June 20 2022

Grenzwertiger Trip

Anja ist nun in der Schweiz. In der Zwischenzeit bin ich alleine in den Norden gesegelt.

Santa Rosalia ist eine kleine Stadt mit etwa 5000 Einwohnern. Eine authentische mexikanische Stadt, ohne den üblichen Tourismus. Die Kupfermine, heute unter Koreanischer Führung, schafft viele Arbeitsstellen für die Bevölkerung. Bereits seit Anfang des 19. Jahrhunderts wird Kupfer und andere Eisen gewonnen. Die Franzosen waren die ersten. Von denen blieb eine Kirche von Gustav Eiffel übrig und ein paar schöne Kolonialbauten wie das Museum und Gemeindehaus. Ich gewann hier erneut einige neue Segler-Freunde. Wir trafen uns am Pool. Viel schlaueres war bei dieser Hitze kaum möglich. Niemand wollte im Boot kochen, um es noch zusätzlich aufzuheizen. 

Wir besuchten den Zirkus, der in der Stadt Halt machte. Liebevoll und märchenhaft. Mit nur sechs Artisten gestalteten sie das ganze Programm und brachten das Publikum zum Lachen.

Mitte Juni buchte ich ein Busticket von Santa Rosalia nach Tijuana an die US-Grenze. Ich muss Mexiko nun nach sechs Monaten Aufenthalt verlassen, um ein neues Visum zu erhalten. Eine Verlängerung im Land selber ist nicht möglich. 14 Stunden Fahrt über Nacht. Und wie doch der Bus bequem war! Mit flauschigen Sitzen. Die Beine konnte ich komplett ausstrecken. Die Fahrt wäre angenehm gewesen. Doch mehrere Zwischenhalte an Militärcheckpoints störten die Nachtruhe. Alle müssen aussteigen und jeder einzelne Fahrgast wird von bis auf die Zähne bewaffneten Typen in Uniform, ziemlich oberflächlich durchsucht. Selbes Prozedere mit dem Gepäck. Hilflose Bestrebungen der Regierung, um den Drogenschmuggel und die Kartellaktivitäten einzudämmen. Tijuana selbst war ziemlich schrecklich. Covid19 hat der Stadt ziemlich zugesetzt. Dazu kommt noch der Kartellkrieg der besonders in Tijuana tobt. Regelmässige Schiessereien verunsichert die Bewohner. Dreiviertel aller Läden waren dicht und keine Touristen aus den USA waren da, die sonst in Massen in der Stadt shoppen. Habe mich nicht getraut hier zu fotografieren, falls dies jemand falsch auffassen könnte. Ich musste aus Mexiko ausreisen um dann gleich wieder von den USA  erneut einzureisen. Irgendwie gelang es mir ohne überhaupt einen Fuss auf US-Boden gesetzt zu haben. Ich kann es nicht mehr genau nachvollziehen. Da war nicht wirklich eine Abschrankung oder so. Ist mir jedenfalls nicht aufgefallen. Und schwupps stand ich im Büro der Mexikanischen Grenzwache.  Ich müsse erst ausreisen, forderte der Beamte mit sichtlich ernster Miene. Ich fragte nach einer Abkürzung, im Sinn von, damit ich bei dieser Hitze nicht den langen Weg über die Brücke und Trumps gigantische Grenzmauer latschen muss. Irgendwie entstand ein Sprachgeschwurbel da ich noch nicht ganz perfekt spanisch spreche. Jedenfalls gingen 500 Pesos (25 Franken) an den Mann, der die Überwachungskamera im richtigen Moment abstellt. Und schon war der Pass gestempelt und ich sass kurz darauf bereits wieder im Bus – zurück nach Santa Rosalia!

 

 

June 3 2022

Grün ist die Hoffnung auf Abkühlung

Ist das alles Grün hier!!! Was für ein Gegensatz zur trockenen, staubigen Baja California. Da freue ich mich doch auf etwas Abkühlung im Alpenland. Doch alles kommt anders. Einen Sommer mit Temperaturen bis zu 36 Grad vermochte nicht mal der berühmte Muotathaler Wetterfrosch prognostizieren!

Nach einem erholsamen Schlaf, in einem Bett welches nicht sanft in den Wellen schaukelt, treffe ich mich mit meinem Sohn Sascha und Mama und Papa. Mit meinen Eltern verbringe ich viel Zeit. Aus ihrer Sicht – viel zu wenig. Im Vergleich bekomme ich meinen Sohn hingegen wesentlich weniger zu Gesicht.

So oft wie möglich mache ich auch mit Freunden ab. Doch die sind alle erst mal mit ihrem Alltag beschäftigt. Da gibt es welche, die sind für ein ganzes Jahr voll verplant! Jedoch schaufeln sich doch einige spontan Zeit frei, um mich zu treffen. Mir wird bewusst, wie fest ich sie alle vermisse. Vor allem die so vertrauten Gespräche fehlen mir. Im Reisemodus wechseln Bekanntschaften dauernd. Bemerkenswert ist jedoch, dass die meisten Reisenden offen und kontaktfreudig und vor allem sehr hilfsbereit sind. Doch liebgewonnene Menschen ziehen oft bald in eine andere Richtung oder wir müssen weiter, weil die Aufenthaltsbewilligung oder die Saison zu Ende geht. Dies sind die wirklich harten Seiten des Reisens. Besonders traurig ist das Abschied nehmen dann, wenn wir alle genau wissen, dass wir einander aus ökonomischen Gründen nie wieder sehen werden. Doch mit einigen blieb der Kontakt sogar bereits Jahre aufrecht und wir quasseln ab und zu per WhatsApp oder schreiben einander. Immerhin ein kleiner Trost!

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May 30 2022

Reise in die sichere Zone

Juni bis November ist in Mexiko Hurricane-Saison.  So um den September herum, ziehen die Sturmtiefs nicht mehr westwärts in den Pazifik, sondern über die Baja California. Viele Segler stellen ihre Yacht an Land und fahren nach Hause, zum Beispiel in die kühlere USA. Denn es wird heiß hier im Sommer! Sehr heiß. Eine kleinere Gruppe von Seglern bleibt in der Sea of Cortez, genauer gesagt, nördlich der Linie Santa Rosalia – San Carlos. Dort ist die Wahrscheinlichkeit von Hurrikanen um einiges geringer. Eine beliebte Region ist die Umgebung von Bahia de Los Angeles. Es ist da ein bisschen kühler und ein Hurrikan Hole (relativ sicherer Ort) ist ganz in der Nähe. Im Juni und Juli treten Chubascos, plötzliche starke Windstreuungen, die einige Stunden andauern und Gewitter häufiger auf. Die Gewitter des Frühsommers bleiben in der Regel am Festland. Manchmal aber können die Zellen groß genug werden, dass sie sich bis in die Baja California  austoben. Im Norden der Baja hat es seit vier Jahren fast nirgends mehr geregnet.

So war dann auch mein Plan, den Sommer im nördlichen Teil der Sea of Cortez zu verbringen. Mit Zwischenstopps in diversen Buchten und Dörfern, denn die gesamte Strecke ist über 350 Seemeilen lang (rund 650 Kilometer), segle ich nun Einhand in den Norden. Mein Visum läuft demnächst aus. Dies kann nur an einer Grenze erneuert werden. Somit muss ich die Robusta in einem sicheren Hafen stehen lassen können, um mit dem Bus nach Tijuana an die US-Grenze zu reisen. Santa Rosalia scheint perfekt. Der kleine Hafen ist super günstig.

Der Abschied war traurig. Es ging plötzlich schnell und schon war Anja im Auto zum Flughafen. Und ich alleine mit dem Boot. Aber ich freute mich auch auf eigene Abenteuer.

Da ich das Schiff noch vor der Abreise von Anja bereits vorbereitet hatte, bis an den Rand mit Lebensmittel vollgestopft, konnte ich umgehend den Anker lichten und davon segeln.

Einige der nordwärts ziehenden Boote trafen sich auf Espiritu Santo, einer unbewohnten Insel. Es waren schöne Tage mit vielen Freunden aus La Paz. Inklusive Party Time mit Pot Luck Gerichten am Strand. Das machte den ersten Schock des Alleinseins um einiges erträglicher. Am nächsten Tag nutzte ich den Südwind, um so weit Nord zu machen wie möglich. Nach einer Nachtfahrt erreichte ich Agua Verde, eine ziemlich grüne Bucht, ein schöner Kontrast zu der kargen Wüstenlandschaft.  

In Loreto war ich nur einen Tag, da es keinen sicheren Ankerplatz vor der Stadt gibt. Aber die Stadt war wirklich hübsch, wenn auch sehr touristisch. Es leben viele Amerikaner hier, meist Rentner, in eigenen Enklaven.

May 27 2022

Flucht aus der Hitze

An Veronikas Geburtstagsfeier finden Toni und ich heraus, dass wir in zwei Tagen im selben Flugzeug hocken werden. Was für ein Zufall! Linda offeriert uns beide zum Flughafen zu bringen. Danach kann sie auch noch mit Thomas zum riesigen Supermarkt fahren, damit er für die nächsten vier Monate Proviant für die Reise aus der Hurrikan Zone besorgen kann. 

Toni verbringt eine gefühlte Ewigkeit am Check-In. Als sie sich umdreht, sehe ich, dass Tränen unter der Brille hervorkullern. Eben gerade hat sie noch schallend gelacht, als ich mein altertümliches Flugticket vom Reisebüro aus meiner Tasche grub. Wieso hast du nicht online gebucht? Genau deswegen! Weil ich jetzt mitfliegen kann und du nicht! Das Trauma liegt weit zurück. Gerade als es möglich wurde, online Flüge zu buchen. Pass am Check-In zeigen und das wars dann schon. Auf dem Hinweg ging alles gut. Nur ist diese Botschaft damals nicht bis zu dieser kleinen griechischen Insel durchgedrungen. No Ticket – No Flight! Schade, wir beide hätten sieben Stunden Aufenthalt in Mexiko City gehabt bevor sich unsere Reisewege teilen.

Nun sitze ich allein im Flugzeug und starre angestrengt aus dem Fenster. Sehen tue ich nicht viel. Tränen verwässern die Sicht. Der Abschied von Thomas war echt traurig. Meine Gefühle wechseln von überdrehter Vorfreude – auf traurig sein.

35 Stunden später, mit Augenringen, grösser als die eines Pandabären, warte ich etwas nervös am Bagage Claim auf meinen violetten Rollkoffer. Der sollte ankommen, beruhige ich mich. Denn dieses hässliche Teil vom Segler-Tausch-Marktsieht nicht aus, als hätte es einen wertvollen Inhalt. (Ich kenne jemanden dessen Job es ist verlorenes Gepäck wieder zu finden. Daher die Paranoia.)

Meine Freunde Heidi und René holen mich am Flughafen in Zürich ab. Vor drei Jahren haben wir uns das letzte Mal gesehen. Trotzdem fühlt es sich an, als hätte ich sie erst vor ein paar Wochen gesehen. Wir kennen uns auch schon über ein halbes Jahrhundert! Für die nächsten vier Monate habe ich die Ehre, in ihrem schönen Zuhause zu wohnen. Beide sind verletzt. Ski- und Schlittel Unfall. So mache ich mich zum Dank im Haushalt nützlich.

May 1 2022

Wir haben’s nicht erfunden!

Eigentlich ist alles Folgende so doof, dass es keinen Blogeintrag wert ist. Oder eben gerade doch, denn die Folgen der ersten Veranstaltung im Club Cruzeros navh der sich in der Marina La Paz befindet, absurde Folgen nach sich zog. nach der zwei jährigen Covid19 Pause, hat dermassen einschneidende Folgen – für alle und Alles.

Im morgendlichem Funknetz wird verkündet, dass die Covid19 Massnahmen nicht mehr existieren. Was für eine freudige Nachricht. Somit regt der Commodore des Club Cruzeros die Mitglieder an, wieder Veranstaltungen zu organisieren. Gery ist sofort bereit, einen Spieleabend ins Leben zu rufen. Zu organisieren gibt’s nicht viel. Spiele und einen Snack und Getränke mitbringen. Und schon kann es losgehen. Am frühen Abend, auf der lauschigen Veranda unter den Bäumen des Club Cruzeros wird konzentriert Schach, Backgammon und Karten gezockt. Jemand hat ein Mexikanisches Gesellschaftsspiel  mitgebracht. Nebst Spielfiguren und Karten ist auf dem Spielbrett eine Flasche Tequilla aufgebaut. Oha, definitiv kein Kinderspiel. Da spiele ich lieber Hosä-Abä, ein fieses Schweizer Kartenspiel. Sechs Personen sind um einen runden Tisch gequetscht und haben grossen Spass an diesem einfachem Spiel. Was an den anderen Tischen so abgeht, bekommen wir nicht gross mit. Ausser, dass der Lärmpegel bereits noch vor Sonnenuntergang beachtlich gestiegen ist.

Gery Thomas und ich sind die Letzten die die Szene verlassen und alles fein säuberlich wieder aufräumen.

Tage später, wieder im Club Cruzeros, sind am Geländer rote in A4 Grösse laminierte Schilder angebracht.

NO ALCOHOL! 

Von Gery erfahren wir was geschehen ist. Die von der Mexikanischen Gesellschaftsspiel Runde, waren plötzlich verschwunden. Sie hätten der Verliererin noch geholfen ins Dinghi zu steigen. Dabei landeten zwei Personen im Wasser. Dieses Schauspiel ereignete sich direkt vor dem Fenster des Marina Büros und der Gartenkneipe. Komplett betrunken fand die nasse Person ihre Yacht in der Dunkelheit nicht wieder.  Sie sauste durch die Lagune, bis das Benzin alle war. Glücklicherweise gab’s da doch noch jemand, der zur Hilfe eilte, um das Tragische, nicht auszudenkende Ende zu vermeiden.

Der fröhlich ausgelassene Anlass hatte den Boss der Marina veranlasst, ein Alkohol Verbot für das ganze Gelände zu verhängen!

So entstand der weltweit erste alkoholfreie Yachtclub und Marina. Ich habe Google gefragt!

Jetzt kann eine Disskusion losgetreten werden: Alle Anwesenden waren mündige Personen, die es irgendwie geschafft hatten, per Segelyacht, von weiss ich wo in La Paz anzukommen, was eine beachtliche Leistung ist! Dann auf der kurzen Strecke vom Dinghisteg bis zur eigenen Yacht im Ankerfeld zu ertrinken, wäre schon echt tragisch. Soll aber vorkommen. Ereignete sich tatsächlich erst gerade vor ein paar Wochen – hier in La Paz. Wieviel Seemannschaft gehört zu einem Abend in Gesellschaft? Oder im Ausgang? 

Wir  haben mit dem Boss geredet und uns entschuldigt. An so manchen Abenden haben Segler sich hier getroffen um sich kennen zu lernen. Oder um wertvolle Infos auszutauschen. Jetzt, mit der neuen Regel, trifft sich niemand mehr an diesem schönen Plätzchen. 

Weltweit der einzige alkoholfreie Segelclub und Marina – Wir haben’s erfunden! Wir sind nicht stolz darauf. Was für Spassbremsen!

April 20 2022

Einen Tequilla auf gesunde Zähne

Als ich das Dinghi am Steg fest binde, kommt mir eine Frau entgegen. Sie wirkt benommen. Ich spreche sie an und frage, ob sie Hilfe braucht. Nun erkenne ich die geschwollene Wange. Wer hat das gemacht, will ich wissen. Sie komme vom Zahnarzt. Habe soeben ein Implantat bekommen. Ach so! Da werde ich doch sofort neugierig. Wo? Sie öffnet ihren blutigen Mund. Huch, oh nein. Die Wunde wollte ich eigentlich nicht sehen. Welcher Zahnarzt hat das Werk vollbracht? Es handelt sich um die selbe Klinik in der Thomas und ich angemeldet sind! Sie arbeitet als Dentalassistentin in Miami. Ihr Arbeitgeber hätte die Röntgenbilder begutachtet. Perfekte Arbeit. Mit bestem Material von Straumann aus der Schweiz. Meine Pulsfrequenz sinkt wieder in den Normalbereich. Diese Referenz beruhigt mich sehr und mildert meine Zahnarztphobie.

In La Paz scheint das Geschäft mit den Zähnen zu blühen. Viele Amerikaner lassen sich in Mexiko ihre Mäuler revidieren. Dies zu einem Spottpreis – verglichen mit der Heimat.

Wie rasend schnell doch die Zeit vergeht, mit Ausnahme in der Nacht vor dem Termin. Nach gründlicher Voruntersuchung, inklusive Zahnreinigung und mit verbindlichem Kostenvoranschlag mit Garantie, sitze ich im Vorzimmer und warte auf die sympathischen Zahnärzte. Gegen die Angst bekomme ich von der Assistentin, wie sie es nennt, einen Tequilla. Es handelt sich dabei um ein Benzodiazepine. Das Sägen, Hämmern und Geschraube für den Einbau der Implantate, nehme ich nur aus der Ferne wahr. Vier Stück auf einmal ist nicht üblich. Doch ich wollte es so.

Thomas geht am folgenden Tag für eine ähnliche Prozedur hin. Eine ganze Woche liegen wir nahezu reglos, das Gesicht mit Eisbeuteln dekoriert, ab und zu eine Suppe schlürfend, in den Kojen. Alle paar Stunden ein mexikanisches Schmerzmittel einschmeissen, welches wahrlich nette Träume beschert. Mindestens drei Monate dauert es bis die Schrauben und der Knochenaufbau aus Knochenspenden von Mensch-Hund-Schwein und Pferd, perfekt eingewachsen sind. Ob da wirklich Hund dabei ist, bin ich nicht mehr sicher. Ein Anteil war jedenfalls synthetisch hergestellt. Wie ich verstanden habe, erhöhe eine Kombination der Materialien den Erfolg der Behandlung.

Wir können die Klinik Cosmedent in La Paz mit guten Gebissen weiter empfehlen!

Langfahrtensegeln hat so seine Tücken: Regelmässige präventive Zahnarztbesuche vermeiden viel Leid. Für diejenigen die nicht regelmässig in die Heimat reisen, wird dies schwierig. In den einen Ländern wie Neuseeland, Australien und den USA, sind Behandlungen erschreckend unerschwinglich und werden von vielen Versicherungen nicht gedeckt. Nicht überall ist die Medizin gleich fortgeschritten. Oder noch blöder, der nächste Zahnarzt befindet sich weit hinter dem Horizont. Zahnschmerzen haben dann oft eine Extraktion zur Folge. Da kommt mir gerade der Film Cast Away mit Tom Hanks in den Sinn. Der musste sich auf dieser unbewohnten Insel mitten im Pazifik, mit einer Schlittschuhkufe selber einen Zahn raus hauen. Ahhhhutsch!!!!

Ich muss zugeben, auf langen Überfahrten kam die Zahnpflege manchmal etwas zu kurz. Alles ist so anstrengend bei Seegang. Sich dann noch eine Zahnbürste in den Rachen schieben, ohne dabei Brechreiz auszulösen, oder sich gar umzubringen, setzt beachtliche Körperbeherrschung voraus.

 

March 15 2022

Tote Dinge und wütendes Kleingetier

Nicht nur sexuelles Gehopse trägt Schuld daran. Die Beanspruchung vergrössert sich um ein Vielfaches in einer Hochseeyacht durch den ständigen Seegang. Die Körper werden regelmässig mit beachtlicher Kraft in die Kojen gepresst. So frage ich mich, wie lange die Lebensdauer einer Matratze auf hoher See währt. Meinen Rückenschmerzen nach zu urteilen, ist diese schon längst abgelaufen. Tage später, wenn es endlich mal windstill ist, schneide ich an Deck Schaumstoff mit dem elektrischen Brotmesser zu. Stoff gibt es in diversen Geschäften ganz in der Nähe. Schaumstoff kaufe ich in der Polsterei Vanessa. Wichtig ist offenporiges Material zu verwenden. Nur so kann Feuchtigkeit entweichen. Nähe Überzüge und drehe dabei fast durch. Schiffskojen sind nicht nett symmetrisch geformt. Unmögliche Winkel und Rundungen, die abgeschwächt auslaufen, sind zu berücksichtigen. Zu Hause, mit viel Platz und einem schönen grossen Tisch, wäre alles etwas einfacher. Messen, Schablonen anfertigen, nochmal messen. Wieder ein anderes Resultat. Schaumstoff messen ist der Horror. Der Aufwand hat sich jedoch gelohnt. Sind sehr zufrieden mit dem Resultat. Und die Rückenschmerzen sind bereits nach der ersten Nacht verschwunden. 

Jetzt wo die Nähmaschine schon ausgegraben ist, nähe ich gleich auch noch Sonnenschütze für die Decksluken. Aus UV resistentem Sunbrella Stoff und alten Segeln. Gibt’s ebenfalls beim Polsterer in diversen Farben. Nur nicht im zum Lazy Jack passendem Grau. Nähe eine Schicht dieser silbernen Autofrontscheibenschutzfolien als Isolation ein. Es bleibt nun bedeutend kühler im Boot. Mit den steigenden Temperaturen, nimmt der Bewuchs am Rumpf rapide zu. Wir sind schlicht überfordert die ganzen Muscheln und Algen abzukratzen. Nur mit Schnorchel und Taucherbrille ausgerüstet den Rumpf zu bearbeiten, ist echt ein mühsamer Job. Denn es scheint, das abgekratzte, nun wütende Kleingetrier, legt es darauf an, in die Ohren zu kriechen. Über das Morgennetz erfahren wir, dass Paola dafür ausgerüstet ist. Sie reinigt den Rumpf für umgerechnet 70 Dollar. Thomas zerlegt den Computer der beim Knock down durch die Bude geschleudert wurde. Der Bildschirm hat einen Riss und muss ersetzt werden. Doch leider ist das Gerät kurz darauf doch noch ganz gestorben! So bleibt das Blog schreiben weiterhin nicht möglich. Schade. 

March 1 2022

Zwei Pferde für ein Dinghi

Jeweils morgens um acht, findet auf Kanal 22 die Funkrunde statt. Wetterbericht, Infos zu Veranstaltungen, Vermittlung von Mitfahrgelegenheiten oder sonstige mehr oder weniger wertvolle Infos dröhnen aus dem Funkgerät. Ich warte bis der Moderator den Tausch von Gegenständen ankündigt. Da Ausländer in Mexiko nichts verkaufen dürfen, wird gegen Kokosnüsse getauscht. So frage ich, ob jemand einen kleinen gebrauchten Aussenborder gegen Käse tauscht. Doch als erstes muss ich mich anmeckern lassen. Erst von jemandem vom Club Cruzeros, dann vom Boss der Marina La Paz und oben drauf auch noch von der Capitania de Puerto! Die Robusta ist offensichtlich falsch geparkt! Niemand hat Erbarmen mit den rudernden Seeleuten. So muss das Manöver bei 30 Knoten Wind und Strömung unverzüglich ausgeführt werden. Mit dem Ergebnis, dass die Robusta nun sozusagen an der selben Stelle liegt. Auf der Seekarte ist nur unter grösstem Zoom ein Unterschied erkennbar. Doch alle sind nun zufrieden!

Ich versuche es am nächsten Morgen nochmals. Zum Trost gibt es drei Angebote! Super. Was für eine flotte Erfahrung, im Gegensatz zu gestern, beim Besuch im Club Cruzeros. Doch bei den Amerikanern ist alles gross. 10 – 25 PS. Mit solch einem grossen Motor würde unser bescheidenes Dinghi glatt sinken! So durchforste ich weiterhin im Internet den Mercado Libre nach Gebrauchtwaren. Hoffe auf diese Weise unseren geklauten Motor wieder zu finden. Bestimmt müssen wir diesen zu einem unverschämten Preis den Dieben abkaufen. George aus Kanada, schon ewig vor dem Covid19 Stau in La Paz stecken geblieben, leiht uns spontan seinen alten 2 PS Yamaha Aussenborder. Der ist perfekt! Neun Kilo leicht, klein und handlich. Das selbe Modell bestellen wir beim lokalen Händler. Nach zwei Wochen wird dieser aus der Hauptstadt in die Marina geliefert. Sobald der Motor eingefahren ist, verlegen wir die Robusta abseits vom ganzen Rummel, auf die andere Seite der Lagune und sausen nun mit dem kleinen Motörli hin und her!

February 25 2022

La Paz

Die Vorfreude ist gross. Nach über drei Monaten in der Natur, oder allenfalls in der Nähe von kleinen Siedlungen, ist die Stadt La Paz in Sicht. Endlich! Seit der  Rundung der Südspitze von Baja California, war Wind und Strömung nur noch gegen uns. An Segeln war gar nicht zu denken.  So wurden wieder einmal, gegen all unsere Prinzipien, völlig unsportlich, etliche Liter Diesel verbraten. Die unkontrollierte Schaukelei nervt. In jede Bucht läuft der Schwell ungebremst rein. Einzig in der Ensenada de Muertos schliefen wir wieder mal – wie es der Name verspricht – wie die Toten.

Für die letzten zehn Seemeilen bläst der Wind mit über 25 Knoten aus der gewünschten Richtung! So sind die negativen Gedanken im Nu im Winde verweht.

La Paz liegt an einer Lagune. Der Kanal und die Untiefen sind mit riesigen Tonnen markiert. Doch was soll denn sowas? 

Die Story dazu sieht so aus: beim vorletzten Sturm ging eine dieser Tonnen auf Wanderschaft. Um eine Kollision mit den ankernden Yachten zu verhindern, schleppte ein Segler diese mit seinem Dinghi zum nächst gelegenen Seezeichen und band es dort fest. Den Vorfall meldete er der Hafenbehörde. Monate später sieht alles noch genau gleich aus. 

In der Lagune liegen an die hundert Yachten vor Anker. Dieses Jahr sind es besonders viele. Da die meisten Länder, im Gegensatz zu Mexiko ihre Grenzen nach wie vor geschlossen halten, kommt kein Segler mehr weiter. So entstand ein sogenannter Covid19 Stau. Ansonsten brach der Tourismus in Mexiko um 40% ein. 

Die einen scheinen unbewohnt. Abgesehen von Seevögel und Ungeziefer war da schon sehr lange keiner mehr an Bord. Traurig zu sehen, wie diese Geisterschiffe vor sich hergammeln. Was ist aus ihren Besitzern geworden? La Paz hat den Ruf, dort segeln die Amis hin, um zu sterben.

Da die Strömung in in der Lagune je nach Mondstand sehr stark sein kann, und der Wind gerade flott bläst, Ankern wir die Robusta sehr nahe bei der Einfahrt der Marina La Paz. Dort befindet sich auch der Dinghi Steg. Der Boss der Marina, die Hafenbehörde und abschliessend auch noch die Armee rufen an, weil ihnen nicht passt, wo die Robusta liegt. Doch all diese Funksprüche hören wir nicht. Haben uns nach der Ankunft direkt mit dem Dinghi-zu-Wasser-lassen beschäftigt. Wollten möglichst noch bevor die Strömung wieder einsetzt, an Land rudern. Dennoch war der Trip in die Marina voll anstrengend. Total verschwitzt und durch die aufgewühlte See auch noch nass, versuchen wir nun an den Steg zu gelangen. Erste Konfrontation mit dem Covid19 Stau! Zu viele Dinghies. Würden alle ihre Gefährte an einer langen Leine festbinden, wäre alles kein Problem.

Von allem zu viel!

Entsprechend motiviert sind die Mitarbeitenden im Office. Die eine Señorita hält sich sichtlich angestrengt hinter dem Computer versteckt. Nach einer gefühlten Ewigkeit erhebt sie sich doch noch. Frage in spanisch, ob wir das Dinghi hier parken dürfen. Die Antwort kommt in Englisch: Ja das geht. Kostet zwei Dollar pro Tag. Ich dachte wir sind im Peso-Land! Mit Würgen finden wir heraus, dass es auch möglich ist, monatlich zu bezahlen. 30 Dollar pro Monat. Dinghi Park Gebühr ist was ganz neues für uns. Wohl etwas zu offen, zeige ich mein Entsetzen. Alles sei dafür mit einer Kamera bewacht. Und wer erkennt dann die Person die gerade mit dem Dinghi davonbraust?? Dass ausgerechnet ich, Wochen später, mit Hilfe der Kamera den Dieb erkenne, der mit einer Ladung frisch gewaschener Wäsche und zwei Einkaufstüten voller Lebensmittel entwischt ist, war echt verblüffend. Die Klamotten kamen zurück, doch der Food war aufgefressen.

Zwei Dinge stehen als höchste Priorität auf der Tu-was-Liste. Den geklauten Motor für das Dinghi ersetzen und einen Zahnarzt finden. Letzteres gerät ganz unbewusst für mehrere Wochen wieder in Vergessenheit. 

So besuchen wir den Club Cruzeros. Seglerclubs sind gute Orte um an Infos zu kommen und die lokalen Segler kennen zu lernen. Etwa zehn sehr alte Kreaturen sitzen an verschiedenen Tischen. Erster Gedanke der mir durch den Kopf schiesst: Thomas wir sind hier falsch. Das ist das Altersheim! Doch wir sind am richtigen Ort. Niemand erwidert unsere Begrüssung, oder redet mit uns. Schweigend starren wir nun, einen bitteren Cafe Americano schlürfend, aufs Anschlagbrett. Dort wird auf das morgendliche Funknetz verwiesen. Aktivitäten im Club scheint es keine zu geben. Covid19 sei Dank. So dackeln wir enttäuscht ab und erkunden die Stadt.