April 20 2022

Einen Tequilla auf gesunde Zähne

Als ich das Dinghi am Steg fest binde, kommt mir eine Frau entgegen. Sie wirkt benommen. Ich spreche sie an und frage, ob sie Hilfe braucht. Nun erkenne ich die geschwollene Wange. Wer hat das gemacht, will ich wissen. Sie komme vom Zahnarzt. Habe soeben ein Implantat bekommen. Ach so! Da werde ich doch sofort neugierig. Wo? Sie öffnet ihren blutigen Mund. Huch, oh nein. Die Wunde wollte ich eigentlich nicht sehen. Welcher Zahnarzt hat das Werk vollbracht? Es handelt sich um die selbe Klinik in der Thomas und ich angemeldet sind! Sie arbeitet als Dentalassistentin in Miami. Ihr Arbeitgeber hätte die Röntgenbilder begutachtet. Perfekte Arbeit. Mit bestem Material von Straumann aus der Schweiz. Meine Pulsfrequenz sinkt wieder in den Normalbereich. Diese Referenz beruhigt mich sehr und mildert meine Zahnarztphobie.

In La Paz scheint das Geschäft mit den Zähnen zu blühen. Viele Amerikaner lassen sich in Mexiko ihre Mäuler revidieren. Dies zu einem Spottpreis – verglichen mit der Heimat.

Wie rasend schnell doch die Zeit vergeht, mit Ausnahme in der Nacht vor dem Termin. Nach gründlicher Voruntersuchung, inklusive Zahnreinigung und mit verbindlichem Kostenvoranschlag mit Garantie, sitze ich im Vorzimmer und warte auf die sympathischen Zahnärzte. Gegen die Angst bekomme ich von der Assistentin, wie sie es nennt, einen Tequilla. Es handelt sich dabei um ein Benzodiazepine. Das Sägen, Hämmern und Geschraube für den Einbau der Implantate, nehme ich nur aus der Ferne wahr. Vier Stück auf einmal ist nicht üblich. Doch ich wollte es so.

Thomas geht am folgenden Tag für eine ähnliche Prozedur hin. Eine ganze Woche liegen wir nahezu reglos, das Gesicht mit Eisbeuteln dekoriert, ab und zu eine Suppe schlürfend, in den Kojen. Alle paar Stunden ein mexikanisches Schmerzmittel einschmeissen, welches wahrlich nette Träume beschert. Mindestens drei Monate dauert es bis die Schrauben und der Knochenaufbau aus Knochenspenden von Mensch-Hund-Schwein und Pferd, perfekt eingewachsen sind. Ob da wirklich Hund dabei ist, bin ich nicht mehr sicher. Ein Anteil war jedenfalls synthetisch hergestellt. Wie ich verstanden habe, erhöhe eine Kombination der Materialien den Erfolg der Behandlung.

Wir können die Klinik Cosmedent in La Paz mit guten Gebissen weiter empfehlen!

Langfahrtensegeln hat so seine Tücken: Regelmässige präventive Zahnarztbesuche vermeiden viel Leid. Für diejenigen die nicht regelmässig in die Heimat reisen, wird dies schwierig. In den einen Ländern wie Neuseeland, Australien und den USA, sind Behandlungen erschreckend unerschwinglich und werden von vielen Versicherungen nicht gedeckt. Nicht überall ist die Medizin gleich fortgeschritten. Oder noch blöder, der nächste Zahnarzt befindet sich weit hinter dem Horizont. Zahnschmerzen haben dann oft eine Extraktion zur Folge. Da kommt mir gerade der Film Cast Away mit Tom Hanks in den Sinn. Der musste sich auf dieser unbewohnten Insel mitten im Pazifik, mit einer Schlittschuhkufe selber einen Zahn raus hauen. Ahhhhutsch!!!!

Ich muss zugeben, auf langen Überfahrten kam die Zahnpflege manchmal etwas zu kurz. Alles ist so anstrengend bei Seegang. Sich dann noch eine Zahnbürste in den Rachen schieben, ohne dabei Brechreiz auszulösen, oder sich gar umzubringen, setzt beachtliche Körperbeherrschung voraus.

 

March 15 2022

Tote Dinge und wütendes Kleingetier

Nicht nur sexuelles Gehopse trägt Schuld daran. Die Beanspruchung vergrössert sich um ein Vielfaches in einer Hochseeyacht durch den ständigen Seegang. Die Körper werden regelmässig mit beachtlicher Kraft in die Kojen gepresst. So frage ich mich, wie lange die Lebensdauer einer Matratze auf hoher See währt. Meinen Rückenschmerzen nach zu urteilen, ist diese schon längst abgelaufen. Tage später, wenn es endlich mal windstill ist, schneide ich an Deck Schaumstoff mit dem elektrischen Brotmesser zu. Stoff gibt es in diversen Geschäften ganz in der Nähe. Schaumstoff kaufe ich in der Polsterei Vanessa. Wichtig ist offenporiges Material zu verwenden. Nur so kann Feuchtigkeit entweichen. Nähe Überzüge und drehe dabei fast durch. Schiffskojen sind nicht nett symmetrisch geformt. Unmögliche Winkel und Rundungen, die abgeschwächt auslaufen, sind zu berücksichtigen. Zu Hause, mit viel Platz und einem schönen grossen Tisch, wäre alles etwas einfacher. Messen, Schablonen anfertigen, nochmal messen. Wieder ein anderes Resultat. Schaumstoff messen ist der Horror. Der Aufwand hat sich jedoch gelohnt. Sind sehr zufrieden mit dem Resultat. Und die Rückenschmerzen sind bereits nach der ersten Nacht verschwunden. 

Jetzt wo die Nähmaschine schon ausgegraben ist, nähe ich gleich auch noch Sonnenschütze für die Decksluken. Aus UV resistentem Sunbrella Stoff und alten Segeln. Gibt’s ebenfalls beim Polsterer in diversen Farben. Nur nicht im zum Lazy Jack passendem Grau. Nähe eine Schicht dieser silbernen Autofrontscheibenschutzfolien als Isolation ein. Es bleibt nun bedeutend kühler im Boot. Mit den steigenden Temperaturen, nimmt der Bewuchs am Rumpf rapide zu. Wir sind schlicht überfordert die ganzen Muscheln und Algen abzukratzen. Nur mit Schnorchel und Taucherbrille ausgerüstet den Rumpf zu bearbeiten, ist echt ein mühsamer Job. Denn es scheint, das abgekratzte, nun wütende Kleingetrier, legt es darauf an, in die Ohren zu kriechen. Über das Morgennetz erfahren wir, dass Paola dafür ausgerüstet ist. Sie reinigt den Rumpf für umgerechnet 70 Dollar. Thomas zerlegt den Computer der beim Knock down durch die Bude geschleudert wurde. Der Bildschirm hat einen Riss und muss ersetzt werden. Doch leider ist das Gerät kurz darauf doch noch ganz gestorben! So bleibt das Blog schreiben weiterhin nicht möglich. Schade. 

March 1 2022

Zwei Pferde für ein Dinghi

Jeweils morgens um acht, findet auf Kanal 22 die Funkrunde statt. Wetterbericht, Infos zu Veranstaltungen, Vermittlung von Mitfahrgelegenheiten oder sonstige mehr oder weniger wertvolle Infos dröhnen aus dem Funkgerät. Ich warte bis der Moderator den Tausch von Gegenständen ankündigt. Da Ausländer in Mexiko nichts verkaufen dürfen, wird gegen Kokosnüsse getauscht. So frage ich, ob jemand einen kleinen gebrauchten Aussenborder gegen Käse tauscht. Doch als erstes muss ich mich anmeckern lassen. Erst von jemandem vom Club Cruzeros, dann vom Boss der Marina La Paz und oben drauf auch noch von der Capitania de Puerto! Die Robusta ist offensichtlich falsch geparkt! Niemand hat Erbarmen mit den rudernden Seeleuten. So muss das Manöver bei 30 Knoten Wind und Strömung unverzüglich ausgeführt werden. Mit dem Ergebnis, dass die Robusta nun sozusagen an der selben Stelle liegt. Auf der Seekarte ist nur unter grösstem Zoom ein Unterschied erkennbar. Doch alle sind nun zufrieden!

Ich versuche es am nächsten Morgen nochmals. Zum Trost gibt es drei Angebote! Super. Was für eine flotte Erfahrung, im Gegensatz zu gestern, beim Besuch im Club Cruzeros. Doch bei den Amerikanern ist alles gross. 10 – 25 PS. Mit solch einem grossen Motor würde unser bescheidenes Dinghi glatt sinken! So durchforste ich weiterhin im Internet den Mercado Libre nach Gebrauchtwaren. Hoffe auf diese Weise unseren geklauten Motor wieder zu finden. Bestimmt müssen wir diesen zu einem unverschämten Preis den Dieben abkaufen. George aus Kanada, schon ewig vor dem Covid19 Stau in La Paz stecken geblieben, leiht uns spontan seinen alten 2 PS Yamaha Aussenborder. Der ist perfekt! Neun Kilo leicht, klein und handlich. Das selbe Modell bestellen wir beim lokalen Händler. Nach zwei Wochen wird dieser aus der Hauptstadt in die Marina geliefert. Sobald der Motor eingefahren ist, verlegen wir die Robusta abseits vom ganzen Rummel, auf die andere Seite der Lagune und sausen nun mit dem kleinen Motörli hin und her!

February 25 2022

La Paz

Die Vorfreude ist gross. Nach über drei Monaten in der Natur, oder allenfalls in der Nähe von kleinen Siedlungen, ist die Stadt La Paz in Sicht. Endlich! Seit der  Rundung der Südspitze von Baja California, war Wind und Strömung nur noch gegen uns. An Segeln war gar nicht zu denken.  So wurden wieder einmal, gegen all unsere Prinzipien, völlig unsportlich, etliche Liter Diesel verbraten. Die unkontrollierte Schaukelei nervt. In jede Bucht läuft der Schwell ungebremst rein. Einzig in der Ensenada de Muertos schliefen wir wieder mal – wie es der Name verspricht – wie die Toten.

Für die letzten zehn Seemeilen bläst der Wind mit über 25 Knoten aus der gewünschten Richtung! So sind die negativen Gedanken im Nu im Winde verweht.

La Paz liegt an einer Lagune. Der Kanal und die Untiefen sind mit riesigen Tonnen markiert. Doch was soll denn sowas? 

Die Story dazu sieht so aus: beim vorletzten Sturm ging eine dieser Tonnen auf Wanderschaft. Um eine Kollision mit den ankernden Yachten zu verhindern, schleppte ein Segler diese mit seinem Dinghi zum nächst gelegenen Seezeichen und band es dort fest. Den Vorfall meldete er der Hafenbehörde. Monate später sieht alles noch genau gleich aus. 

In der Lagune liegen an die hundert Yachten vor Anker. Dieses Jahr sind es besonders viele. Da die meisten Länder, im Gegensatz zu Mexiko ihre Grenzen nach wie vor geschlossen halten, kommt kein Segler mehr weiter. So entstand ein sogenannter Covid19 Stau. Ansonsten brach der Tourismus in Mexiko um 40% ein. 

Die einen scheinen unbewohnt. Abgesehen von Seevögel und Ungeziefer war da schon sehr lange keiner mehr an Bord. Traurig zu sehen, wie diese Geisterschiffe vor sich hergammeln. Was ist aus ihren Besitzern geworden? La Paz hat den Ruf, dort segeln die Amis hin, um zu sterben.

Da die Strömung in in der Lagune je nach Mondstand sehr stark sein kann, und der Wind gerade flott bläst, Ankern wir die Robusta sehr nahe bei der Einfahrt der Marina La Paz. Dort befindet sich auch der Dinghi Steg. Der Boss der Marina, die Hafenbehörde und abschliessend auch noch die Armee rufen an, weil ihnen nicht passt, wo die Robusta liegt. Doch all diese Funksprüche hören wir nicht. Haben uns nach der Ankunft direkt mit dem Dinghi-zu-Wasser-lassen beschäftigt. Wollten möglichst noch bevor die Strömung wieder einsetzt, an Land rudern. Dennoch war der Trip in die Marina voll anstrengend. Total verschwitzt und durch die aufgewühlte See auch noch nass, versuchen wir nun an den Steg zu gelangen. Erste Konfrontation mit dem Covid19 Stau! Zu viele Dinghies. Würden alle ihre Gefährte an einer langen Leine festbinden, wäre alles kein Problem.

Von allem zu viel!

Entsprechend motiviert sind die Mitarbeitenden im Office. Die eine Señorita hält sich sichtlich angestrengt hinter dem Computer versteckt. Nach einer gefühlten Ewigkeit erhebt sie sich doch noch. Frage in spanisch, ob wir das Dinghi hier parken dürfen. Die Antwort kommt in Englisch: Ja das geht. Kostet zwei Dollar pro Tag. Ich dachte wir sind im Peso-Land! Mit Würgen finden wir heraus, dass es auch möglich ist, monatlich zu bezahlen. 30 Dollar pro Monat. Dinghi Park Gebühr ist was ganz neues für uns. Wohl etwas zu offen, zeige ich mein Entsetzen. Alles sei dafür mit einer Kamera bewacht. Und wer erkennt dann die Person die gerade mit dem Dinghi davonbraust?? Dass ausgerechnet ich, Wochen später, mit Hilfe der Kamera den Dieb erkenne, der mit einer Ladung frisch gewaschener Wäsche und zwei Einkaufstüten voller Lebensmittel entwischt ist, war echt verblüffend. Die Klamotten kamen zurück, doch der Food war aufgefressen.

Zwei Dinge stehen als höchste Priorität auf der Tu-was-Liste. Den geklauten Motor für das Dinghi ersetzen und einen Zahnarzt finden. Letzteres gerät ganz unbewusst für mehrere Wochen wieder in Vergessenheit. 

So besuchen wir den Club Cruzeros. Seglerclubs sind gute Orte um an Infos zu kommen und die lokalen Segler kennen zu lernen. Etwa zehn sehr alte Kreaturen sitzen an verschiedenen Tischen. Erster Gedanke der mir durch den Kopf schiesst: Thomas wir sind hier falsch. Das ist das Altersheim! Doch wir sind am richtigen Ort. Niemand erwidert unsere Begrüssung, oder redet mit uns. Schweigend starren wir nun, einen bitteren Cafe Americano schlürfend, aufs Anschlagbrett. Dort wird auf das morgendliche Funknetz verwiesen. Aktivitäten im Club scheint es keine zu geben. Covid19 sei Dank. So dackeln wir enttäuscht ab und erkunden die Stadt. 

February 20 2022

Cabo San Lucas

 

PartyKonsumam Strand bratenKonsummit Jetski ins Cockpit einer Yacht spritzenKonsum – 

24 / 7 Krach  – Ausflügedröhnende Kreuzfahrtschiffe vor Anker Golf – hier wird Englisch gesprochen……………      

viel Schwell in der Ankerbucht – 

 

Einkaufen und schnell wieder weg hier!

Freuen uns auf La Paz. Doch es kommt alles anders als gewollt. Nach dem ersten Landgang liegen wir, von Durchfall und Erbrechen gequält, währen drei Tagen flach. Der Wind fehlt eine ganze Woche. Ab Cabo Frailes tritt der endgültige Frust ein. Nur noch Gegenwind für die nächsten 100 Seemeilen. Versuchen zu kreuzen. Doch die Gegenströmung verunmöglicht ein Vorankommen. So bleibt nicht viel anderes übrig, als an windlosen Tagen unter Motor in den Norden zu gelangen. Beissen uns buchstäblich die Zähne auf dieser Strecke aus. Ja nu, ein Zahnarztbesuch ist in La Paz eh vorgesehen!

February 15 2022

Puerto San Carlos – das Paradies der Pelikane und Diebe

Nun brauchen wir definitiv einen Ort um die Wäsche zu waschen. Nachts wird es empfindlich kalt. Ich rede von Temperaturen um die 10 Grad. Der Winter in der Baja California ist aus Schweizer Sicht sehr mild. Sämtliche Decken sind vom letzten heftigen Sturm noch immer feucht und salzig. Thomas ist grantig. Er will in die Zivilisation. Kann gar nicht verstehen warum es jetzt auf einmal so eilt. Mir gefällt es ausserordentlich gut in der Bahia Santa Maria. Doch ab sofort bin ich auch mies gelaunt. Der nächste Ort, Puerto San Carlos, liegt in der Lagune Magdalena, Luftlinie gerade mal nur acht Seemeilen entfernt. Doch der Eingang in die Lagune befindet sich zwanzig Seemeilen südlich. Dann unter Motor nochmals so weit wieder nordwärts, einem abgesteckten Kanal mit starken Strömungen entlang. In der Lagune ist echt was los. Von weitem ist zu erkennen, dass die See hie und da weiss aufschäumt. Brandung? Brechende Wellen? Es sind Grauwale die mit dem ganzen Körper aus der See springen und seitwärts auf’s Wasser klatschen. Bitte jetzt nicht auf der Robusta landen! Da es bald dunkel wird, fällt der Anker und wir werden morgen die Strömung nutzend, weiter ziehen. Eine sehr schöne Fahrt. Der im Zickzack verlaufende Kanal ist gut markiert. Dachten wir können eine Abkürzung nehmen. Stecken geblieben! Bei auflaufendem Wasser ist das nicht so tragisch. Laut Seekarte wäre es genug tief gewesen. Mittlerweile ist klar geworden, warum Thomas es so eilig hat in die Zivilisation zu kommen. Seine Zigaretten hatten Sturmschäden erlitten. 

Da sich selten Segler nach Puerto San Carlos verirren, sind auch entsprechend wenig Informationen über dieses Seegebiet zu finden. In solchen Situationen dient Google Maps als Hilfe. Damit ist jedoch auch kein schlauer Ort zu erkennen, um mit dem Dinghi anzulanden. Da die Lagune sehr flach ausläuft, ist ankern nur mindestens eine halbe Seemeile vom Ufer entfernt möglich. Die optimalste Lösung scheint vor dem Hotel Mar y Arena. Das Dinghi wird dort bestimmt sicher liegen! Doch bei Ebbe ist das Wasser verschwunden. Schnell haben wir kapiert, auf die Gezeiten und den Wasserstand zu achten! Ĺandgang ist nun von “Don Luna” diktiert! Im Hotel mit dem schönen Dach aus Palmblättern, bestellen wir erstmal zwei Bier. Bald sitzt der Boss an unserem Tisch. Er hat gesehen, dass wir mit einer Yacht gekommen sind. Wie gehofft dürfen wir unsere riesige Ladung muffeliger Wäsche gegen wenige Pesos zum waschen abgeben. Ich schäme mich. Bestehe darauf, dass ich alles selber in die Maschinen stopfe und dann schnell den Deckel schliesse.

Im Hof vom Hotel parken auch einige Geländefahrzeuge. Kanadier und US-Amerikaner, die seit Monaten in ihren zum Teil sehr originellen Fahrzeugen durch Mexiko brausen. Eine spannende abenteuerlustige Truppe! Aus meiner Sicht hat die Familie, die einen Mercedes Unimog aus den 50er Jahren in ihr Zuhause verwandelt hat, den ersten Preis gewonnen. Es handelt sich um ein ausgedientes Feuerwehrauto! Macht auch wirklich Sinn in der Wüste. Könnte ja schon dann und wann mal vorkommen, dass es einen Brand zu löschen gibt – sei es auch nur vom Tequila saufen. Sara und Andy mit ihren zwei Kindern, sind bereits seit Jahren auf’s einfache Nomadenleben auf engstem Raum umgestiegen. Andy macht Dokumentarfilme. Am nächsten Morgen sitzt er mit seiner ganzen Filmausrüstung auf der Robusta, um mit uns ein Interview zu führen. Er ist total begeistert über unsere Reise und würde am liebsten mitsegeln um eine grössere Doku zu drehen. Doch leider ist die Robusta für noch weitere vier Personen an Bord viel zu klein.

Im Fischereihafen haben wir gestern Diesel und Wasser getankt. Mussten dazu längsseits eines Kutters anlegen. Kein herkömmlicher Fender würde das Manöver überleben. So gräbt Thomas die Autoreifen aus dem Ankerkasten. Die sind immer perfekt für solch gröbere Aktionen wie Hafenmauern die mit Austern bewachsen sind. Für weisse Yachten jedoch nicht geeignet, da sie schwarz abfärben. Es scheint, sämtliche Pelikane der Erde hätten sich hier versammelt. Welch ein Wunder hat uns keiner auf die Birne geschissen. Sicherheitshalber trug ich einen Hut mit breiter Krempe. Der scharfe Gestank reizt mein Riechorgan und leitet unmittelbar ein Signal an die im Hirn für Würgreflexe zuständige Stelle. Sauberes Trinkwasser wird mit einem Tanklastwagen geliefert. In der Wüste handelt es sich dabei um desaliniertes Meerwasser. 500 Liter, inklusive Lieferung, kostete 25 Dollar. Nein wir haben keinen Wassermacher. Nach fast acht Jahren segeln, war Wasserbeschaffung selten ein Problem. 

Eine Woche später fahren wir der Mole entlang. An den Fischkuttern vorbei, die gerade entladen werden. Hunderte Pelikane flattern gierig nach Fisch durch die Luft. Wir beide sitzen auf dem Rücksitz, diesmal geschützt von den kackenden Vögeln, im Polizeiauto.

Die nächsten Tage bekommen wir einen Einblick, es versteht sich von selbst, nur einen sehr oberflächlichen, in die kriminellen Strukturen Mexikos. Das reicht uns schon völlig. Der Polizist stellt ein Papier für die Versicherung aus. Basta. Und somit ist sein Job erledigt. Haben wir nicht! Keine Versicherung wollte unseren alten Stahlkutter Kasko und gegen Diebstahl versichern. Es wird doch möglich sein, in einem kleinen Dorf die Pappenheimer zu finden, die unseren Dinghi Motor geklaut haben! Den Polizisten können wir wohl in der Pfeife rauchen. Trotzdem werde ich ihn die nächsten zwei Wochen täglich nerven und nachfragen, was seine “Investigaciones” gebracht haben. In den zahlreichen Gesprächen mit ihm, erfahre ich, dass es in diesem Gebiet der Lagune über 3000 Pangas, kleine offene Fischerboote mit riesigen Ausserbordmotoren, gibt. Verstehe, das ist jetzt wirklich blöd, dass wir den Namen in der Dunkelheit nicht erkennen konnten, als die beiden zugedröhnten Typen nachts grölend mit dem Panga langsam an der Robusta vorbeifuhren. Die ganze Region lebt vom Fisch- und Krabbenfang und im Winter zum Teil von Waltourismus. Weiter verrät der Polizist, der gerade nichts wichtigeres zu tun hat als sein Polizeiauto zu waschen, dass die Droge Crack immer mehr unter den Fischer konsumiert wird. Das hält nachts wunderbar wach.

Wir erzählen dem Hotelmanager was letzte Nacht los war. Er bedauert den Vorfall  ausserordentlich! Vergesst die Polizei! Die sind in Mexiko schlecht ausgebildet und bekommen einen miesen Lohn. Ihren Aufgaben sind sie nicht gewachsen, und erst recht nicht wenn es um den Kartellkrieg geht! Letztes Jahr wurde immer wieder in Häuser eingebrochen. Die Dorfgemeinschaft nahm die Angelegenheit selber in die Hand. Wie diese Lösung genau aussah, verriet er nicht. Er schwingt sich unmittelbar ans Telefon und führt mit der Tourismusdirektorin ein langes Gespräch! Denn dieser Vorfall ist für den Tourismus nicht gerade förderlich. Vor allem in der Seglerszene verbreiten sich negative Ereignisse in den Foren und via Facebook rasant. Echt schade für diese schöne Gegend. 

Senor Anonym, seinen Namen erwähne ich lieber nicht, erklärt wie der Chili in Mexiko wächst: Organisierte Banden stehlen alles was sich auf dem Schwarzmarkt gut verticken lässt. Die Ware gilt für die ersten Monate erst mal als „heiss“ und wird irgendwo zwischengelagert. Der Vertrieb läuft später über’s Internet. Señor Anonym schaltet für uns in seinem Namen ein Inserat, in welchem er so tut, als suche er einen 6 PS Aussenborder. Täglich durchforsten wir nun das Internet, ob irgendwo unser Motor zum Verkauf angeboten wird. Aber eben, die Ware ist noch zu heiß – somit bleibt die Hoffnung vorerst mal gering, ihn bereits zu wiederzufinden.

Die ganze Story ist eigentlich wirklich fies. Das Misstrauen gegenüber den Fischern, die am späten Abend mit ihren Pangas vorbeikommen um uns Krabben zu verkaufen, ist nun gross geworden. Von nun an wird das Dinghi an die Robusta gekettet und alles was nicht niet- und nagelfest ist eingeschlossen.

Wir sind nicht böse. Durch die Pandemie ist die Fischerei ein Sektor der stark von den Covid19 Massnahmen betroffenen ist und somit  so manche Familie an den Rand der Existenz gebracht hat.

Gegen Wind und starke Strömungen Rudern, macht vor allem mir  immer mehr Spass, mich an den Riemen so richtig auszutoben. 

January 8 2022

Wunden lecken

Was in Salzwasser getränkt ist, trocknet nicht mehr richtig. Noch schlimmer – es beginnt innert Kürze massiv zu stinken. 

Die nächsten Tage ist es tagsüber so richtig schön warm. Sämtliche Decken, Polster und Kissen und einige Kleider liegen nun aufgetürmt an Deck in der Sonne. Die nächsten Tage befassen wir uns mit dem vom vergangenen Sturm entstandenen Chaos. Schapps ausräumen und besonders die Lebensmittel kontrollieren. Jedes Einmachglas muss abgespült werden, damit die Metallbügel nicht korrodieren. Der Motor hat auch ziemlich was abbekommen. Alles wird mit – vor allem jetzt in der Wüste – so wertvollem Trinkwasser gespült. Salzwasser im Motorraum geht gar nicht! Die Dichtung vom Motordeckel gehört erneuert. Thomas zerlegt sicherheitshalber den Alternator und revidiert diesen sorgfältig. Robusta sieht wie ein driftender Flohmarkt aus.

Sämtliche Lebensmittel sind in Petflaschen gefüllt oder in Container verpackt. Diese Mühe hat sich nun ausgezahlt! Durchnässte Esswaren wäre nicht gut. Schon gar nicht auszudenken, auf einer langen Überfahrt von einem Kontinent zum nächsten! Dann kannst du echt nur noch auf deine eigenen Fettreserven zählen! Oder halt nur noch mehrmals täglich Fisch futtern.

Ausser der Yacht aus Frankreich ziehen alle direkt nach Cabo San Lucas weiter. Jacques und Francoise segeln bereits seit vielen Jahren. Er hat seine wunderschöne Holzyacht in Südfrankreich selber gebaut. Die beiden sind uns auf Anhieb sehr sympathisch. Sie haben nahezu eine ähnliche Strecke wie wir zurückgelegt. So gibt es viel zum quasseln. Während der Pandemie sind sie in Kanada stecken geblieben.

Jacques hilft uns den Mast unter die Lupe zu nehmen. Ich schreibe Aleko ein Mail, der mir in Argentinien geholfen hat, den Holzmast zu revidieren. Er meint das könne fast nicht sein, dass der beschädigt ist. Ein weiterer Fachmann und Kolleg fand es echt verschissen, dass wir damals den Mast so dermassen mit einer Glasmatte eingepackt und mit Epoxi überpinselt haben. “Todesmantel”! So können faule Stellen nicht mehr erkannt werden. Auf der Reiseroute die wir gewählt haben, ist es schlicht nicht möglich den Mast jährlich wieder demontieren um ihn wie erforderlich zu pflegen. So entstand für uns diese gangbare Kompromisslösung, um ihn vor extremer Hitze, UV-Srahlung und Kälte zu schützen.  Ich behaupte, ich habe alle Arbeiten bei der Renovation sehr sorgfältig ausgeführt. Unschöne Stellen grosszügig rausgespitzt und mit neuem Holz ersetzt, Feuchtigkeit gemessen, jedes Schraubloch und selbst die Schraube vor der Montage aller Stufen und Beschläge mit viel hochwertigem Silikon gefüttert. Die Maststufen machen eine regelmässige Kontrolle nach Schäden möglich. Wo Wasser ins Holz eindringt, wären braune Spuren sichtbar. 

Schlussendlich finden wir heraus, dass es die zerstörten Rollen waren, die das ächzende Geräusch verursacht haben. Wir beobachten jedoch weiterhin wenn es wieder mal so richtig wild bläst…. Hoffen jedenfalls nie mehr so deftigen Wind zu erleben!

Verbringen die Zeit nicht ausschliesslich mit Putzen. Gönnen uns auch Pausen. Im Januar kommen die Grauwale von Alaska in den warmen Gewässern der Lagunen an, um zu gebären. Die Grauwale schwimmen manchmal sehr nahe am Boot vorbei. Ich frage mich, wer wen beobachtet. Es scheint als gucken sie neugierig durch die schimmernde Wasseroberfläche uns direkt in die Augen. Ende März sind die Kälber stark genug, um ihre erste lange abenteuerliche Reise in den nährstoffreichen Norden anzutreten.  Grauwale waren weltweit sozusagen ausgerottet. Nur die Population im Pazifik hat sich seit 1986 erstaunlich gut erholt, nachdem für 42 Nationen der Erde das Walfang-Moratorium gilt. Für viele Arten kam diese Regelung jedoch zu spät! 

 

January 2 2022

Abreojos, Bahia Santa Maria

Da mein Sohn Sascha wegen der ganzen Covid19 Situation und den in Europa all Hennenschiss wechselnden Regeln nicht nach Mexiko auf Besuch kommt, lassen wir uns viel Zeit um die am Pazifik gelegene Seite der Baja California zu entdecken. Dass bald eine mega Putzaktion ansteht, damit haben wir mitten im Winter nicht gerechnet!

Auf den ersten Blick scheint diese leblose Wüste nur aus Steinen, Staub und Sand zu bestehen. Der zweite Blick offenbart ein bezauberndes Geheimnis. Die kargen Stachelgestrüppe tragen winzig kleine Blüten. In schattigen Schluchten wächst sogar Grünzeug! Unzählige Vögel tummeln sich darin und zwitschern dabei ausgelassen. Berge, Sanddünen, zahlreiche Pflanzen und natürlich die berühmten Säulenkakteen, die in jedem Western-Film zu sehen sind. Sogar riesige Sanddünen und Mangroven durchziehen die Landschaft. Ein wahres Naturparadies!

Silvester würden wir gerne gemeinsam mit anderen Leuten feiern. So ankern wir in der offenen Bucht vor Abreojos, was so viel wie “öffne die Augen” bedeutet. Zahlreiche vorgelagerte Riffe und Untiefen, sowie starke Strömungen ums Kapp erfordern nebst den weit geöffneten Augen gute sorgfältige Planung bei der Anfahrt. Mit dem Dinghi am Strand in einem Paradies für Surfer anzulanden, sieht vom Schiff auch nicht gerade einfach aus. Mal sehen ob diese Brandung ohne Kentern überwindbar ist. So rudern wir an Land. Der Motor bleibt sicherheitshalber bei der Robusta. Was trocken bleiben soll, ist in einem wasserdichten Beutel verpackt. Immerhin blieb der Oberkörper bei der Strandung trocken. Das Dorf ist total gepflegt. Vor den kleinen Steinhäuser stehen unzählige Töpfe mit Zierpflanzen. An der Strandpromenade laden  lustige originelle Mülleimer geradezu ein sie zu benützen. Es sind schliesslich Schildkröten, Seelöwen, Wale die gefüttert werden müssen.

Mexiko  – kontroverser geht’s wohl kaum.

Die Menschen die wir bis jetzt kennen lernen durften, waren überall sehr nett. Laufen wir durchs Dorf, grüssen wir freundlich und sofort sind sie für einen Schwatz bereit. Spanisch sprechen ist jedoch die Voraussetzung. Ich bin Jose, mein Haus ist am Ende der Strasse. Falls ihr etwas braucht, kommt vorbei. Er und andere Fischer warnen uns später vor dem kommenden Unwetter. Wir seien sicherer auf offener See! Die Wellen in der Bucht werden sich bis weit draussen brechen. Gestern sahen wir es ebenfalls im Wetterbeicht. Doch heute sieht alles ganz und gar nicht mehr so übel aus. Aber wir nehmen den Hinweis ernst. 

35 Seemeilen südlich von der Küste entfernt, wird die See schwerer. Der Wind kommt nun direkt aus Süd wo wir hin wollen und hat schon deutlich an Stärke zugenommen. Zeit um das Schiff auf das kommende Unwetter vorzubereiten. Alle Luken schliessen, die Lüftungen mit Schwimmnudeln zustopfen Die passen wie angegossen in die Dorade Lüfter! Gutes System welches jedoch das Eindringen von Wasser nicht verhindern, wenn Wellen über das ganze Schiff krachen. Das Sturmfock ist gesetzt und ins Grosssegel ist das 3. Reff gebunden, der Klüver ist komplett eingerollt. So liegt die Robusta nun ziemlich stabil und einigermaßen ruhig in der See. Sie driftet dabei langsam gegen die Küste. So essen wir noch was leckeres bevor es wirklich wild wird. 

Thomas schiebt Wache, ich versuche etwas zu schlafen. Gegen Morgen wird es wesentlich ruhiger. Hole mir eine Banane aus der Achterkabine und lasse dabei das Steckschott offen. Der Wind hat schon fast wieder nach Nord gedreht und scheint schwächer zu werden. Beim Gedanken ans Ausreffen, werde ich unsanft von fliegenden Bücher bombardiert. Thomas widerfährt ein Schrei. Versuchen uns ins Cockpit zu kämpfen. Logisch passiert sowas wenn es total dunkel ist. Die Robusta liegt völlig auf der Seite. Reisse das Grossschot los, womit sich das Schiff wieder etwas aufrichtet, wobei sich jedoch  das ganze Wasser vom Cockpit nun in den Salon ergiesst. Bis es Thomas gelingt das Grosssegel zu bergen, steigen weitere Wellen ein. Ich lenze manuell das Wasser raus. Die Achterkabine ist auch gefüllt. 

Was war das denn jetzt???

Gegen Mittag kommt die Baha Magdalena in Sicht. Vier Yachten liegen dort vor Anker. Segeln bei leichtem Wind noch immer gerefft in die Bucht ein. Unter voller Besegelung hat der Holzmast beängstigende Knarrgeräusche von sich gegeben. Dave ist Pilot und erklärt uns das Wetterphänomen von letzter Nacht, welches er aus der Luftfahrt kennt. Das muss es gewesen sein. Denn mit dem Winddreher wurde alles erst ruhiger. Doch dann, von einer Sekunde zu nächsten, stürzte laut tosend massiv viel Regen vom Himmel und eine noch nie so stark erlebte Böe drückte den 14 Tonnen schweren Stahleimer auf die Seite bis das Grossegel mit dem Schothorn ins Wasser tauchte!

Was ist mit dem Mast?? Keine der Wanten ist gebrochen. Paar Rollen durch die die Reffleinen laufen sind zerstört. Alle Segel sind noch ganz. Da innen alles gut verstaut war und die Schapps gesichert waren, sind nur paar Bücher rumgeflogen. Doch die Matratzen im Salon sind nass, das Wasser ist auf der Backbordseite überall reingelaufen.  Am schlimmsten sieht die Achterkabine aus. Dort drin ist alles nass. Das frische Gemüse gleicht einem Komposthaufen. Der Laptop hat den Flug durch die Bude nur halbwegs überlebt. Der Bildschirm hat einen diagonalen Riss abbekommen. Nun leuchtet die obere Hälfte in schillernd blauen Wassertönen! So viel zur Erklärung weil so lange keine Blogeinträge kamen. 

Alle in der Bucht wissen bereits Bescheid. Sie hatten uns am Funk mit Kollegen reden gehört. Na ja – soviel zum Funkgeheimnis ….

Kaum ist das Ankermanöver erledigt, sausen bereits Nachbarn mit ihren Dinghis heran. Jemand bringt eine grosse Tüte voller Lebensmittel zum Trost! Am Abend sind wir zu einem Pot Luck Dinner auf einem riesigen Katamaran eingeladen. 

December 26 2021

Baja California Nord – Kulturschock vom feinsten

Alles beginnt in Mexiko etwas schräg. Der Wind schlafft recht schnell ab. Für die knapp 70 Seemeilen von San Diego  nach Ensenada ist erst viel Wind prognostiziert, der nach wenigen Stunden abschlaffen wird. Es gelingt uns die gesamte Strecke unter Segel zurückzulegen. Zwei Drittel davon im Schneckentempo. Wollten eh nicht zu früh ankommen, damit wir nur einen Tag Marina bezahlen müssen. In absoluter Dunkelheit in einen unbekannten Hafen einlaufen, ist nicht gerade angenehm. Übermüdet und von all den Lichtern der Stadt geblendet, sind die Seezeichen schlecht auszumachen und die unbeleuchteten Pangas erst recht nicht. Keine der Marinas ist per Funk zu erreichen. So steuern wir die erste Marina an. Dies ist dummerweise genau die teure Cruiseport Village die wir meiden wollten! Bei Sonnenaufgang wechseln wir die Marina.

Noch bevor der Wecker klingelt, poltert bereits jemand von der Gesundheitsbehörde ans Schiff und will Fieber messen! Der Agent ist auch schon da! Mist. Tranquillo! Sind gerade etwas überrumpelt. Ich setze einen starken Kaffee auf und verabreiche der freundlichen Beamtin auch einen potenten italienischen Espresso. Haben während all den Jahren noch nie einen Agenten für das Einklarieren in Anspruch genommen. Nicht einmal in Japan! O.k, bis der ganze Papierkram erledigt war, sind zehn Tage verstrichen. Im Nachhinein war die Zusammenarbeit mit dem Mexikanischen Agenten sehr angenehm. Die Investition von 30 US Dollar hat viel Zeit gespart. Doch der Prozess kam etwas ins stocken, als es um die für Mexiko obligatorische Haftpflichtversicherung für das Schiff ging. Die englische Übersetzung wurde nicht akzeptiert. Mit der Italienischen Ausgabe waren sie auch nicht zufrieden zu stellen. Telefonieren ging nicht mit der Sim Karte von Alaska. Zudem war die Alianz Versicherung in der Schweiz zu dieser Uhrzeit am pennen. Dieses Versäumnis nagt vom Budget 200 US Dollar weg. Eventuell ist es eh einfacher mit einer Mexikanischen Versicherung ausgerüstet zu sein, falls was teures gerammt wird.

In Ensenada hatte ich noch Kontakt mit meinem Sohn Sascha. In Europa steigen die Covid19 Fälle rapide an. In Mexiko auch. Schweren Herzens beschliessen wir, unser Treffen in La Paz aufzuschieben. Ich bin sehr traurig. Ich habe mich so sehr darauf gefreut ihn wieder zu sehen und gemeinsam etwas Zeit zu verbringen. 

Um drei Uhr Nachmittags sticht die Robusta randvoll mit Tacos & Tortillas und Co wieder in See. Für die nächsten 1300 Kilometer, bis ganz im Süden der Baja California, gibt es nahezu keine Einkaufsmöglichkeiten. Diesel bekommst du nur auf halben Weg in der Bahia Tortugas zu Wucherpreisen. Wir sind von diversen Seglern vorgewarnt. Ich denke der Ort ist so vermasselt wegen der jährlichen Baja Ha-Ha Cruisers Ralley. Ende Oktober walzen  jährlich an die 200 Yachten von San Diego bis nach Cabo San Luca und überfallen buchstäblich den kleinen Ort in dem mal gerade knapp 600 Personen leben. 

Es ist kurz vor Weihnachten. Ausser fruztrockenen Sand ist kein Schnee in Sicht, was bei Schweizern irgendwie keine Weihnachtsstimmung aufkommen lässt. Sollen wir uns beeilen um in La Paz mit anderen Segler zu feiern? Bahia Tortugas ziehen wir nicht in Erwägung. Ich würde gerne einen Zwischenhalt auf der Insel Guadelupe, einem Naturschutzgebiet das nur von ein paar saisonalen Fischern  und Forschern bewohnt ist einlegen. Doch dieser Plan fällt wetterbedingt aus. Stattdessen finden wir auf der Insel Cedros Schutz. Ankern ausserhalb des kleinen Fischerhafen. Lebt hier überhaupt jemand ausser Pelikane? Alles scheint so geisterhaft. Der Steg sieht aus als sei er gestern von einem Tsunami zerstört worden. Latschen sprachlos der mit allerlei Müll gezierten Hauptstrasse den Berg hoch, um bei der Capitania einzuklarieren. Alles ist extrem trocken und staubig. Das Kaff wäre die perfekte Filmkulisse für einen No Future Film! Ich habe Mexiko ganz anders in Erinnerung. Zwei mal bin ich vier Monate, alleine mit meinem kleinen Sohn, mit Rucksack und Hängematte durch dieses faszinierende Land gereist. Allerdings immer südlich von Mexiko City.

Der Hafenmeister fordert uns per Funk auf, wegen dem aufkommenden Sturm im engen Hafenbecken zu ankern. Mit der SIM Karte aus Alaska, die für die ganze USA, Kanada und Mexiko funktionieren soll, ist kein Signal zu empfangen. Doch die kleine Gemeinde hat eine eigene Antenne errichtet, um Anschluss per Satellit zur Aussenwelt zu haben. Für ein paar Pesos für uns, jedoch teuer für Mexikaner, kaufen wir fünf Gigabytes Daten um an Weihnachten Kontakt zu unseren Familien herzustellen. Genau während der Feiertage fegt der Sturm derart heftig über die Insel, dass wir es nicht wagen, die Robusta alleine vor Anker zu lassen. An Land wird mit voller Energie gefeiert. Tausende Knallkörper und Raketen sausen in alle Richtungen druch’s Kaff. Die Musik dröhnt fröhlich bis in die frühen Morgenstunden und wir beobachten das ganze Geschehen einsam vom Schiff.

 

 

December 14 2021

Bye bye Amerika – hasta pronto Mexiko

Betreffend Ankern herrscht in San Diego wieder das ähnliche Geschiss wie in der Bay Area von San Francisco. Die Regulierungen, Port of San Diego) erfordern ein sorgfältiges Studium. Das Wichtigste kurz zusammengefasst: Wer im San Diego Bay ankern will, muss erst mit dem Schiff bei der Hafenpolizei vorfahren. Dort wird das Gefährt unter die Lupe genommen. Es geht vor allem um Umweltschutz. Darum muss ein Fäkalientank vorhanden sein und in der Motorbilge darf absolut kein Oel rumschwappen. 

Es wird schon bald dunkel. Bei der Hafenpolizei ist bereits niemand mehr.  So schnappen wir uns  die nächstbeste Boje im Kanal und machen dort fest. Das war schon mal falsch. Der Besitzer ist jedoch nicht aufgetaucht. Trotzdem tuckern wir schon sehr früh zur Hafenpolizei. Doch da ist wieder niemand. Wir hätten telefonisch einen Termin vereinbaren müssen. Die Kontrolle ist rasch erledigt. Ein Papier erlaubt uns nun für drei Monate kostenlos im A9 Ankerplatz zu liegen. Dies gilt nur für Yachten ausserhalb von San Diego. Für die lokalen Segler gelten strengere Regeln. Sie müssen alle paar Tage den Standort wechseln. 

A9 ist krass. Direkt neben der Landepiste des internationalen Flughafens gelegen und mit bester Aussicht auf die Skyline von San Diego! Vom Dinghi Dock bist du in zehn Minuten zu Fuss mitten im Zentrum. Einkaufen ist wieder wie in allen amerikanischen Städten ohne Auto höchst kompliziert. Im Zentrum befinden sich nur Büros, Restaurants und Bars. Keine kleinen Einkaufstrassen  mit allerlei verschiedenen Geschäften. Sowas findest du in den Shopping Malls. Die liegen weit vom Zentrum entfernt. In San Diego gibt es noch viele andere Dinge zu entdecken. Egal, wir freuen uns auf’s Einkaufen  in Mexiko, wo alles wesentlich günstiger sein wird!

Das Maritime Museum, mit dem ältesten noch aktiven Segelschiff, der Star of India, war leider geschlossen. Schade. Etwas enttäuscht schlendern wir weiter am Ufer entlang. Stehen nun vor der USS Midway. Der bis 1955 grösste US-Flugzeugträger ist heute ein Museum. Erst sträube ich mich da rein zu gehen. Ich verabscheue Krieg. Thomas überredet mich. Weil wir uns in Museen eh immer verlieren, werden wir uns in einer Kneipe wieder treffen. Drinnen, während einer Filmvorführung erst recht, überkommt mich ein Schwall von Emotionen. Ich denke an all die jungen Männer und Frauen, die ihre Jugendzeit auf der USS Midway gedient haben und wie viele junge Leben dabei draufgegangen sind. Schrecklich! Ich bin dankbar musste mein Sohn nicht in irgendwelche Kriege ziehen. Die Angestellten haben alle in der Vergangenheit auf diesem Flugzeugträger gedient. Sie gehen verblüffend offen auf unsere kritischen Fragen ein. Ich hockte mich in jeden Jet rein und auch noch in den Flugsimulator. Der war allerdings recht heftig! Sehr eindrücklich! Nun versuchte ich mir vorzustellen, wie alles bei schwerer See und während einer Schlacht abgegangen ist. In  geheimer Mission mischte ich mich unter eine Schulklasse, um den Schülern jegliche Gedanken an den Eintritt in die Armee zu vermiesen. Nach sechs Stunden war ich noch immer nicht durch. So bekam ich am Ausgang für den nächsten Tag nochmals ein Ticket. 

Bevor die Reise über eine der  meist bewachten Grenze der Erde geht, müssen wir am Flughafen ausklarieren. Achte darauf, dass die Exit clearance ausgestellt wird. Wird oft vergessen. Der Wind saust in heftigen Böen bis 40 Knoten über den Ankerplatz.  Immer wieder wache ich auf. Der Anker hält gut. Sobald der Wind gedreht hat, geht’s los. Thomas weckt mich um vier Uhr mit einem starken Kaffee. Es regnet und stürmt noch immer recht heftig. Haben Mühe die Segel zu setzen weil alles arg flattert. Was für ein Drama sich vor wenigen Stunden draussen am Coronado Beach zugetragen hat, erfahren wir erst Tage später. Fünfzehn vor Anker liegende Yachten sind in der Nacht gestrandet!

Bye Bye Amerika!

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