Ilha Grande Ost
Im Fratzenbuch lese ich eine Nachricht von Schüpferts. Sie machen sich Sorgen um Robusta und liegen eine Bucht weiter östlich mit ihrer Yacht. Anker auf und los gehts in die benachbarte Bucht. Doch da sind Schüpferts nicht! Dafür lernen wir Neuseeländer kennen. Sie wollen wie wir auch nach Patagonien, durch den Beagle Kanal nach Ushuaia, der südlichsten Stadt der Welt.
Die Bucht ist hübsch. Argentinier führen eine auf einem Floss eingerichtete Strandbar, die leider nur am Tag offen ist. Wir zotteln in Havaianas über den kleinen Hügel auf die andere Seite der Insel. Lopes Mendes, da liegt der Traumstrand aus dem Katalog! Weisser Sand, einige Kilometer lang, Natur pur und keine Hotelbunker. Zwei kleine improvisierte Stände, einer bietet belegte Brötchen und Getränke an. Der andere vermietet neben Snacks und Getränken Wellensurfbretter und Beachball. Wir mieten Beachball. Der blöde Ball fliegt in alle Richtungen. Wir hetzen hin und her um ihn immer wieder aufzuheben. Als nun auch noch ein Strassenköter auftaucht, der freudig kläffend mit Balli spielen will, löscht es uns ab. Der Hund hat gewonnen; er brennt mit dem Ball durch.
Ausser Bananen finden wir nichts Essbares im Dschungel. So wandern wir nach Abraão, um unseren Früchtevorrat aufzustocken und die Emails zu checken. Doch im Dorf ist es totenstill. Keine Musik dröhnt aus den Häusern, die übrigens in Brasilien immer überlaut sein muss. Stomausfall! Im Supermarkt legt der schwitzende Verkäufer hinter der Kühlvitrine, mit den schmachtenden Fleischstücken, meine Früchte auf die Waage. Fünfeinhalb Kilo schleppen wir nun zweieinhalb Stunden über zwei Berge, ohne die Emails gecheckt zu haben, zurück.
Lautes Geschepper weckt uns auf! Der ganze Abwasch, der zum Trocknen in der Pantry aufgestellt war, liegt am Boden. Der Wind hat auf Nord gedreht. In der Enseada das Palmas wird es immer ungemütlicher. Sobald es hell wurde, flüchten wir um die Insel in den Süden. Ankern ganz im Osten vom Traumstrand Lopes Mendes. Dort hocken im Schatten unter Palmen Don und die zwei Australier, die schon seit 18! Jahren am segeln sind. Jetzt wollen sie via Karibik durch den Panamakanal heim.
Der Nordwind kommt nicht so richtig über die Berge. Wir legen einen Zwischenstop am direkt neben dem Naturschutzreservat gelegenem Strand Paranaioca an. Schwimmen druch’s plötzlich so kalt gewordene Wasser an den Strand, laufen an der kleinen Kirche mit Friedhof vorbei zum Wasserfall. Kleine und grössere Becken laden zu einem Süsswasserbad ein. Thomi hopst über die Steine Richtung Strand davon. Ich eile so gut es geht über Baumstämme hinterher. Sehe ihn aber nicht mehr. Nur noch seine Fussspuren sind im Schlamm zu erkennen. Ich wate den Spuren folgend ins Wasser und saufe plötzlich im Blättermorast bis zum Hals ab. Mühsamst robbe ich durch Milliarden von aufgewirbelten Kaulquappen und Insekten auf einen Stein zurück. Wo ist Thomi? Ein schrecklicher Gedanke durchfährt mich: Ist er da im Morast abgesoffen? Bin ich womöglich auf seine Leiche getreten? Ich brülle wie eine Irre nach ihm. Nichts – keine Antwort! Weit vorne erblicke ich seinen Körper weiter unten am Fluss. Er lebt noch. Ganz unschuldig winkt er mir entgegen. Ich bin sauer. Was für ein Blödmann! Bei der Kirche treffen wir wieder aufeinander. Ich muss trotzdem lautstark fluchen. Mit Kaulquappen geschmückter Frisur, erkunden wir nun das Dorf. An einer Wegkreuzung steht doch tatsächlich eine Strassenlampe. Mitten im Dschungel! Wir folgen der fein säuberlich von Blätter befreiten Dorfstrasse, auf der locker zwei Autos, die es hier ja nicht gibt, nebeneinander kreuzen könnten. Tausend Menschen lebten mal im Tal. Kaum zu glauben. Jetzt sind es noch vier Familen. Zwei davon führen je einen Campingplatz. Holzpodeste mit Wellblechdächer für die Zelte stehen um die offene chaotische Küche, in der ein Mann in verschiedenen Töpfen auf dem Feuer etwas lecker riechendes schmort. Er bittet uns an den Tisch zu sitzen. Ich bleibe am Tischtuch kleben. Nicht wegen den Kaulquappen. Nein, hier hat es weit und breit keinen Laden um Putzmittel zu kaufen. Er klagt über die Politik Brasiliens und dass zu dieser Jahreszeit nur wenige Wanderer bei ihm übernachten.
Jede der vier Familien lädt uns für einen Schwatz in ihren Garten ein. Der zweite Camping ist von einem liebevoll angelegten Garten umgeben. An einer Wäscheleine hängen Fische zum trocknen. Nach drei Tagen ist die Delikatesse essbereit.
Der Wind frischt etwas auf, wir ziehen weiter. Weg von Ilha Grande. Ich muss fast heulen. Hier hat es uns super gut gefallen!