Nun brauchen wir definitiv einen Ort um die Wäsche zu waschen. Nachts wird es empfindlich kalt. Ich rede von Temperaturen um die 10 Grad. Der Winter in der Baja California ist aus Schweizer Sicht sehr mild. Sämtliche Decken sind vom letzten heftigen Sturm noch immer feucht und salzig. Thomas ist grantig. Er will in die Zivilisation. Kann gar nicht verstehen warum es jetzt auf einmal so eilt. Mir gefällt es ausserordentlich gut in der Bahia Santa Maria. Doch ab sofort bin ich auch mies gelaunt. Der nächste Ort, Puerto San Carlos, liegt in der Lagune Magdalena, Luftlinie gerade mal nur acht Seemeilen entfernt. Doch der Eingang in die Lagune befindet sich zwanzig Seemeilen südlich. Dann unter Motor nochmals so weit wieder nordwärts, einem abgesteckten Kanal mit starken Strömungen entlang. In der Lagune ist echt was los. Von weitem ist zu erkennen, dass die See hie und da weiss aufschäumt. Brandung? Brechende Wellen? Es sind Grauwale die mit dem ganzen Körper aus der See springen und seitwärts auf’s Wasser klatschen. Bitte jetzt nicht auf der Robusta landen! Da es bald dunkel wird, fällt der Anker und wir werden morgen die Strömung nutzend, weiter ziehen. Eine sehr schöne Fahrt. Der im Zickzack verlaufende Kanal ist gut markiert. Dachten wir können eine Abkürzung nehmen. Stecken geblieben! Bei auflaufendem Wasser ist das nicht so tragisch. Laut Seekarte wäre es genug tief gewesen. Mittlerweile ist klar geworden, warum Thomas es so eilig hat in die Zivilisation zu kommen. Seine Zigaretten hatten Sturmschäden erlitten.
Da sich selten Segler nach Puerto San Carlos verirren, sind auch entsprechend wenig Informationen über dieses Seegebiet zu finden. In solchen Situationen dient Google Maps als Hilfe. Damit ist jedoch auch kein schlauer Ort zu erkennen, um mit dem Dinghi anzulanden. Da die Lagune sehr flach ausläuft, ist ankern nur mindestens eine halbe Seemeile vom Ufer entfernt möglich. Die optimalste Lösung scheint vor dem Hotel Mar y Arena. Das Dinghi wird dort bestimmt sicher liegen! Doch bei Ebbe ist das Wasser verschwunden. Schnell haben wir kapiert, auf die Gezeiten und den Wasserstand zu achten! Ĺandgang ist nun von “Don Luna” diktiert! Im Hotel mit dem schönen Dach aus Palmblättern, bestellen wir erstmal zwei Bier. Bald sitzt der Boss an unserem Tisch. Er hat gesehen, dass wir mit einer Yacht gekommen sind. Wie gehofft dürfen wir unsere riesige Ladung muffeliger Wäsche gegen wenige Pesos zum waschen abgeben. Ich schäme mich. Bestehe darauf, dass ich alles selber in die Maschinen stopfe und dann schnell den Deckel schliesse.
Im Hof vom Hotel parken auch einige Geländefahrzeuge. Kanadier und US-Amerikaner, die seit Monaten in ihren zum Teil sehr originellen Fahrzeugen durch Mexiko brausen. Eine spannende abenteuerlustige Truppe! Aus meiner Sicht hat die Familie, die einen Mercedes Unimog aus den 50er Jahren in ihr Zuhause verwandelt hat, den ersten Preis gewonnen. Es handelt sich um ein ausgedientes Feuerwehrauto! Macht auch wirklich Sinn in der Wüste. Könnte ja schon dann und wann mal vorkommen, dass es einen Brand zu löschen gibt – sei es auch nur vom Tequila saufen. Sara und Andy mit ihren zwei Kindern, sind bereits seit Jahren auf’s einfache Nomadenleben auf engstem Raum umgestiegen. Andy macht Dokumentarfilme. Am nächsten Morgen sitzt er mit seiner ganzen Filmausrüstung auf der Robusta, um mit uns ein Interview zu führen. Er ist total begeistert über unsere Reise und würde am liebsten mitsegeln um eine grössere Doku zu drehen. Doch leider ist die Robusta für noch weitere vier Personen an Bord viel zu klein.
Im Fischereihafen haben wir gestern Diesel und Wasser getankt. Mussten dazu längsseits eines Kutters anlegen. Kein herkömmlicher Fender würde das Manöver überleben. So gräbt Thomas die Autoreifen aus dem Ankerkasten. Die sind immer perfekt für solch gröbere Aktionen wie Hafenmauern die mit Austern bewachsen sind. Für weisse Yachten jedoch nicht geeignet, da sie schwarz abfärben. Es scheint, sämtliche Pelikane der Erde hätten sich hier versammelt. Welch ein Wunder hat uns keiner auf die Birne geschissen. Sicherheitshalber trug ich einen Hut mit breiter Krempe. Der scharfe Gestank reizt mein Riechorgan und leitet unmittelbar ein Signal an die im Hirn für Würgreflexe zuständige Stelle. Sauberes Trinkwasser wird mit einem Tanklastwagen geliefert. In der Wüste handelt es sich dabei um desaliniertes Meerwasser. 500 Liter, inklusive Lieferung, kostete 25 Dollar. Nein wir haben keinen Wassermacher. Nach fast acht Jahren segeln, war Wasserbeschaffung selten ein Problem.
Eine Woche später fahren wir der Mole entlang. An den Fischkuttern vorbei, die gerade entladen werden. Hunderte Pelikane flattern gierig nach Fisch durch die Luft. Wir beide sitzen auf dem Rücksitz, diesmal geschützt von den kackenden Vögeln, im Polizeiauto.
Die nächsten Tage bekommen wir einen Einblick, es versteht sich von selbst, nur einen sehr oberflächlichen, in die kriminellen Strukturen Mexikos. Das reicht uns schon völlig. Der Polizist stellt ein Papier für die Versicherung aus. Basta. Und somit ist sein Job erledigt. Haben wir nicht! Keine Versicherung wollte unseren alten Stahlkutter Kasko und gegen Diebstahl versichern. Es wird doch möglich sein, in einem kleinen Dorf die Pappenheimer zu finden, die unseren Dinghi Motor geklaut haben! Den Polizisten können wir wohl in der Pfeife rauchen. Trotzdem werde ich ihn die nächsten zwei Wochen täglich nerven und nachfragen, was seine “Investigaciones” gebracht haben. In den zahlreichen Gesprächen mit ihm, erfahre ich, dass es in diesem Gebiet der Lagune über 3000 Pangas, kleine offene Fischerboote mit riesigen Ausserbordmotoren, gibt. Verstehe, das ist jetzt wirklich blöd, dass wir den Namen in der Dunkelheit nicht erkennen konnten, als die beiden zugedröhnten Typen nachts grölend mit dem Panga langsam an der Robusta vorbeifuhren. Die ganze Region lebt vom Fisch- und Krabbenfang und im Winter zum Teil von Waltourismus. Weiter verrät der Polizist, der gerade nichts wichtigeres zu tun hat als sein Polizeiauto zu waschen, dass die Droge Crack immer mehr unter den Fischer konsumiert wird. Das hält nachts wunderbar wach.
Wir erzählen dem Hotelmanager was letzte Nacht los war. Er bedauert den Vorfall ausserordentlich! Vergesst die Polizei! Die sind in Mexiko schlecht ausgebildet und bekommen einen miesen Lohn. Ihren Aufgaben sind sie nicht gewachsen, und erst recht nicht wenn es um den Kartellkrieg geht! Letztes Jahr wurde immer wieder in Häuser eingebrochen. Die Dorfgemeinschaft nahm die Angelegenheit selber in die Hand. Wie diese Lösung genau aussah, verriet er nicht. Er schwingt sich unmittelbar ans Telefon und führt mit der Tourismusdirektorin ein langes Gespräch! Denn dieser Vorfall ist für den Tourismus nicht gerade förderlich. Vor allem in der Seglerszene verbreiten sich negative Ereignisse in den Foren und via Facebook rasant. Echt schade für diese schöne Gegend.
Senor Anonym, seinen Namen erwähne ich lieber nicht, erklärt wie der Chili in Mexiko wächst: Organisierte Banden stehlen alles was sich auf dem Schwarzmarkt gut verticken lässt. Die Ware gilt für die ersten Monate erst mal als „heiss“ und wird irgendwo zwischengelagert. Der Vertrieb läuft später über’s Internet. Señor Anonym schaltet für uns in seinem Namen ein Inserat, in welchem er so tut, als suche er einen 6 PS Aussenborder. Täglich durchforsten wir nun das Internet, ob irgendwo unser Motor zum Verkauf angeboten wird. Aber eben, die Ware ist noch zu heiß – somit bleibt die Hoffnung vorerst mal gering, ihn bereits zu wiederzufinden.
Die ganze Story ist eigentlich wirklich fies. Das Misstrauen gegenüber den Fischern, die am späten Abend mit ihren Pangas vorbeikommen um uns Krabben zu verkaufen, ist nun gross geworden. Von nun an wird das Dinghi an die Robusta gekettet und alles was nicht niet- und nagelfest ist eingeschlossen.
Wir sind nicht böse. Durch die Pandemie ist die Fischerei ein Sektor der stark von den Covid19 Massnahmen betroffenen ist und somit so manche Familie an den Rand der Existenz gebracht hat.
Gegen Wind und starke Strömungen Rudern, macht vor allem mir immer mehr Spass, mich an den Riemen so richtig auszutoben.