordwind hat sich wohl bis nächsten Sommer verabschiedet. Schade.

Letzter Sicherheitscheck steht an: Das Gefährt muss in bestem Zustand sein! Motor wird eingehend unter die Lupe genommen, Rigg kontrollieren, dabei muss jemand auf den Mast klettern, um alle Wanten nach fehlenden Splinten oder anderen Schäden zu überprüfen. Vor allem den Splinten traue ich nicht mehr, obwohl sie längst allesamt ausgetauscht sind. Die vom AWN in Neuseeland sind absolute Schundware! Gummis der Luken habe ich letzte Woche schon in Silikon eingeweicht damit alle Fenster bestimmt dicht sind. Schwerwetterklamotten, Schwimmwesten mit Sicherheitsleinen und warme Pullis sind einsatzbereit. Wasser und Diesel sind getankt, Proviant und alles was rumfliegen oder klappern kann ist ordentlich verstaut.

Alles scheint perfekt.

Geplant ist, die rund 700 Seemeilen ohne Zwischenhalt bis nach San Francisco durchzusegeln. Stecken einen Kurs von mindestens 60 Seemeilen von der Küste entfernt ab, um so dem Frachtverkehr und den lokalen Krabbenfischern auszuweichen. Der Nachteil, weiter draussen ist die See unruhiger.

In der Straight of Juan de Fuca, der Meerenge zwischen Kanada und den USA, fegen heftige Böen von den Berghängen herunter. In der Naeh Bay, einer kleinen „First Nation Siedlung“, die wegen Covid19 gegen aussen abgeschottet ist, verbringen wir die Letzte Nacht vor dem Absprung ohne Landgang. Eine unruhige Nacht. Der Ankergrund ist mies und die heftigen Böen bringen die Robusta ins Rutschen. Nach dem dritten Umankern ist dann gut.

Drew und John wecken uns als sie bei Sonnenaufgang aufbrechen. Wir warten noch zwei Stunden bis sich der Südwind doch noch etwas beruhig und die See nicht mehr über die Mole kracht. Der erste Schlag ist hart. Mit Sturmfock und Grosssegel im dritten Reff, stampft die Robusta flott in die vom vorangegangenen Sturm aufgewühlte See. Beim Cape Flattery, spritzt die Brandung eindrücklich den Felsen empor. Doch der Spass hält nicht wie gedacht an. Statt wie im Wetterbericht prognostiziert sollte der Wind am Nachmittag langsam über Ost nach Nord drehen. Der bilderbuchmässige Drall bleibt aus. Zwei qualvolle Tage ohne Wind folgen. Mit Drew und John stehen wir per Funk im Kontakt. Sie motoren. Ihre Position liegt  etwa 100 Seemeilen weiter südlich. Zur Belohnung erwischen sie den Nordwind früher. Drei Tage um die 30 Knoten. Die beiden leiden. Inklusive Kotzen. Unter Motor bei diesen Bedingungen Diesel verbraten, ist uns zu anstrengend. Das Schiff schaukelt extrem. Ohne Segel erst recht. Trotzdem sind wir beide nicht Seekrank. Haben wir noch nie erlebt. Mussten auch noch nie Medikamente einnehmen! Der Hunger wäre da, aber alles ist zu anstrengend. So stopfen wir halt je eine Schachtel Kekse liegend in uns hinein. Ich bekomme starke Kopfschmerzen. Das wohl weil mein untrainierter Nacken sich durch das Rollen komplett versteift hat. Ich bin kaputt. Geschlissen. Thomas übernimmt alles. Sogar die Fütterung des Monsters. Ich schäme mich.

Unter Segel ist alles wieder angenehmer. Doch im folgendem Wetterbericht poppt da ein Tief direkt vor uns auf. Ein kleiner Keil mit Lila Auge. Lila – eine Farbe auf der Wetterkarte, die kein Segler mag. Ausweichen geht nicht mehr. Jetzt aber Schotten dicht! Schwimmwesten mit Sicherheitsleinen anlegen. Reff ins Gross binden, Klüver weg. Sturmfock steht schon. Innen nochmals kontrollieren, ob alles gesichert ist. Seeventile zu, Lüfter schliessen! Es ist kalt. 10 Grad. Das Wasser etwa gleich. Über Bord gehen ist verboten! So unser Motto. Die Windsteueranlage arbeitet grossartig. Es ist so dunkel wie in einem Kuhmagen. Der Regen, der so dringend an Land erwartet wird, prasselt wie ein Wasserfall in die See. In der Robusta ist es laut wie wenn jemand eine Toilette spült. Thomas hat es sich mit seiner Matratze so halbwegs am Boden bequem gemacht. Mich hats gerade aus der Koje quer durchs Schiff geschmissen. Paar Beulen – sonst nichts. Hat die Kopfscherzen jedoch nicht gerade gelindert. Ich muss aufs Klo. Akrobatik pur ist angesagt. Mit einer Hand sich von der Wand wegstemmend die Hosen runter kurbeln – auf den Thron klettern – später wieder Hosen rauf und am besten vorher noch die nun gefährlich schwappende gelbe Suppe abpumpen. Es wird zu heftig. Beidrehen. Das Manöver gelingt nicht auf Anhieb. Die anrollenden Wellen drücken den Bug wieder auf die andere Seite. Doch nun liegt die Robusta für die Verhältnisse relativ ruhig und stabil, mit etwa vier Knoten driftend in der See. Die Wanten singen und flössen mir dabei ungute Gefühle ein. Die Robusta neigt sich so weit zur Seite, dass Wasser ins Cockpit strömt. Thomas brüllt das Gross muss weg! Deckslicht an, ich leuchte Zusätzlich mit der Taschenlampe. Die Sicherheitsleine ist verheddert. Dann sehe ich Thomas nicht mehr. Habe ihn doch nur für einen kleinen Augenblick aus den Augen gelassen um einen Blick auf die Windanzeige zu werfen. Nun kommt die Filmrolle aber ins spulen. Die Mann über Bord Taste zu drücken, ist mir so spontan nicht in den Sinn gekommen. Ich war wie paralysiert. Aus den abscheulichen Gedankennebel poppe ich raus, als durch das Getose der Befehl Reffleinen dicht, schwach erkennbar durchdring. Zwei Minuten, nicht mehr, aber so viele Gedanken schossen durch meine Gehirnwindungen und lösten dabei einen Heulkrampf aus – aber erst als alles wieder unter Kontrolle war. Das ist das erste mal wo ich mich so derart mies gefühlt habe. Nicht seekrank. Oder vielleicht doch? Nach einigen Stunden, so mit nun nur noch 30 Knoten Wind, beruhige auch ich mich wieder und mache mich ans Aufräumen. Thomas hat jetzt eine Pause verdient. Im Spülbecken stapelt sich das Geschirr der letzten Tage. In der Bilge schwappt eine braune Brühe. Herkunft noch unklar. Die Farbe erinnert an nichts schönes. Im Klo herrscht Chaos pur. Die Schapps sind sozusagen leer. Der Inhalt des Mülleimers, hauptsächlich aus Klopapier bestehend, liegt vermischt mit Zahnbürsten, Shampoo, Creme, Tücher und Waschlappen und Jacken am Boden. Immerhin trocken. Oelzeug und haufenweise nasse Klamotten liegen verstreut rum. Polster sind auch Nass. In der einen Decke klebt noch ein angeknabbertes Nutellabrot. Das Leintuch weist durch den ausgeschütteten Kaffee eine neue Musterung auf.

Der nächste Wetterbericht passt echt wieder überhaupt nicht ins Konzept. Wind von Süd direkt auf die Nase! Der Beschluss fällt schnell. Crescent City liegt 60 Seemeilen querab. Die Küste ist zwar mit vorgelagerten Felsen gespickt, die Hafeneinfahrt ist jedoch gut anzulaufen. So stets jedenfalls im Führer beschrieben.

 

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September 10 2021

The American Dream

Unter Segel sausen wir ins Ankerfeld vor Port Townsend. Tom und Tatj sind da! Das muss gefeiert werden. Obwohl Covid19 nach wie vor das Weltgeschehen beherrscht, und wie auch anderswo die Grenzen zu sind, gelang es ihnen ebenfalls von Kanada in die USA einzureisen. Es mag dich lieber Leser irritieren, dass es Leute gibt, die sich nicht an Bestimmungen halten. Uns ist bewusst, es ist nicht die richtige Zeit zum Reisen. Doch die Pandemie hat uns am anderen Ende des Globus erwischt. Zehntausende Seemeilen von zu Hause entfernt. Ein Traum, mit jahrelanger intensiver Vorbereitungszeit, die Welt mit einem kleinen Segelkahn, ohne jeglichen Luxus zu umrunden, ist zur Zeit echt erschwert. Nur wenige Regierungen haben die Aufenthaltsgenehmigungen der steckengebliebenen Segler auf Grund der Pandemie automatisch verlängert – nicht so die USA. Glaub mir, wir tun alles um die Ausbreitung des Virus zu verhindern. So bitte hab Verständnis für den Versuch Regeln zu umgehen. Für einen Neuanfang in der Heimat, Job finden, Wohnung suchen und so weiter, ist ebenfalls nicht der Ideale Zeitpunkt.

Themawechsel:

Die hübsche Kleinstadt ist von einem Fisch-Dosen-Futter-Fabrikanten-Ort zu einem beliebten Touristenziel mutiert. Flanierzone und Strassenkneipen, schöne Geschäfte, Museen und die viele gut erhaltene alte Viktorianische Häuser. Wir stromern Stunden rum und sammeln dabei Beeren und mehr. In einigen Gärten oder an Obstbäumen sind Schilder angebracht, die einladen sich zu bedienen. Fast in jeder Strasse steht ein hübsch gestalteter kleiner Kasten in dem Anwohner bereits gelesene Bücher für die Nachbarn zur Verfügung stellen.

Jenifer und John wohnen hier. Wir kennen sie vom Segeln in Alaska. Doch sie kommen erst ende Monat nach Hause. Sie verraten uns jedoch wie wir in ihr Haus kommen. Das Auto stehe auch zur Verfügung. Legt euch einfach in unser Bett und fühlt euch wohl. Unglaublich lieb und unkompliziert! Wir waschen dort unsere Wäsche und weichen uns in der Badewanne ein. Wohnen aber weiterhin auf der Robusta. Wollen sie nicht unbeaufsichtigt am Ankerplatz lassen.  Revanchieren können wir uns nicht. Es sei alles organisiert. Thomas kehrt das Laub im Garten zusammen. 

Ein Ausflug in die Grossstadt Seattle steht als nächstes auf dem Plan. Ankern geht dort nicht. Doch gegenüber von Seattle, in der Bucht von Bainbridge, ist das möglich. (Sehr eng und voller Ankerbojen. Uns ist jedenfalls eine Leine in den Propeller geraten.) Doch der Ort ist perfekt um mit der Fähre mitten ins Zentrum von Seattle zu gelangen.

Schlendern durch die Schluchten von Hochhäusern mit ihren auf Hochglanz polierten Glasfassaden. Moderne Architektur vom Feinsten. Alles extrem eindrücklich! Sowas ist für uns Schweizer ein ganz besonderes Erlebnis. Doch die Stadt ist nahezu Menschenleer. Viele Schaufenster sind mit Bretter verrammelt. Davor stehen riesige, muskulöse, breitschultrige, bewaffnete Männer in Uniform. In der Apotheke werde ich von einem Polizisten bedient. Mitten in der Stadt pennen auffallend viele verwahrloste Menschen. Etwas Schutz suchend vor Hauseingängen oder auf einer Bank. Teilweise sind ganze Strassen mit Zelten oder provisorischen Schlafstätten geziert. Traurige Menschen sitzen sprachlos mit Kartonschilder auf den Knien da und betteln um Geld oder Essbarem. Extrem fallen mir die vielen psychisch angeschlagenen Menschen auf. Entweder wird laut gestikuliert, gestritten und sie sind arg verwahrlost und offensichtlich von irgend einer oder mehreren illegalen Substanzen zugedröhnt. Ich als gestandene Sozialarbeiterin, wechsle sogar die Strassenseite oder nehme einen Umweg in Kauf.

Eine Betroffene vermittelt mir ein grobes Bild der Situation. Ich kam mit ihr in einer öffentlichen Toilette ins Gespräch wo sie sich gerade etwas frisch machte. Ihren Job hat sie noch. Doch wegen der Pandemie wurde ihr Pensum gekürzt. So konnte sie die Miete nicht mehr bezahlen und lebt nun in ihrem Auto. Ihre kleine Tochter ist bei einer Pflegefamilie untergebracht.  So vom Staat verordnet, bis sie ihre Lebenssituation verbessert hat! Durch diverse Medien war ich schon etwas vorbereitet. Doch aus nächster Nähe vor Ort das Elend und eben die frappanten sozialen Unterschiede zu sehen, ist nochmal eine andere Nummer. Ich hätte alles vor ein paar Monaten sehen sollen. Da standen Zelte und provisorische Behausungen auf jedem grünen Flecken der Stadt. 

Und wo sind diese Menschen jetzt? Wie ist alles soweit gekommen?

Sind ganz erschlagen von all den intensiven Eindrücken der Grossstadt. 

Vor etwa drei Jahrzehnten lebte ich für ein paar Jahre in Kalifornien. Meine ersten Eindrücke – so viele Jahre später, stimmen mich sehr nachdenklich. 

So viel zum American Dream! 

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August 22 2021

San Juan Islands, Washington

Müssen uns nach Monaten in der Wildnis erst wieder an die Zivilisation gewöhnen. Zur Zeit sind Schulferien und darum ist in den San Juan Inseln der Bär los.  Jeder Ankerplatz ist völlig überfüllt. In Alaska und Kanada waren sozusagen keine anderen Boote. Immer wieder mal kommt uns eine Yacht bedrohlich nahe. Wie ist denn sowas nur möglich? Irgendwann reichts. Paddeln mit paar Ruderschlägen zur nächstgelegenen Yacht um das Problem zu lösen. Bei einer Wassertiefe von 6 Meter haben sie 100 Meter Leine ausgelegt.  Ach so, die Robusta hängt nur an 20 Meter Kette. Sorry, wir sind zwei panische Ingenieure. Offensichtlich können die beiden nicht so gut rechnen. Liegen mehrere Boote in einer engen Bucht, wäre die Norm, drei bis fünffache Kettelänge im Verhältnis zur Wassertiefe zu stecken. Mit anständigem Ankergeschirr versteht sich und auf die Wetterlage abgestimmt. Es ist windstill. In stürmischen Verhältnissen gilt je mehr Kette desto besserer Halt. Eine Schnur zur Sicherung einer nicht gerade kleinen Yacht und deren Crew?

Funkkanal 16 läuft auch schon glühend heiß. Mayday, Pan Pan, Security! Motorschaden – auf Grund gelaufen – Kelp im Propeller – Wassereinbruch – unbemanntes Dinghi saust durch die Bay….. Horror! Zur Krönung der Szenerie: Eine Schulsegelyacht kann den Anker nicht heben. Wir versuchen zu helfen. Erfolglos. Ein Taucher muss vom Festland kommen, denn am Anker hängt ein fettes Kabel. Eine Trippleine wäre hilfreich gewesen. Hoffe es handelt sich dabei nicht um die Telefonleitung der Inselgruppe. Das wäre immerhin die Erklärung warum unser Telefon schon wieder nicht funktioniert.

Da liegen nun so viele Sportboote, doch niemand besucht sich gegenseitig. Sind etwas enttäuscht. Vor allem nach fast vier Wochen langer Quarantäne während der Passage durch Kanada, hätten Kontakte zu anderen Menschen uns gut getan. Selbst nach mehreren Anläufen ist daraus nie etwas entstanden. In der Langfahrtenszene sind wir ganz anderes gewohnt. Die Yachties sind stets offen für gegenseitige Besuche. Dabei ist es üblich seine Getränke selber mitzubringen und eventuell noch einen kleinen Snack dazu. Weiss nicht woran es liegt. In Alaska haben wir die Amis immer sehr kontaktfreudig und spontan erlebt. Ist Covid19 der Grund für die Kursänderung?

Auf Steward Island treffen wir endlich mal die beiden Schweizer Segler Hansueli und Helene. Wir sind bereits seit vielen Jahren immer mal wieder per email im Kontakt. Jetzt treffen wir uns das erste Mal persönlich. So verbringen wir einige nette Tage gemeinsam mit Wandern, Beeren sammeln und was Schweizer nebst Fondue essen sehr gerne tun – mit Jassen. Dabei handelt es sich um ein traditionelles Kartenspiel, welches zu viert gespielt wird.

In Friday Harbor müssen wir dringend wieder mal einkaufen. Doch erst will ich Custom und Border Protection unsere Position melden. Ausländische Yachten sind in den USA verpflichtet, sich in jedem Port of Entry zu melden. Eigentlich gibt es dazu eine App. Doch selbst der IT Spezialist Thomas bekommt eine Krise. So melde ich mich per Funk. Schnell stelle ich fest, die Person am anderen Ende ist eindeutig mit dem falschen Bein aufgestanden. Wagt es bloss nicht über die Grenze zu kommen! Nach intensiver Erklärung ist alles in Ordnung. Wow, Friday Harbor ist eindeutig nicht der Ort um während der Pandemie die geschlossene Grenze zu passieren! Die Gerüchte bestätigen sich. Sind froh, haben wir den Umweg nach Port Angeles auf uns  genommen um dort einzuklarieren!!! Da die Marina unerhört teuer ist, schmeissen wir den Anker und schippern wie immer mit dem Dinghi an Land. Alles ist super herausgeputzt. Die Geschäfte sind mit Kram vollgestopft, den niemand wirklich braucht. Das Wandergebiet ist auch arg geschrumpft. Das kann ich beurteilen, weil wir einen zehn Jahre alten Reiseführer besitzen. Die Inseln werden offensichtlich mehr und mehr mit tollen Villen oder Hotels für die obere Klasse zugebaut.  Schade für die schöne Landschaft. 

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August 12 2021

USA noch immer zu – was nun?

Von der Hitzewelle ist noch immer nichts zu spüren. Im Gegenteil. Die Sommerklamotten lagern noch immer ganz tief unten in den Schapps und das im August! Bei dichtem Nebel entstand ein sorgfältig ausgearbeiteter Schlachtplan mit den anderen beiden Yachten, die auch über die Grenze müssen. Nach Prüfung aller Infos aus den verschiedensten Quellen, fällt die Wahl für den Versuch in die USA einzureisen, auf Port Angeles. Denn Friday Harbor muss mit Beamten der härteren Sorte bestückt sein. Bekannte sind im letzten Herbst beim Versuch dort einzuklarieren, im Knast gelandet (die beiden sehen nun wirklich nicht kriminell aus). Nach allem Stress endete ihre Story doch noch positiv. Eine andere Yachties mussten 5000 Dollar blechen und ihr B1B2 Visa wurde annulliert. Robusta wird als Versuchskaninchen vorgehen. Dieser Entscheid fiel nicht bei einem Trinkspiel, sondern wir müssen als erstes raus aus Kanada. Die anderen Kollegen werden je nach dem folgen, oder ihr Glück an einem anderen Port of Entry versuchen. Im Noonsite steht geschrieben (Infoseite für Weltumsegler), falls die Einreise nicht klappt, lohnt sich ein Versuch am nächsten Port of Entry. 

Wie durch ein Wunder, funktioniert plötzlich unser Telefon wieder. Perfekt, denn die Einreise auf dem Seeweg soll 96  Stunden zuvor bei CBP (Custom and Border Protection) per Formular angekündigt sein.  Die letzte Nacht in Kanada verbringen wir in Becher Bay, in der Nähe von Victoria. Beide tun wir kein Auge zu. Einerseits  wegen vieler Gedanken die im Kopf rumschwirren falls  es nicht klappt und auch weil wir traurig sind. Ich denke nicht, dass wir jemals wieder die Gelegenheit bekommen an die Westküste von Kanada zurück zu segeln. Dieses Kapitel ist ein für alle Mal abgeschlossen.

Sobald der Anker gelichtet ist, rufe ich mit dem frisch erwachten Handy CBP in Port Angeles an. Was wenn zur Antwort kommt, ihr könnt nicht einreisen? Das würde bedeuten 1300 Seemeilen direkt nach Mexiko zu segeln. Das ohne vorher einkaufen zu dürfen…. Bei dieser Vorstellung verkrampft sich mein Magen. Drei mal hänge ich das Telefon wieder auf bevor eine Verbindung zustande kommt. Nochmals bespreche ich mit Thomas, was ich sagen soll und wie allenfalls zu reagieren. Die Stimme am anderen Ende der Leitung tönt einigermassen freundlich. Bekomme die Anweisung, in der Marina bei der Tankstelle anzulegen. Schiffsdaten und unsere Namen angeben. Das wars. Die gelbe Quarantäne Flagge flattert ja nun schon fast einen Monat am Mast. Der Wind ist perfekt. Über der Strait of San Juan de Fuca liegt Nebel. Das Verkehrstrennungsgebiet ist zu kreuzen. Ein Kapitän bittet über Funk hinter ihm zu passieren, da sein  Gefährt schlecht manövrierbar sei. Wau der Pott der jetzt aus dem Nebel auftaucht, ist echt riesig. Krass. Zwei mal wenden und die Robusta segelt mit gebührendem Abstand an seinem Heck vorbei.  Evergreen? Dieser Pott steckte doch im Winter im Suez Kanal fest und blockierte somit für mehrere Tage den ganzen Schiffverkehr?! Diesem Kapitän wäre ich auch freiwillig ausgewichen…. schade habe ich es nicht vorher realisiert. Hätte mindestens einen Spruch sausen lassen müssen.

Zwei Beamten schreiten die Rampe herunter auf die Robusta zu. Wir, brav mit Covid Schnauzie und Schweizer Bernhardiner Blick, für das Urteil bereit.

Zur Begrüssung schiebe ich folgenden Satz vor: Uns ist bewusst, wir sind zur falschen Zeit am falschen Ort. 

Fünf Minuten später sind wir wieder weg. Nun mit Kurs auf die San Juan Inseln. Und stellt euch vor, das mit einer neuen Crewsing Licence und einer Aufenthaltsgenehmigung von weiteren sechs Monaten. Unendlich erleichtert, freuen wir uns schon tierisch auf den Landgang. Weiss gar nicht ob wir noch laufen können. Motoren und Quarantäne ist schon etwas sehr unsportlich. Die beiden anderen Yachten haben ein paar Tage später die Prozedur ebenfalls überlebt. Warum es geklappt hat, wissen wir alle nicht so recht. Doch der Fakt, dass alle drei Yachten auf Weltumseglung sind und weiter nach Mexiko ziehen werden, mag ein Grund dafür gewesen sein. Offiziell ist die Grenze jedenfalls noch immer zu. Das nun schon seit März 2020.

 

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August 2 2021

Transit durch Kanada

Auf der Seekarte sieht alles extrem spannend aus. Hunderte Inseln und Kanäle kreieren zusammen mit den mehr oder weniger fetten braunen Strömungspfeilen, welche in unterschiedlichste Richtungen zeigen, ein echtes Kunstwerk. Doch momentan ist die Landschaft nur mit viel Fantasie durch fette Nebelschwaden zu erahnen. Von der extremen Hitzewelle in Kanada spüren wir  rein gar nichts. Jetzt regnet es auch noch. Egal. Spielt ja unter Quarantäne keine Rolle. Dürfen eh nicht vom Boot oder auch keinen Besuch empfangen. Quarantäne ist wie eine lange Ozeanpassage, nur noch etwas spannender und anspruchsvoller. Jede einzelne Seemeile muss sorgfältig geplant werden. Segeln in Kanälen bedeutet Gezeitenströmungen nutzen und viele Male wenden und halsen – das alles in bezaubernd wilder Natur. 

Am ersten Ankerplatz poltert es energisch am Boot. Was ist denn jetzt los? Küstenwache? Schon jetzt? Haben doch noch gar nichts verbrochen! Sind wir nun unter voller Kontrolle? Ich werde paranoid. Erschreckt hechten wir in einem Satz aus den Kojen ins Cockpit. Das kann doch jetzt wirklich fast nicht möglich sein! Dazu muss ich erstmal ein wenig ausholen. Vor einigen Monaten, berichtete eine Kollegin aus Deutschland, sie kenne Segler die zur Zeit in Kanada sind. Ist mir exakt vor wenigen Minuten in den Sinn gekommen und so schrieb ich ihnen eine Mail. Nun dürfte es nicht mehr schwer  zu erraten sein, wer da grinsend aus einem Dinghi glotzt. Was für ein Zufall! Kanada ist ja wirklich nicht klein. Die beiden wollen, oder präziser ausgedrückt, müssen in wenigen Wochen aus Kanada ausreisen und sind somit ebenfalls in Richtung Süden unterwegs. Was für ein Mist. Ihre Situation ist ähnlich. Ich platze fast vor Aufregung. Bin total neugierig was für einen Covid19 – Schlachtplan sie ausgearbeitet haben. Später lernen wir noch Segler aus Holland kennen. Die müssen auch bald aus Kanada raus. Ich liebe auf einmal den Nebel. Wir fühlen uns wie kleine Kinder, die heimlich unter der Bettdecke Schoggi verschlingen.

Für den Transit durch Kanada hat Thomas in Alaska eine neue Prepaid SIM Karte gekauft. Diesmal  von AT&T. Geht auch für Kanada und Mexiko. Doch das blöde Teil funktionierte nach einem Tag bereits nicht mehr. Auf einer langen Passage über den Ozean ist klar, da ist kein Empfang. In der Wildnis geht logischerweise auch kein Handy. Aber selbst in Shearewater ging nix. Ankern gleich hinter dem riesigen Trümmerhaufen aus Stahl, Beton und Armierungseisen, in denen sich Baumstämme verfangen haben. Der ganze Schrotthaufen ist nicht in der Seekarte vermerkt! Ganz schwach bekommt Thomas eine Verbindung zu einem offenem Wifi. So wende ich mich per Chat an AT&T. Stunden später kam zur Antwort, bitte der Hotline anrufen. Wie denn wenn das Telefon nicht geht?

In ein paar Tagen könnte sich  an der Grenze etwas ändern. Wie kommen wir an diese Infos? Das ist nun wirklich doof. Vor allem müssten wir uns täglich melden. Die elektronische Krankenschwester, oder die Schwester unter Strom oder wie auch immer, vom Arrive Canada App, erwartet täglich Auskunft, ob Covid19 schon ausgebrochen ist. Hoffentlich verpetzt die Stromschrulle uns nicht, wenn keine Antwort kommt. Jetzt wäre ich zum ersten Mal gerne stolze Besitzerin eines Satellitentelefon.

Am Tag 6 kam die Aufforderung  für einen Covid19 Test. Tag 7, erste Mahnung, Tag 8 zweite Mahnung, Tag 9 Bussandrohung in schwindelerregender Höhe von bis einer Million Kanadischen Dollar. Doch diese Nachrichten konnten wir erst Wochen später abrufen, nämlich als das Telefon plötzlich wieder funktionierte. Alles ohne böse Folgen. Für den Transit wird weder Test noch Impfung verlangt. 

Dringt die Sonne durch den Nebel, erscheint die Landschaft in einem ganz besonderen Licht. Rosa, Orange, Blau, ja das ganze Spektrum ist vertreten. Es ist ein Jammer so schnell vorbeiziehen zu müssen. Ich liebe den Nebel.

Von wegen die Hoffnung stirbt zuletzt; Zum Erstaunen vieler, bleibt die US-amerikanische Grenze zu. Kanada öffnet hingegen nur für voll geimpfte US-Bürger. Für uns, wo wir nun schon über drei Wochen unter Quarantäne sind, ändert sich nichts. Denken wir an unsere Familien und Freunde zu Hause, fühlen wir uns hingegen echt gut. Covid19 ist bei Telefongesprächen zum absoluten Reizwort mutiert. Mit den einen diskutiere ich schon gar nicht mehr darüber. Das Thema ist zu explosiv und manche Haltungen kann ich nicht nachvollziehen. Ich bin auch nicht zu Hause im Alltag.

Auf halbem Weg der Passage, baut sich  das perfekte Wetterfenster auf. Statt unter Motor durch die Kanäle zu tuckern, segeln wir an Vancouver Island auf dem Pazifik aussen rum. Nicht zu wissen, was an der geschlossenen US-Grenze geschehen wird, belastet unser Gemüt. 

 

 

 

 

 

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July 14 2021

Lassen uns die Kanadier rein???

Morgens um vier trinkt Thomas starken Kaffee und tuckert mit der  Robusta mit dem Ebbstrom aus der idyllischen Ankerbucht. Wir sind beide super nervös. Die Anspannung entlädt sich kurz vor der Grenze in einem heftigen Zank. Den Zunder dazu liefert die Flüssigkeit für Thomas E-Zigaretten. Die ist gelb und stinkt wie Pisse! Das kann doch nicht sein!

Nach zwölf Stunden Fahrt unter MOTOR, finden wir in Prince Rupert den Steg der Cow Bay Marina nicht. Wir wären pünktlich gewesen. Doch die Seekarten sind so mies und die Position, die ich vom Zoll bekommen habe, stimmt nicht! Ich muss anrufen. Als erstes werde ich mit diversen Fragen bombardiert. Unter anderem wie lange der Transit dauern soll. Spontan setze ich bei vier Wochen an, was am anderen Ende der Leitung ein deutlich hörbares Raunen auslöst.

Robusta tanzt nun wild am Steg von Prince Rupert. Der Schwell ist beachtlich. Die Flut drückt das Boot gegen den Steg. Sämtliche Fender kommen zum Einsatz, sogar die fette Berta. Müsste auch wieder mal aufgepumpt werden. Da kommen wir unmöglich wieder weg bevor die Ebbe einsetzt! Mit Maske, Handschuhen, grosser Tasche und Pistole bewaffnet, erscheinen nun zwei Zöllner. Wir tragen auch Masken, aber keine Handschuhe und sind zudem auch nicht bewaffnet. Das “Arrive Canada App” ist  bereits auf’s Handy geladen und ausgefüllt. Müssen trotzdem nochmals die selben Fragen beantworten. Nun zum dritten mal. Einklarieren geht nicht. Die Grenze ist zu. In Alaska dürfen wir auch nicht mehr bleiben. Und jetzt? So bleibt nur noch die Möglichkeit eine Bewilligung für den Transit durch die kanadischen Gewässer zu bekommen. Es führt nun mal kein anderer Weg nach Hause. Doch die vier Wochen Dauer, lösen schon fast den dritten Weltkrieg aus. Sturheit ist meine Spezialität. An Argumenten fehlt es nicht. Nachts segeln ist wegen der Baumstämme zu gefährlich – die nächste Woche ist Südwind angesagt – Robusta ist keine Rennyacht….. Nun läuft die Beamtin im Gesicht grünlich an. Sie ist seekrank geworden und will die Prozedur schnell abschliessen. Sie fragt noch nach, ob wir genügend Lebensmittel, Wasser und Diesel hätten. Nun händigt sie die Transitnummer in Form von einem gelben Papierschild aus, welches sichtbar am Fenster angebracht werden muss. Die gelbe Quarantäneflagge flattert bereits am Mast. Zum Abschluss legen die beiden uns freundlich nahe, auf jeden Fall nichts gefährliches zu tun. Den obligatorischen Transitplan, über den ich mir den Kopf zerbrochen habe, wie ich ihn möglichst knapp und offen formuliere, vergessen sie im Cockpit. Cool, in dem Fall sind wir jetzt frei? Nicht ganz. Ab sofort gilt für die nächsten zwei Wochen Quarantäne auf der Robusta. Kein Fuss darf an Land gesetzt werden.  Zudem gilt möglichst nicht in der Nähe von Siedlungen ankern. Und nach den zwei Wochen Quarantäne? Auch nicht! Hä? 

In fünf Tagen entscheiden die beiden Präsidenten Trudeau und Biden – wie jeden Monat seit 15 Monaten – über die Massnahmen an der Grenze.

Die Hoffnung stirbt zuletzt ;-)) Sind jedenfalls erleichtert, dass der Transit genehmigt ist und freuen uns erstmal über den leuchtend gelben Passierschein. 

July 12 2021

Letzte Tage in Alaska

Fotos hochladen geht nicht. Internet zu schlapp. Mach das später mit guter Verbindung.

Wer hätte das gedacht. Jetzt wo viele Länder Restriktionen lockern, holt uns das in Alaska schon ziemlich weit in die Vergangenheit gerückte Covid19 wieder ein.

Letzte Station in Alaska ist für uns Ketchikan. Im Yachtclub dürfen wir anlegen. Glück gehabt, denn normalerweise ist da eine lange Warteliste. Wegen geschlossener Grenze, ist niemand auf Durchreise. Was für ein netter Ort. Der super gemütliche kleine Club mit Küche, Waschmaschine und Dusche, liegt auf einem Floss, direkt im Zentrum von Ketchikan. Drinnen laufen Vorbereitungen für den Hamburger Grill Abend. So sind wir gleich eingeladen. Doch erst ruft die Plicht, bei Custom and Border Control einen Besuch abzustatten.

Gerade wo wir los wollten, erscheint vor der Tür ein knurrender, breitbeiniger, mit rot unterlaufenen Augen, Stummelschwanz und vorstehendem Unterkiefer, aus dem krumme Zähne ragen – kein Köter – sondern ein heftig bellender Zollbeamte! Warum wir ihn vor der Ankunft in Ketchikan nicht angerufen hätten!? Hä? Wir sind nicht über die Grenze gekommen. Er hätte uns auf dem Radar genau beobachtet. Na also, wo liegt denn das Problem? Ihr könnt gerade wieder abhauen. Und wohin bitte? Ausser Berufsfischer kommt in Kanada niemand rein. Die Grenze ist zu. Und in Washington könnt ihr auch nicht mehr einreisen. Stünde jetzt tatsächlich ein Köter vor uns, wäre jetzt der Moment gekommen, wo ich ihm ….

Nehmen wie befohlen mit der kanadischen Zollbehörde in Prince Rupert Kontakt auf – mit dem Hundetelefon. Erkläre die Situation, dass wir auf Weltumsegelung seien, USA Aufenthalt läuft in zwei Tagen aus und der Heimweg nun einmal durch Kanada führe. Die freundliche Frau bespricht sich kurz mit ihrem Team und ruft sehr schnell zurück. Ein Transit auf direktem Weg durch Kanadas Kanäle könnte eventuell klappen. Sollen das ArriveCan App runter laden und ausfüllen. Falls es nicht klappt, werden sie helfen. Derweil hat sich der sabbernde Hund beruhigt. Er ruft nun Friday Harbor an und erkundigt sich, ob wir in Washington nach der Passage durch Kanada wieder einreisen dürfen. Die Antwort lautet; seit heute hätte sich die Weisung zu unseren Gunsten geändert! Der Hund hechelt nun freundlich. Falls beim Einklarieren in Friday Harbor nicht klappt, dürfen wir ihn anrufen. Oh wie nett. Trotzdem gibt’s kein Leckerli. Ich traue ihm nicht, obwohl ich Hunde sonst sehr gut mag. Besteht eigentlich die Ausbildung amerikanischer Zollbeamten zu 87% aus Training sich möglichst abweisend und böse zu verhalten? Ist doch echt unglaublich!

Ketchikan gefällt uns sehr gut. Eine hübsche Kleinstadt, mit grosser Fussgängerzone. Sonst ist in Amerika leider immer alles aufs Auto ausgelegt. Ein Kreuzfahrtschiff läuft gerade aus dem Hafen. Es sei das erste seit der Pandemie und das einzige das wir bis jetzt gesehen haben. Normalerweise kommen bis zu fünf solch riesiger Monster gleichzeitig. Öffnen ihren Schlund und tausende Touristen schieben sich wie eine Schlammlawine durch die engen Gassen. Der Supermarkt beim Yacht Club gibt es nicht mehr. Er ist unter einem Felssturz begraben. Es geschah zum Glück mitten in der Nacht. Super nette Leute nehmen uns mit ihrem Auto für den Grosseinkauf ans andere Ende der Stadt mit. 

Die Nervosität steigt. Sind nun zum Ablegen bereit. Rufen die Grenzwache an um uns abzumelden. Der Motor läuft bereits. Doch wir werden aus irgend einem Grund in ihr Büro zitiert, welches immerhin in Sichtweite liegt. Der Hund ist nicht anwesend. Ein Papier fehlt. Oh Schreck. Die Beamtin findet die Crusing Licence jedoch schnell im System. Druckt den Wisch aus und überreicht ihn: Den werdet ihr bei der Einreise in Washington brauchen. Einen Ausreisestempel gibt’s nicht. Ob das so richtig ist, wissen wir nicht. Haben schon gehört, dass dies zur Zeit die gängige Praxis ist.

Etwas verspätet geht’s dann doch noch los. Bekommen die Erlaubnis noch einmal in Alaska zu ankern, denn bis Kanada sind es noch 70 Seemeilen.

Ciao geliebtes Alaska!

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June 27 2021

Südost Alaska

Fotos hochladen klappt nicht so recht. Die Geduld wäre da, aber das Internet bockt…..

Sind gerade noch rechtzeitig beim Cape Spencer, mit den ersten heftigen Böen in die Kanäle von Südost Alaska  reingezischt. Die letzte Etappe von Prince William Sound fast alles unter Segel! Was für ein Wunder. Die Robusta liegt nun in der malerischen Elfin Cove. Eine ganz neuartige Welt tut sich auf. Das Dorf und der kleine Naturhafen liegen völlig versteckt hinter vorgelagerten Inselchen und sozusagen mitten im Regenwald. Ja es regnet und dampft. Telefon und Internet funktionieren auch hier nicht. Die nächsten 250 Seemeilen bis zur kanadischen Grenze, führen durch ein Labyrinth von Kanälen und Inseln. Da und dort liegt eine kleine Siedlung. Alles ist wesentlich dichter besiedelt als im Norden, doch immer noch sehr einsam und abgelegen. 

Sorgfältige Planung ist wegen der teilweise starken Gezeitenströmungen angesagt. Eine Herausforderung auf die wir uns besonders freuen. Im Wasser treibende Baumstämme und Wurzelstöcke, stellen eine weitere Gefahr dar. Sie sind nicht leicht zu erkennen. Auch mit dem Radar nicht. Und schon gar nicht bei dichtem Nebel.  Segeln (oder dann halt motoren auf das ich allergisch bin) ist sicherer bei Tageslicht. Im Nachhinein ist alles viel einfacher als im nautischen Führer von Don Douglass und Reanne Hemingway beschrieben. Die Bücher gefallen uns trotzdem ausgezeichnet. Alles ist sehr detailliert und liebevoll gestaltet. Nur schon in Südost Alaska könnten wir Jahre verbringen um alles zu erkunden. Doch Mitte Juli läuft der Aufenthalt für die USA aus. Grosse Umwege können wir uns nicht mehr erlauben. Es muss nur mal noch ein heftiges Tief durchziehen, so geht der Plan nicht mehr auf. Dem entsprechend sind wir gestresst.

In dieser Gegend treffen wir auf erste Touristen. Sie sind mit dem Motorboot unterwegs. Oder sind per Kleinflugzeug angereist und geniessen teuren Urlaub auf Charteryachten um zu fischen oder Gletscher und Wale gucken. Doch da sind keine anderen Segler! Was bedeutet das nun schon wieder? Kein Wind oder wie??

Ziehen schon früh mit einem sanften Lüftchen los. Doch gegen Mittag ist im Kanal der Teufel los! Kreuzen gegen 20 Knoten Wind! In kürzester Zeit baut sich eine unangenehme Hackwelle auf. Beim Reffen fliegt in der Bude alles durcheinander. Noch eine Wende. Und noch eine mehr. Es reicht noch immer nicht in den nächsten Seitenkanal. Kann doch nicht sein, dass wir umdrehen müssen. Nach drei weiteren Schlägen, respektiv drei Stunden später, kommt das erwünschte Ziel dank schiebender Strömung endlich in Sicht. Der Wetterbericht hat diesmal recht gehabt. Doch wir glaubten es nicht und spielten die angekündigten Windstärken runter. Im Nachhinein sind die Prognosen über VHF Wetterkanal super exakt. Fast überall ist Empfang. Im Seitenkanal ist es absolut windstill. Eine Gruppe Killerwale zieht vorbei. Zwei Robben gucken mit ihren treuen Kugelaugen neben der Robusta aus dem Wasser. Thomas, ich glaube die wollen gleich aufs Deck springen…. jetzt weiss ich auch warum. Es ging ganz schnell. Spritzendes Wasser. Die Wale. Sie haben die Robben von unten gepackt. …

In der kleinen Siedlung Tenakee Springs hat es eine heisse Naturquelle. Schon vom weitem ist der schwefelige Geruch von faulen Eiern in unsere Nasen gestiegen. Wir fragen einen Passanten, ob wir da rein dürfen. Kein Problem. An der Tür steht ein Plan mit den unterschiedlichen Zeiten für Frauen und Männer. Er meint noch, ab zehn Uhr abends, gelten diese Regeln nicht mehr. Am nächsten Morgen ruft er uns über Funk an. Die Kommune organisiere heute ein kleines Fest. Wir seien herzlich willkommen. Doch wir wollen weiter.

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Das Wetter bleibt  unerwartet schön und mild. Kaum zu glauben. Es soll hier normalerweise fast immer regnen. Ungewöhnlich ist auch, dass sich gegen Mittag sogar eine Art thermischer Wind aufbaut. Das Wetter spielt verrückt. An der Westküste der USA und in Kanada wüten Waldbrände wegen einer enormen Hitzewelle. In Europa regnet es rekordmässig und heftige Gewitterstürme mit Hagel ziehen über Deutschland und die Schweiz hinweg.

 

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June 20 2021

Raus aus dem Sound – Yakutat – bis Cape Spencer



Die folgende Etappe führt über’s offene Meer. Diese 350 Seemeilen (650 km), wollen wir unter keinen Umständen unter Motor bewältigen. Robusta ohne Segel im Schwell des Pazifik, gleicht einer wild hüpfenden Flaschenpost. Das Wetterfenster muss sorgfältig gewählt sein. Es donnern noch immer heftige Tiefs über den Golf von Alaska. 

Mit Einfluss eines Hochdruckgebietes im Golf von Alaska, laufen wir tatsachlich unter Segel vom Prince William Sound aus. Doch das Hoch ist zu mickrig, um uns ans geplante Ziel zu bringen. Schaffen es gerade noch in die auf halber Strecke liegende Icy Bay. Völlige Wildnis, super schön. Unberührte Landschaft mit einer unbeschreiblichen Weitsicht. Mount Saint Elias ragt sozusagen direkt aus dem Pazifik, bis über 6000 Meter in den Himmel. Ein lokales Phänomen bringt bei Sonnenschein Westwind. Verursacht werde dies durch den sage und schreibe 75 Kilometer breiten Gletscher. Das moderate Wetter erlaubt ganz nahe an der Küste entlang zu segeln. Wir sind hin und weg. Glotzen uns die Augen an der Schönheit der Natur wund. Ich denke es ist ein grosses Privileg diesen Abschnitt unter Segel und bei bester Fernsicht zu bewältigen. Zudem wird es nie richtig dunkel. Darum sind wir auch ziemlich aus dem Ernährungs- und Schlafrhythmus gefallen. Kriechen immer später aus den Kojen und sind um Mitternacht noch voll aktiv. Moskitos und Bremsen nerven selten. Lange Hosen und Jacken und Mütze schützen gut. Doch die Biester erwischten uns vor allem an der Stirn. Das Problem besteht nur bei Windstille. Im Cockpit glimmt ein Räucherstäbchen, was die Nervtöter zuverlässig fern hält. Gegen Bären kommt auf den Landgang immer ein Bärspray mit. Sieht aus wie Omas Drei-Wetter Taft Haarspray. Unmöglich gross ist diese Tränengaspetarde. Irgendwann, eines regnerischen Tages, geht ein Knall mit folgendem Zischgeräusch los. Wir erstarren. Der Bärspray! Wo ist der? Im Deckshaus! Ich hechte in die Koje und halte mir mein Kissen über’s Gesicht. Und Thomas, keine Ahnung. Er brüllt nun.  Es sei die Automatik Rettungsweste. die wohl wegen der grossen Luftfeuchtigkeit ausgelöst wurde. Uffff. 20 Dollar futsch für die neue Patrone. 

Die Landschschaft erscheint in so vielen Lichtfacetten und wenn es schifft in mehrtönigem Grau. Jedenfalls auch super schön!

Yakutat, eine Native Siedlung, nur über die Luft oder auf dem Wasserweg erreichbar, wird wegen dem leidigen Thema Windmangel zum nächsten Zwischenstopp. Ich erkundige mich telefonisch bei der Gemeindeverwaltung, ob wir in die kleine Siedlung einlaufen dürfen. Kein Problem. Gäste sind wieder willkommen. Im kleinen Hafen lernen wir sofort Leute kennen. Fischer und solche die mit ihren Wassergefährten auf Durchreise sind. Ex-Eigner und neuer Eigner eines Kutters sind gemeinsam für eine Überführung von Süd nach Nord unterwegs. Das Gefährt ist fast abgesoffen. Die beiden Kapitäne konnten sich in letzter Sekunde noch in den Hafen retten und warten nun auf Ersatzteile. Mit dem selben Kahn sind wir gemeinsam fischen gegangen. War toll! So haben wir von echten Profis so einige Tricks gelernt, wie in diesen Gewässern Steinfische und Hailbutt gefangen werden. Solche Sozialkontakte sind in der Wildnis eine willkommene Abwechslung.

Mit der GCI Telefon SIM Karte, hatten wir konstant keinen Empfang! Am Fresswagen oberhalb des Hafens, gibt es WIFI. Kanada und die USA werden dieses Wochenende erneut über eine Grenzöffnung entscheiden. Befürworter und Gegner liegen sich in der Mähne. Die Nachricht ist niederschmetternd. Wie seit 14 Monaten bleibt die Grenze, für mindestens einen weiteren Monat geschlossen. Dabei sind die Ziele für eine schrittweise Öffnung erreicht!? Was soll das? Trudeau steht auf der Bremse! Hört nicht auf seine Berater. Doofer weise ist jetzt auch noch seine Partnerin Covid19 positiv getestet. Ein kleiner Lichtblick in die Zukunft in Richtung Öffnung: Für voll geimpfte Kanadier, die vom Ausland zurückkehren, entfällt die Quarantäne. Was genau der Unterschied zwischen voll geimpften Kanadier oder Ausländer ist, können viele nicht verstehen. 

Wir nehmen Kontakt mit Hansueli und Paul auf, um einen Schlachtplan auszuarbeiten. Die beiden sind mit ihren Yachten letzten Herbst diese Strecke gesegelt. Beide hatten so ihre echt schrägen Erfahrungen mit den Behörden machen müssen. Auch nach diesen Gesprächen bleiben wir ziemlich ratlos. Alles ist doof. Die optimale Lösung erscheint dermassen absurd, dass es sogar peinlich ist sie hier zu erwähnen. Ich tu es trotzdem: Schiff in Alaska stehen lassen – nach Mexiko fliegen – erneut in die USA einreisen und schon ist das Problem für den Aufenthalt um weitere sechs Monate gelöst.

Kanada bleibt ein sich in Dunst auflösender Traum. 

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