October 20 2022

Gut geplant – gut gereist

Thomas werde ich in der Baja California treffen. Um diese Reise kümmere ich mich erst jetzt, wo ich bereits in Mexiko City bin. Stunden durchforste ich das Netz nach Flügen, statt die Stadt zu erforschen. Von hier scheint es keinen simplen Weg nach Santa Rosalia zu geben. Angedacht war, von Mexiko City nach Loreto zu fliegen, dort in einen Bus zu steigen und schon bin ich in Santa Rosalia. In Loreto verweilen während den Wintermonaten viele Amerikaner. Darum landen dort nur Flüge aus den USA! Leicht entnervt verkünde ich Thomas meine neuen Reisepläne. Flug nach Cuidad Obregon, Bus und schliesslich über Nacht von Guaymas nach Santa Rosalia mit der Fähre. Thomas meint jedoch, da ist keine Fähre. Das steht aber so im Internet! Doch seit der Pandemie ist diese Verbindung über den Golf von Kalifornien tatsächlich nicht mehr im Betrieb. Was für ein Mist, den Flug habe ich bereits gebucht!

Seit ein paar Tagen plagt mich ein hartnäckiger Husten. Dieser Fakt bereitet mir Sorgen. Meine Augen brennen ebenfalls. Ist es die dreckige Luft? Seit der Pandemie glotzen dich doch alle hell entsetzt an, wenn du es wagst, in der Öffentlichkeit zu husten. Und dann erst im Flugzeug? Da kann ich mir durchaus vorstellen, speziell beim Einsteigen, wo alle dicht gedrängt ihr Handgepäck verstauen, wenn da ein bellender Husten das Treiben übertönt, gar Panik ausbrechen könnte…. Ich treffe sämtliche Vorkehrungen, um keine multiplen Panikattacken auszulösen. Trinke literwiese Tee mit Honig und kaufe einen starken Hustenstiller. Zusätzlich stülpe ich mir eine dieser deutschen Hochsicherheitsmasken über’s Gesicht. Darum habe ich keine Bedenken, mich asozial zu verhalten, falls es sich doch um einen Infekt handelt. Covid19 kann es jedenfalls nicht sein. 

Erst fliege ich nach Cuidad Obregon. Von dort geht die Reise per Taxi und mit dem Bus weiter. Drei Stunden durch gefährliches Gebiet. Durch Sonora führt ein wichtiger Transitweg für den Drogenschmuggel. Immer wieder kommt es zu Konflikten zwischen rivalisierenden Kartellen und Sicherheitskräften. Beim Eisteigen habe ich darauf geachtet, einen Platz auf der rechten Seite zu ergattern, um während der Fahrt die Sicht auf die Berge zu geniessen. Drinnen ist es mittags um zwölf stockdunkel. Als ich meinen Vorhang öffne, bat mich jemand dies zu unterlassen. Die müssen aus Sicherheitsgründen zu sein. Von aussen soll niemand sehen, ob und wie viele Passagiere sich im Bus befinden. Zur Prävention vor Überfällen, ergänzt der freundliche Mann neben mir. Ich wünsche uns beiden eine gute Reise.

 

Jedenfalls musste Thomas rüber ans Festland segeln, um mich dort abzuholen. Mitten auf der zweitägigen Überfahrt springt er bei Flaute für eine Abkühlung ins dunkle Blau. Wie unvernünftig!! Zur Strafe wird er angegriffen. Der halbe Torso und ein Bein sind befallen. Es brennt wie blöd! Mit viel Glück ist sein bestes Teil verschont geblieben. Jetzt tut es mir unendlich leid, dass ich nicht besser geplant habe.

Qualle

Unter der Gürtellinie sieht alles noch viel deftiger aus. Diesen Teil vom Foto habe ich jedoch weggeschnitten, denn Thomas ist nackt, als er mir die Auswirkung von der Begegnung mit der Qualle auf offener See demonstriert.

 

Bei der Begrüssung jammern wir beide, als wir einander in die Arme fallen.  Er vor Schmerz und ich wegen der Hitze, die mich beinahe erschlägt, als ich aus dem klimatisierten Bus steige. Vier Monate haben wir uns nicht mehr gesehen. Endlich einander wieder in den Armen liegen, klingt romantisch – existiert aber nur in Romanen – jedoch nicht bei Temperaturen an die 40 Grad! Wir beide sind erstmal vom langen Reisen erledigt. Gedanken über die Weiterreise machen wir uns erst, als am Himmel dunkele Wolken aufziehen. Wir Studieren beide den Wetterbericht. Für die Festlandküste sind heftige Gewitter vorhergesagt. Um der Front zu entkommen, lichten wir sofort den Anker, mit dem Ziel zurück zur Baja California zu segeln. Während der Nacht weht ein kräftiger Wind aus Süd-Ost. Aus der Ferne zucken zahlreiche Blitze aus den bedrohlich dunklen Wolken über dem Festland. In dieser Nacht sind in der Bucht von San Carlos einige vor Anker liegende Yachten ins Rutschen geraten. Ich denke es war eine gute Entscheidung dieser heftigen Gewitterfront zu entfliehen. Der Kurs ist nach Santa Rosalia abgesteckt. Dort sollten demnächst drei Yachten eintreffen, mit denen Thomas den Sommer verbracht hat. 

 

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October 2 2022

Zwischen Fern- und Heimweh

Als ich wieder nach Mexiko fliege, kommen einige Freunde  zum Flughafen in Zürich um ciao zu sagen. Der Abschied fällt mir schwer. Ich fühle mich zerrissen. Zwischen Fernweh und Heimweh eingeklemmt. Werde euch vermissen! Traurig wie ich bin, hoffe ich nun auf nette Gesellschaft im Flugzeug. Doch die Frau neben mir ist sofort eingepennt und hat sich während den nächsten 12 Stunden nicht mehr gross bewegt. Ab und zu habe ich sie wieder über die Grenze zurück auf ihren Platz gedrückt. In Mexiko City muss ich umsteigen und lege deshalb eine mehrtägige Pause ein. Miguel, bei ihm wohne ich jetzt, finanziert mit der Unterbringung von Gästen in seiner Wohnung eine Weiterbildung. Ich laufe von dort ins Zentrum. Bald fällt mir eine riesig fette blaue Mauer aus Metallelementen auf. Bei genauerem Betrachten erkenne ich lauter Fotos mit Namen von Frauen und Kindern.

Um mehr zu erfahren, wende ich mich an eine Gruppe die am gestikulieren ist. Diese Mauer ziehe sich über mehrere Kilometer durch die ganze Innenstadt. Es handelt sich um die Protestaktion «Ni Una Mas» deren Ziel es ist Gewalt gegen Frauen sichtbar zu machen und das unterdrückende, patriarchalische System zu bekämpfen. Femizide werden in Mexiko zu 97% nicht aufgeklärt. Zehn Frauen pro Tag! Sowas sagt schon genug aus. Die Regierung schaut weg! Über Sozialmedia breitet sich seit 2015 die Protestwelle von Argentinien, dort unter «Ni Una Menos» bekannt, über den ganzen Südamerikanischen Kontinent und sogar beinahe über den ganzen Globus aus.

Diese Frauen sind echt mutig, denn nicht selten schiesst die Polizei an Protestaktionen in die Menge!

In Mexiko City gibt’s enorm viel zu erkunden. Kulturelle Highlights wie der Templo Mayor der Azteken, das Museo Nacional de Antropologia mit den berühmten präkolumbianischen Artefakten gehören zu meinen Zielen und der Park Chapultepec. Dort treffen sich regelmessig alle die gerne Cumbia tanzen. Das Frida Kahlo Museum war leider ausgebucht!

Die Stadt pulsiert förmlich. Enorm viel Gewusel.  In der Altstadt sind die Geschäfte nach Themen sortiert. In der einen Strasse befinden sich Stoffgeschäfte, eine Gasse weiter die Metzgereien mit Kadavern im Schaufenster. Dann schlendere ich an Autowerkstätten vorbei,  um die nächste Ecke findest du alles was mit Haushalt in Verbindung steht. Im Quartier mit den Musikgeschäften geht’s extra laut zu und her. Fette Musikboxen sind vor kleinen Geschäften aufgebaut. Natürlich voll aufgedreht, um den Nachbar zu übertönen denk ich mir. Am nächsten Tag stopfe ich Stöpsel in die Ohren, bevor ich die Wohnung verlasse. All die Eindrücke erschlugen mich beinahe. Doch alles ist so spannend, dass ich erst im Bett merke, wie weit mich meine Füsse heute getragen haben.

Vor dreissig Jahren war ich mit meinem Sohn schon mal hier. Da war er gerade mal fünf Jahre alt. Wir beide haben wegen der dreckigen Luft entzündete Augen bekommen und konnten kaum atmen. Es ging uns mies. Diesmal ist die Luftqualität etwas besser. Immerhin so gut, dass ich die über 5000 Meter in den Himmel ragenden Berge zu Gesicht bekomme.

22 Millionen Menschen wohnen in dieser Metropolregion. Ich habe mich in der Altstadt recht sicher gefühlt. Die Polizeipräsenz ist enorm wo Touristen unterwegs sind. Fast schon beängstigend. Von so viel Sicherheit können die Menschen die hier leben nur träumen, denn die Kriminalitätsrate ist sehr hoch. Besonders hoch ist auch die Erdbebengefahr, denn Mexiko City liegt in einer seismisch aktiven Region.  Zudem ist die Stadt am Versinken, denn sie wurde auf dem ehemaligen Texcoco-See errichtet.

Lange Arbeitszeiten und Pendelzeiten, unsichere Arbeitsplätze, Korruption, marode Infrastruktur, fliessendes Wasser,  sind nur wenige all der Herausforderungen mit denen die Anwohner im täglichen Leben konfrontiert sind. Etliche Strassen weisen Risse auf und die Kathedrale wurde zum Beispiel während siebzig Jahren renoviert, um strukturelle Schäden zu beheben. Ich denke diese Kohle wäre besser  in die rund 250 Tausend Menschen investiert, die beim Erdbeben von 1985 obdachlos wurden und noch heute in Containern ohne Fenster leben! 

Nun aber nichts wie weg hier. Ich freue mich endlich Thomas wieder zu treffen.

 

September 30 2022

Die Zeit vergeht viel zu schnell!

Geburtstage feiere ich besonders gerne. Das ist immer eine tolle Gelegenheit viele Freunde auf einem Haufen zu treffen. Diesmal soll es ein Weiberfest werden. Tut mir leid wenn ich nicht alle Menschen eingeladen habe. Alles begann schon sehr witzig. Ein Datum zu finden welches allen passt, wird zur echten Herausforderung! Deswegen hatte ich dieses Jahr um es allen recht zu machen, geschlagene vier Wochen später Geburtstag. So feierten wir Geburtstag und Abschied am selben Tag.

Die Feier, inklusive Übernachtung, fand bei meiner Freundin Christina statt. Das Buffet war echt gigantisch! Die Menge an Essen übertraf alles! Wenn Segler sich gegenseitig einladen, bringen alle eine Kleinigkeit essbares zum Teilen und Getränke mit. Genau solch ein Pot Luck Dinner habe ich mir gewünscht. Mir war nicht bewusst, dass meine Freunde diesen amerikanischen Gebrauch nicht kennen. So haben ALLE für ALLE gekocht. Jedenfalls ist die Versorgungslage für die nächsten zehn Tage gesichert. Danke Christina, dass du uns alle ertragen hast. Es war schon bizeli wild, aber voll cool. Wenn ich wieder zu Hause bin, organisiere ich wieder regelmässig irgendwelche Feste. Auch ohne Grund! Freue mich schon aufs reichhaltige Buffet mit euch allen!

 

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September 7 2022

Hurrikan Kay macht Landfall in der Baja California

Hurrikan Tracks 1949 – 2020

Ende August war ich zurück in Santa Rosalia. Sollte bald nach La Paz zum Zahnarzt. Weitere Arbeiten standen an. Die Robusta werde ich im Hafen zurücklassen, um mit dem Bus zu reisen. Doch da taucht Hurrikan Kay in den Wetterkarten auf. Mir ist sofort klar, der Zahnarzttermin muss verschoben werden. 

Im Hafen liegen zehn Yachten.  Die Behörden warnen im lokalen Radio und mit durch die Stadt fahrenden, mit Lautsprechern bestückten Autos die Bevölkerung . Vorräte aufstocken und vor allem Wasser einkaufen und dann zu Hause bleiben. Laut Prognosen wird Hurrikan Kai an der Pazifikseite von Zentral Baja California auf Land treffen. Was gar nicht weit von Santa Rosalia weg ist.

Nervosität kommt auf. Es wird viel diskutiert ob man hier im Hafen bleiben sollte, oder 120 Seemeilen in den Norden zum nächsten Hurricane Hole, Puerto San Juan segeln soll. Eine andere Option wäre, in die 30 Seemeilen südlich gelegene Baja Conception zu flüchten.  Die Hälfte der Segler bricht an die erwähnten Orte auf. Ich und  fünf andere entschliessen zu bleiben. Den Marinero bitte ich um einen anderen Hafenplatz. Wollte nicht am Steg zwischen den anderen Yachten liegen. Wichtig schien mir, dass ich auf der Lee Seite des Steges liege. So, dass das Boot vom Steg weggedrückt wird. Spanne eine dicke lange Leine an die Hafenmauer. Statt nur an den mickrigen Klampen vom Steg, binde ich weitere Leinen direkt an den Pollern fest. Alte Motorradreifen sollen das in die Leinen Rucken abfedern. So wird die Robusta vom Steg und den Pollern fern gehalten und kann so hoffentlich sicher frei schaukeln. Jetzt noch die Segel abschlagen und das Sonnenverdeck abbauen. Fahne der Windsteueranlage entferne ich sicherheitshalber auch noch.

Am Abend wars noch ruhig. Kay traf als Kategorie 1 Hurrikan mit 75 Knoten an der prognostizierten Stelle der Baja California auf Land. Am Morgen heulte der Wind kräftig im Rigg. Mit Hurrikan kam auch der starke Regen. Der Schwell im Hafen war enorm. Das Ende des Schwimmsteges drohte bei Hochwasser zeitweise höher als die Poller es erlauben zu schwappen. Sowas hätte das Ende aller Yachten bedeutet. Echt brenzlig wurde es, als die Leinen einer unbemannten Yacht rissen, und diese auf eine andere zu driftete! Die Marineros eilten herbei und sicherten die Yacht mit allen Kräften und weiteren helfenden Händen. 

Kai pustete im Hafen mit maximal 55 Knoten. Gewaltig viel Regen ging nieder und eine unheimlich wilde See, braun gefärbt, schwappte über die riesige Hafenmauer. Das Dorf wurde während Stunden überflutet und einige Autos mit den Wassermassen in den Hafen gespült. 

Der Spuk war am Abend bereits wieder vorbei, die Stimmung unter den Seglern war fast euphorisch. Wir haben es überstanden! Doch der Strand, den wir Segler erst gerade vom ganzen Müll befreit hatten, sieht zum heulen aus. Im Nachhinein war es jedoch keineswegs so schlimm wie die Bilder die ich ein paar Wochen später vom Hurrikan Ian in Florida zu sehen bekam.

Schäden hat die Robusta und auch die anderen Yachten, keine erlitten. Nur den Windex hat Kay in sich aufgesogen. (Windanzeiger auf dem Mast)

August 15 2022

Angeschlagen

Da ich nun schon mal wieder zu Hause bin, melde ich mich für einen Vorsorgeuntersuch an. April ist doch schon vorbei korrigiere ich. Die Assistentin redet vom nächsten Jahr! Bis dahin sind in der Gynäkologie sämtliche Termine ausgebucht. Seit geraumer Zeit raten die Kassen den Frauen nur noch alle drei Jahre zur Vorsorge zu gehen. Sparen auf dem Buckel der Frauen?

Covid19 hat mich mehr mitgenommen als erwartet. Meine Kondition ist total im Eimer. Sonst bin ich jeweils locker mit dem Fahrrad bergauf gestrampelt. Nun ringe ich nach wenigen Meter bereits nach Luft. Reifen pumpen und Kette fetten bringen ebenfalls keine Erleichterung. Eine Freundin besucht mich und findet ich sehe schlimm aus. Sie rät mir sofort zum Arzt zu gehen, was ich auch tue, obwohl ich kaum aufstehen mag. Stunden später liege ich mit hohem Fieber in einem Spitalbett. Nierenbeckenentzündung! Die Schuld gebe ich der Schweizer Bahn. Draussen ist es 36 Grad heiss und im Zug keine 16 Grad! Ich weiss es so genau, weil ich jetzt eine App dafür habe. Nun bekomme ich über eine Infusion Antibiotika verabreicht. Es ist mein erster Spitalaufenthalt! Die Geburt zählt nicht. Jetzt wo ich schon mal hier bin, komme ich sogar zu einem gynäkologischen Untersuch, der wie sich herausstellt tatsächlich nicht nötig gewesen wäre. In der Nacht schrecke ich schweissgebadet im Fieberschub aus einem sehr intensiven Traum. Eine Art Panik überfällt mich. Was wäre gewesen wenn….? So oft befinden wir uns beim Segeln hunderte Seemeilen, sprich Wochen fern ab von jeglicher Zivilisation. Daher ist krank werden, genauso wie über Board gehen verboten. Eine wertvolle Anschaffung für die grosse Reise ist der Erste Hilfe Koffer vom Trans Ocean Club. Dieser ist von einem Arzt und leidenschaftlichen Segler zusammengestellt um die gängigsten Notfälle auf See zu überbrücken. Nebst diversem Verbandsmaterial beinhaltet dieser sogar Infusionen, Wundnähkram und Katheter. Ui, wenn ich mir vorstelle, Thomas muss mir einen Katheter unten reinstopfen, schauderts mir! Er hingegen wäre besser dran, denn ich habe eine Lehre als Medizinische Praxisassistentin absolviert. Unser Hausarzt hat den Koffer noch mit potenten Medikamenten ergänzt. 

Jetzt aber nicht’s wie raus aus dem Spital und wieder fit werden!

 

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August 8 2022

Kommunikation mit Eltern

Bevor ich wieder über alle Berge und Meere bin, möchte ich die Kommunikation zu meinen Eltern optimieren. Eigentlich bin stolz auf sie. Stolz, wie sie trotz fortgeschrittenem Alter mit all den modernen Herausforderungen umgehen. Hut ab! Alles änderte sich jedoch als dieses Fossil Nokia 6131, nach 17 Jahren Lebensdauer endgültig zuklappte.

Die Situation ist wegen dem Fossil für uns plötzlich nicht mehr einfach.

Damals habe ich Mama geraten ein einfaches Handy anzuschaffen. Sie solle im Fachgeschäft formulieren, wofür sie es brauche. Doch dort wurde ihr ein Smartphone angedreht, welches nun aus logischen Gründen seit einem Jahr unbenützt in ihrer Nachttischschublade vergraben liegt. Jetzt habe ich es. Mit diversen Apps geladen, bin ich nun wieder voll dabei und gebe mir Mühe, nicht zu den Zombies mit angewinkelten Armen zu mutieren, die an den unmöglichsten Orten laut und hemmungslos schwafeln oder geistesabwesend durch die Strassen pflügen… (so ganz nebenbei erwähnt; was ich von der ganzen Handy-Abhängigkeit halte, dazu verklemme ich mir lieber meinen Senf.) Sorry für den Einschub.

Da wäre auch noch ein Festanschluss in der Wohnung meiner Eltern. Doch der ist für Anrufe aus dem Ausland gesperrt. Das hat jemand so für sie im letzten Jahrtausend eingerichtet, um Telefonbetrug zu vermeiden. Dieser Jemand vom Telekommunikationsdienstleister weiss aber nicht, wie den alten Apparat zu bearbeiten, dass nur meine Nummer durchdringt. Papa hat schon lange ein Handy.  Seit geraumer Zeit hat er sogar WhatsApp installiert, womit wir beiden einander schreiben oder telefonieren und Videos zum Lachen teilen. Er ist mit der Technik noch immer gut dabei. Unglaublich! Seit dem Zuklappen vom Fossil 6131, kommunizieren Mama und ich per Skype. Ich kann sie aber nur erreichen, wenn ihr Computer eingeschaltet ist, was selten der Fall ist. So muss ich erst Papa anrufen. Also fungiert er, wo doch schon lange pensioniert ist, als Schaltzentrale. Nun habe ich ihn auch schon öfters aus seinem wohlverdienten Nickerchen gerissen und genau hier liegt das eigentliche Problem.

Wie kann ich Mama direkt erreichen?

Selbst mit wohlwollend konstruktiven Vorschlägen, stosse ich bereits nach wenigen Zentimeter auf Granit: schlussendlich bleibt alles wie es ist! 

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July 27 2022

Wie fühlt sich die Heimat an?

Wieder in der Heimat, acht Jahre nach in See stechen, fragen mich viele wie mir die Schweiz nach so langer Abwesenheit reinkommt:

Als erstes fiel mir sofort auf, alles ist sauber. Nirgends liegt Müll rum, was ich sehr schätze. Die Häuser sind in einem guten Zustand, auch wenn sie schon mehrere hundert Jahre alt sind. Die Autos sehen wie neu aus. Doch die Menschen, die am Steuer sitzen, mutieren oft zu unfreundlichen Kreaturen. Da wird gehupt und geschimpft. Auto gleich Mittel, um Stress abzubauen?? Keinesfalls möchte ich behaupten, ich hätte mich nie so verhalten. Ich verstehe nur zu gut, dass bei so viel Verkehr die Nerven blank liegen. Da bewege ich mich doch lieber, mit den vollen öffentlichen Verkehrsmitteln fort und quassle mit anderen Reisenden. Wobei die einen mit Blick aufs Handy gerichtet, mir nonverbal vermitteln, dass sie nicht ansprechbar sind. Hat der Zug nur paar Minuten Verspätung, werden die Passagiere unruhig. Als absoluter Wahnsinn empfinde ich die Bedienung im Restaurant. Ich ertappe mich, wie ich mich entschuldige, dass ich jetzt etwas trinken und eine Kleinigkeit essen möchte. Kaum ist der letzte Bissen verschluckt, kommt die gesalzene Rechnung, ohne danach gefragt zu haben. Der Tisch sei für weitere Gäste reserviert!

Einen Arm angewinkelt, den Blick stets im 39 Grand Winkel nach unten gerichtet wo das Handy mit der Hand fest verwachsen zu sein scheint, pflügen sie, immer wieder mal mich anrempelnd durch die Stadt. Erkundige ich mich nach einer Strasse, statt einer freundlichen Hilfestellung werde ich gefragt, ob ich denn kein Handy habe!?

Ich vermisse die Passanten, die stets ein Lächeln oder zumindest etwas Fröhlichkeit ausstrahlen.

Dass ohne Handy vieles nicht mehr möglich ist, lerne ich schnell. Billette für den Zug kaufen, dafür gibt es eine App. Diese verspricht stets den günstigsten Preis zu verrechnen. Klappt aber nicht immer. Klemmt die App mal fest, rechne bloss nicht mit Kulanz! Im Supermarkt musst du nun sogar noch Arbeiten; denn die teuren Produkte musst du selbst einscannen! Ich frage mich was mit all den Kassierer*innen geschehen wird.  Sogar am Selbstbedienungsstand beim Bauern steht keine Schachtel mehr in der Scheune, um das Geld einfach reinzulegen. Den leuchtend roten Erdbeeren kann ich nicht widerstehen. So lege ich Bares an die Stelle wo ich die Früchte entnommen habe. Was für eine schräge Entwicklung. Doch ich lebe mich unerwartet schnell wieder in die voll durchorganisierte Gesellschaft ein.

Ansonsten gefällt mir die Schweiz sehr gut. Beim Reisen habe ich einige Meinungen von Leuten die dort Urlaub gemacht haben oder dort mal gearbeitet haben gehört. Zu meiner Überraschung sind es durchwegs positive Aussagen! Durch diese vielen Gespräche betrachte ich nun einiges von einem neuen Blickwinkel. Verkehrsfreie Innenstädte mit ihren schmucken Geschäften in mittelalterlichen Gebäuden, Schlösser und Burgen, oder dass sich auf jeder Bergspitze eine Kneipe befindet, die Sauberkeit, die guten Anstellungsbedingungen, die direkte Demokratie und sogar die Behörden werden gelobt. 

Verglichen mit dem Bootsleben empfinde ich so einiges als besonderen Luxus wie zum Beispiel einen Wasserhahn aufdrehen und es fliesst reichlich Wasser, welches ich sogar ohne Sorge trinken kann! Auf der Robusta muss ich eine Fusspumpe betätigen damit kaltes Wasser fliesst. Auf diese Weise wird viel gespart. 450 Liter reichen vier bis fünf Wochen für Trinken, Kochen und den Abwasch. Geduscht wird mit Meerwasser. Viele tun das nicht, weil sie das Salzwasser auf Haut und Haaren unangenehm empfinden. Dabei trocknet Salzwasser die Haut viel weniger aus. Frisöre verkaufen Meerwasser Sprays, um feine Haare zu festigen. Wir haben gelernt, Wasser als wertvolles Gut zu schätzen. Wasser kommt zu uns entweder von einer Tankstelle oder vom Himmel in Form von Regen, welches wir sammeln. Doch nicht so in Mexikos Wüste. Eine saubere Dusche, aus der reichlich heisses Wasser auf den Körper prasselt oder gelegentlich ein heisses Bad, geniesse ich jetzt ganz besonders. Körperhygiene bedeutet, wie zu Omas Zeiten, sich mit einem Waschlappen abschruppen oder sich einen Eimer Meerwasser über den Körper schütten. Sind die Bedingungen zu strub, wird schon mal einfach eine neue Lage Deo aufgetragen. Eine eigene Waschmaschine, nach deren Benutzung die Klamotten tatsächlich sauber sind, vermisse ich auch. Beim Kochen kann ich ganz entspannt, ohne mich irgendwo festzuhalten vor dem Herd stehen. Das geschnittene Gemüse wird nicht unkontrolliert durch die Bude fliegen. Am Ankerplatz spontan Landgang zu tätigen, um nach Bedarf eine dringend benötigte räumliche Distanz zum Geliebten geniessen, denn wir sind an Board maximal 10 Meter voneinander entfernt, vertraute Gespräche mit dicken Freunden führen, Wintersport, Reiten, einen Begleiter auf vier Pfoten zu haben, vermisse ich besonders. Doch noch ist das unstetige Zigeunerleben ohne Luxus, anstrengenden Überfahrten, sich ständig auf neue Gegebenheiten einlassen, nach-wie-vor reizvoll.

Doch irgendwann hat alles mal ein Ende, darum geniessen wir jeden Tag in der Ferne ganz besonders.

Übrigens: hast du heute schon jemandem ein Lächeln geschenkt?

 

 

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July 15 2022

Herdenimmunität – die Schweiz hat’s erfunden

Seit einigen Monaten sind in der Schweiz sämtliche Covid19 Regeln aufgehoben. Der Bund setzt jetzt wo eine mildere Variante zirkuliert auf Herdenimmunität. Um ebenfalls zur Herde zu gehören, erwischt es mich auch bald. Um meine Freunde bei denen ich wohne nicht anzustecken, offeriert mir Sybille, während sie in den Ferien verweilt, in ihre Wohnung zu ziehen. Die Bude sei offen. Nach einer Woche fühle ich mich wieder fit. Der Test zeigt weitere acht Tage ein positives Resultat. Die Covid19 Hotline empfiehlt trotz positivem Test arbeiten zu gehen. Pardon? Ach klar doch, es geht ja um die Herdenimmunität! Wie konnte ich sowas nur vergessen?

Ganz anders sieht’s in Deutschland aus. Da ich an der Grenze wohne, bewege ich mich auch öfters auf Nachbars Terrain. Direkt an der Grenze schmeisst mich der Fahrer aus dem Bus! Da ist nicht mal eine Haltestelle. Anderes Land – andere Regeln! Ohne FA18 Maske, oder wie die dieses genormte Teil hier nennen, darf ich nicht mehr mitfahren. Während der letzten halben Stunde war alles noch legal. Medizinisches Personal, ja sogar die Chirurgen tragen hundsnormale Masken. Jetzt verstehe ich meine Deutschen Freunde, wovon sie seit der Pandemie immer so nervig klönen. Mit viel Glück im globalem Drama, hat es uns dazumal von Japan nach Alaska verschlagen. Ein ganzes Jahr  sassen wir dort sprichwörtlich festgefroren. Wir können uns kaum vorstellen wie es in Europa und anderswo zu und her ging. In einer dünn besiedelten Gegend wie Alaska, empfanden wir die eingeleiteten Massnahmen nicht extrem einschränkend. 

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July 8 2022

Gigantische Hitze und Fische

Ende Juni segelte ich alleine weiter in den Norden vom Golf von Californien, in die Bahia de Los Angeles. Hier soll es sehr selten Hurrikane geben. Will dort zwei Monate verbringen. Es wird immer heisser. Tags bis zu 40 Grad. Auch in der Nacht kühlt es kaum mehr ab.  Am Abend bläst ein Westwind vom Land. Die heisse Luft der Wüste fühlt sich an, als richtet dir jemand einen heissen Föhn mitten ins Gesicht. Es liegen an die 30 Segelyachten in der Bucht.  Wir sind eine lustige Truppe. Verbringen vor allem die Abende gemeinsam am Strand, kochen oder besuchen die einfachen Restaurants im Dorf. Denn niemand hat wirklich Lust das Boot unnötig zusätzlich aufzuheizen. Doch tagsüber bleiben die meisten im Boot. Es ist einfach zu heiß draussen. Auch ich bin im kühleren Schiffsrumpf vergraben und lese viel über Elektronik, Technik und Wirtschaft und was mich sonst noch interessiert im Internet. Dies ist hier dieses Jahr erstmals möglich, denn viele Boote sind mit Starlink ausgerüstet. Das ist eine ganz neue Technik, Internet über Satellit, sehr schnell und unlimitiert. Elon Musk hat 5000 Satelliten ins All geschossen. Ich habe eine gute WLAN Antenne, mit der ich jedes Boot mit  Starlink empfangen kann. Zum Dank gibt’s Bier gegen das Passwort.

Schnorchelnd die Unterwasserwelt anschauen war auch cool. Wirklich cool bei dieser Hitze. Zweimal bot sich mir die Gelegenheit mit Walhaien zu schwimmen, die friedlich durch die nährstoffreiche Sea of Cortez (Golf von Kalifornien) Plankton aus dem Wasser filtern. Das ist für mich ein ewig bleibendes Ereignis! Diese bis zu 12 Meter grossen Giganten sind die grössten Fische aller Weltmeere. Das hätte Anja, die noch bis anfangs Oktober in der Schweiz ist, bestimmt auch gefallen!

July 1 2022

Budget aufpimpen

Seit drei Monaten tobt ein heftiger Krieg in Europa. Die Medien sind voll davon. Viele Flüchtende aus der Ukraine werden erwartet. So bewarb ich mich auf einen Job im Asylbereich. Diese Stellen sind oft befristet, was für meine Situation perfekt ist. Das Durchgangszentrum in Schaffhausen wird kurz nach der Eröffnung bereits wieder geschlossen. Die Organisation offeriert mir jedoch einen Job an einem anderen Standort. Doch dieser ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht erreichbar. Schade. Per Zufall ergab es sich, dass ich für vier Monate wieder in meinem alten Job im Jugendhaus einspringen kann. Das freut mich riesig!!! Nach so langer Zeit ist das Dream-Team fast noch das Alte. Doch eine neue Generation Jugendlicher ist nachgerückt. Sehr spannend wie sich vieles verändert hat. Der Hausbetrieb ist erst seit einem Monat wieder auf Normalbetrieb angelaufen. Nämlich seit sämtliche Covid19 Massnahmen vollständig aufgehoben wurden. Ans Arbeitsleben gewöhne ich mich schnell. Doch die Kids begutachteten mich anfangs misstrauisch. Wandten sich mit ihren Anliegen stets ans ihnen vertraute Team. Ist ja klar. Für sie bin ich schlicht die Neue die keine Ahnung hat. Das alles stimmt mich etwas traurig. Dennoch will ich sie nicht brüskieren. Als ich ihnen verklickerte, dass ich schon hier gearbeitet habe, als sie noch in den Windeln strampelten und ich seit Jahren mit meinem Partner in einer kleinen Yacht um die Welt segle und ich nun für vier Monate einspringe, begann das Vertrauen gegenseitig zu wachsen. 

An dieser Stelle möchte ich mich herzlich beim Team und Vorstand bedanken, dass sie an mich gedacht haben, als eine Lücke im Team entstand. Alles Gute!

 

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