August 3 2015

Ilha Grande

Anker auf!
Bei ultra ungünstigem Wind laufen wir unter Motor von Paraty aus. Doch bald frischt der Wind etwas auf und wir können die Segel wieder mal auslüften.


Atlantischer Dschungel mit grösster Bioversität der ganzen Welt! Im Reiseführer steht geschrieben, dass hier noch tausende verschiedene Pflanzen, Reptilien, Amphibien, Fische und Säugetiere rumwuseln. Auf Ilha Grande freuen wir uns schon lange! Endlich ist es soweit.
Auf dieser Insel dürfen keine neuen Häuser mehr gebaut werden. Keine Autos, nur ein Krankenwagen und ein Wagen von der Forstwirtschaft stehen rum. Lebensmittel für die kleinen Pensionen werden mit den Scunas angeliefert und auf Rollkarren transportiert. Ein Teil von Ilha Grande ist zum Naturschutzgebiet erklärt worden und gehört ausschliesslich der Tierwelt. Hier darf Mensch nicht rumlatschen! Ich hoffe doch schwer, dass dies respektiert wird.
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Araçatiba ist unser erstes Ziel im Westen der Insel. Eine Bucht mit kleinem Kaff. Wirklich klein! Doch eine Bar hat es jedenfalls, soweit wir das von Bord mit dem Fernglas erkennen können. Rudern mit dem Dinghi gleich mal hin. Gilbert’s Bar ist gleichzeitig ein mini kleiner Laden. Wir bestellen Bier und kommen sogleich mit den anderen vier Gästen ins Gespräch. Es ist Sonntag und wie ich am seltsamen Akzent urteilen kann, sind alle schon seit mehreren Stunden am feiern.
Von hier aus untenehmen wir schöne Wanderungen. Die Distanzen sind ohne Rauf und Runter angegeben. Also es kann durchaus sein, dass vier Kilometer vier Stunden latschen bedeuten! Ich bin etwas enttäuscht von den tausenden Spezies die hier rumwuseln sollen. Ich sehe nur wenige, höre auch nicht viele Tiergeräusche. Ich erinnere mich an den Dschungel von Costa Rica oder Mexico: Dort war eine fantastische Geräuschkullisse von zirpenden, zwitschernden, brüllenden, quieken und quakenden Geschöpfen zu hören. Ja ein richtiges Konzert! Der Winter ist ja auch nicht gerade die richtige Zeit um die Pflanzen in voller Blüte zu bewundern. Trotzdem beindruckend. Das viele Grün haut mich fast um. Grün ist die Hoffnung, oder wie war das noch? Da wuchern Pflanzen die ich zu Hause in meiner Wohnung liebevoll päppeln musste, damit sie nicht in der winterlichen Heizungsluft die Schraube machten. Irgend wann bin ich dann auf Sukkulenten und Wüstenpflanzen umgestiegen. Die sind wesentlich anspruchsloser. Staune, die überleben sogar die Zuwendung meines Sohnes!
Wir fragen uns wo denn all die Segler sind. Fährt denn niemand in den Süden? Zieht es alle in die Karibik? Ein Grund ist wohl die neue Visapolitk Brasiliens. Nein sorry. Das ist falsch ausgedrückt. Brasilien behandelt alle wie sie selber behandelt werden. Nach dem Prinzip “so wie du mir – so ich dir”. Alle Bürger aus Schengen Staaten, dürfen schlicht nur drei Monate in Brasilen bleiben. Dann drei Monate raus, um wieder einreisen zu können. Dieses Küste ist schlicht zu gross um in drei Monaten abgesegelt zu werden. Wir Schwiizer haben Glück. Sind zwar im Schengen mit dabei, aber haben nicht dieselbe Visumregulierungen. Unsere Visas konnten wir jedenfalls um drei Monate verlängern. Dies nicht mal mit all zu grossem Papierkrieg. Doch die langen Hosen und halbwegs anständige Schuhe werden von der Policia Federal schon erwartet. Sonst geht rein gar nichts! Präziser ausgedrückt, Thomi konnte sein Visa verlängern. Ich war ja einen Monat in der Schweiz um Ersatzteile aufzutreiben. War aber nicht drei Monate draussen. Als ich das Visa verlängern wollte, meinte der Beamte, das sei nicht nötig. Ich glaubte ihm nicht. Ging für zwei Stunden im Flughafen von Salvador shoppen und pflanze mich in den Warteraum um nach einer weiteren Stunde erneut eine Visaverlängerung zu beantragen. Saublöd, ich gerate ausgerechnet wieder an den selben Beamten, der mir natürlich wieder die selbe Auskunft erteilt. Ich bitte ihn mir seinen Namen aufzuschreiben. Nur so falls ich später Probleme bekommen sollte. Seine private Handynummer will er mir aber nicht rausrücken.

Nach dem Wandern ruhen wir uns an einem wunder schönen Strand aus. Was schwimmt denn da im Wasser? Da treibt was! Wau der Reiseführer scheint seine Versprechung doch einzuhalten. Die Insel mit den tausenden Spezies! Ich starre auf die Wasseroberfläche. Stehe auf, um genauer erkennen zu können, um was für ein Tier es sich handelt. Plötzlich tauchen schnaubend zwei Köpfe mit leicht überdimensionierten Taucherbrillen dirkekt vor mir auf. Ich schäme mich ein wenig, dass ich die beiden Schwimmer so entsetzt anglotze und husche wieder auf mein Strandtuch zurück. Es sind Kath und Franco von Wales, die mit ihrer Segelyacht angekommen sind. Sie wollen zu den Falkland Inseln segeln. Wir verbringen gemeinsam einen netten, lustigen Abend und ich wandere mit ihnen zu der Grotte “Gruta do Acaià”. Thomi hat eine entzündete Wunde am Fuss. Das kommt davon, wenn Segel barfuss gesetzt werden. Es ist nun mal schlicht zu kompliziert immer Schuhe zu tragen wenn es immer so heiss ist…

 
 
 
 

July 23 2015

Rio de Janeiro

Eine Grossmetropole. Ich mag keine Städte. Schon gar nicht so riesige. Salvador hat uns gereicht. Doch Rio ist ein Muss. Wir können doch nicht an Rio einfach so im grossen Bogen vorbei segeln. Alle Menschen schwärmen von dieser Stadt.
Gerne würde ich einen Freund aus der Schweiz, der nach Buzio ausgewandert ist besuchen. Doch die Windverhältnisse tragen uns nach Rio de Janeiro. Kurz vor Rio schlafft der Wind sogar ganz ab. Wir motoren in der Dunkelheit in den Iate Clube Caritas von Niteroi bei Rio.
Schlafen mal richtig aus, gniessen die nette Anlage des Yachtclub und lernen Pete den Amerikaner, der auch nach Patagonien will kennen. Uns haut’s mal fast aus den Havaianas, als wir den Preis für die Liegegebühr am frühen Morgen erfahren. Ein Clubmitglied bietet uns an, andere Yachtclubs abzuklappern. Er habe Zeit, sei pensioniert, müsse lediglich gegen ein Uhr seinen acht jährigen Sohn von der Schule abholen. Wir bleiben zwei Tage im Yachtclub. Die anderen wären noch teurer gewesen.
Von Anna und Franz haben wir den Tip für den optimalsten Ankerplatz von Rio bekommen. In Urca. Ankern direkt unter dem Zuckerhut! Position… Friedliches nettes Quartier. Abends hocken alle vor den Bars am Meer entlang auf der Mauer. Dort lernen wir die Argentinier die ebenfalls auf ihrer Stahlyacht in der Bucht liegen und Andrea und Marc kennen. Bei ihnen zu Hause können wir unsere stinkige Wäsche waschen. Wau das war echt der Hammer. Danke für die nette Zeit mit euch beiden! In Brasilien gibt es keine Waschsalons. Oder wir haben sie noch nicht entdeckt. Kleider müssen in teuren Wäschereien abgegeben werden.
Was stellt der Turist in Rio an? Die obligate Tour auf den Zuckerhut, Besichtigung des Christus auf dem Corcovado Berg, das neue Fussballstadion? Oder baden an den berühmten Stränden Cocacabana, Ipanema und Leblon?


Im Reiseführer stosse ich auf einen Mann der Touren in die Favelas anbietet. Erst finde ich das Angebot pervers. Ich gehe doch nicht Menschen wie in einem Zoo Affen angaffen. Doch der Gedanke lässt mich nicht los. Es kann doch auch nicht sein, nur die netten Dinge zu besichtigen. Mich interessieren die Menschen, ihre Lebenssiuation. Dazu gehört auch hinzuschauen, auch auf die unschönen Dinge einer Stadt.
Ich rufe an. Ich frage ihn, ob es für die Bewohner der Favela nicht entwürdigend ist, wenn er mit einer Horde Touristen anrückt. Manuel versichert mir, dass die Menschen von Rocinha die Touristen willkommen heissen. Für sie sei es eine Chance, dem Ruf von “nur Kriminelle und Drogendealer leben in Favelas” zu entkommen. Für die meisten sind die Favelas der Inbegriff des “Bösen, der Armut und Ausgrenzung. ”
Um zwei Uhr soll es losgehen. Vor dem Cocacabana Palace. Habe ich mich verhört? Das ist das feinste und teuerste Hotel der Stadt. Ich fluche schon und bereue, dass ich so eine depperte Turitour mitmache.
Mit einem klapprigen Ford Transit geht die Reise zusammen mit Fahrer Carlos, der selber in der Favela lebt, mit fünf weiteren Interessierten in die grösste Favela von Rio de Janeiro. Dort leben schätzungsweise 160’000 Menschen.
In Salvador habe ich mich einfach in einen öffentlichen Bus gehockt und bin durch die Favelas gefahren.
Doch Elia weiss viel über die Favelas zu berichten. Sie beantwortet Fragen. Die Strasse steigt steil den Hügel hoch. Die Armen haben hier die beste Aussicht! Erst zwischen protzigen Hochhäusern die kruvenreiche ehemalige Autorennstrecke hoch. Hinter einer amerikanischen Privatschule beginnt die grösste Favela Rocinha, wohl die grösste von ganz Südamerika. Monatliche Kosten für die Privatschule belaufen auf 3000 Dollar pro Monat. Was für ein Kontrast!
Ich erfahre, dass in Rio geschätzt 25 Prozent der Menschen in Favelas leben. Favelas sind illegal erstelte Hütten auf nicht erworbenem Gründstücken an ökonomisch uninteressanten Standorten wie zum beispiel Steilhänge. Strom wird abgezwackt und somit illegal bezogen. Die Infrastruktur ist erheblich bis sogar ganz eingeschränkt. Es mangelt an Kanalisation, Stromversorgung, medizinischer Versorgung, Bildungseinrichtungen. Grotesk, wer seine Kinder in die Schule schickt, bekommt finanzielle Unterstützung vom Staat.
Es handelt sich meist um Land – Stadt Migranten aus dem armen nordosten Brasilens. Sie hoffen auf ein besseres Leben in der Grossstadt. Sie fahren zum Beispiel Busse und Taxis, verkaufen am Strand den Touristen mit mobilen Ständen alles mögliche, arbeiten als Taglöhner auf dem Bau oder in einem der grossen Hotels an der Cobacabana. Regiert werden die Favelas von Drogenbaronen. “Amigos dos Amigos” heißt die Drogengang, die in Rocinha das Sagen hat. Hier herrschen andere Gesetzte die mit den Strukturen der italienischen Mafia zu vergleichen sind. Schutzgelder statt Steuern müssen bezahlt werden.

Wir steigen aus dem klapprigen Ford Transit und gehen zu Fuss weiter. Eine Regel noch: Nicht Fotos vom immern der Wohnungen machen, das ist immerhin noch privatsache. Wer Menschen fotografieren will, soll sie doch um erlaubnis bitten. Die Polizei hat leicht grimmig abgelehnt als ich sie fotografieren wollte. Die Gassen werden immer enger und verwinkelter. Kleine Treppen hoch und runter, Hütten über Häuser, nicht mal mehr der Himmel ist zu sehen. Kabelgewirr versperrt die Sicht nach oben. Aus den offenen Türen ertönt Kindergeschrei oder aus einem Radio brüllt laute Musik und da und dort kläfft ein Hund. Klitze kleine Bars und Schönheitssalons, Läden und Stände, es duftet nach leckerem Essen oder auch wieder mal nach Abwasser.
Die Menschen in den Favelas prägen die Kultur! Sie bereiten das ganze Jahr in unzähligen Arbeitsstunden den Karneval vor. Nähen, basteln, gestalten, üben Choreografien ein, die sie am Carnaval vortanzen. Auch einige zaubernde Fussballstars sind den Favelas entsprungen.
In anbetracht auf die Fussballweltmeisterschaft 2014 und die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro hat sich einiges getan. Im Jahre 2010 wurde eine 5000 Mann starke speziell ausgebildete Sondereinheit der Polizei gebildet, um die dortigen Drogenbanden zu vertreiben. Aber eben nur zu vertrieben. Dabei scheint es, dass sich die UPP auf die Zonen von touristischem oder olympischem Interesse konzentriert. Wie nachhlatig das Projekt ist, wird sich zeigen. Damit die Polizei in den engen Gassen der Favelas patroulieren könnten, müssten Hütten abgerissen werden um Strassen zu bauen. Einige Umsiedlungsversuche wurden unternommen. Doch die Menschen mögen diese Wohnungen nicht. Diese Häuser haben keine Dachterrassen auf denen sie bei dröhnender Musik ein Churraco, eine Grillparty veranstalten können.
Wir besuchen in Rocinha die Einrichtung für Kinder “Para Ti” für dich.

Hier können sie spielen, können sich geborgen fühlen, bei den Hausaufgaben wird geholfen oder gar Nachhilfestunden in Kleingruppen erteilt. Dort sind Menschen die sich um sie kümmern, ihre Freuden, kleinen und grösseren Sorgen mit ihnen teilen. Eine Art wie Jugendtreff. Hier wird gemalt, kreativ gewirkt, Yoga und Capoeira und Feste gefeiert.
Sechzig Prozent der Einnahmen für die Tour gehen an diese Einrichtung die übrigens vom Fiat Autokonzern lanziert wurde.
Stellt euch vor, die katolische Kirche bietet Aufklärung zur Familienplanung, bejaht Verhütungsmittel, dies wohl als Kompromiss zu zahlreichen illegal durchgefürhten Abtreibungen, die für die Frauen oft auch tödlich enden.
Ich frage mich wie die Menschen hier zur Arbeit kommen. Die Wege sind steil und beschwerlich.
Der Name “Favela” stammt übrigens von einer hübschen Kletterpflanze.
Meine Gedanken drehen immer wieder um die Favelas. Ich möchte noch vieles mehr erfahren! Dazu werde ich noch folgende Bücher lesen:
“Tropa de elite” /(Elite squat) und “The Slum” von Azevedo.
Sehr zu empfehlen ist der Film “Cidade de deus” /(City of God), der viele Filmpreise gewonnen hat. Die Darsteller sind fast alle in dieser Favela aufgewachsen. Zehn Jahre später wurde ein Dokumentarflilm gedreht, um in Erfahrung zu bringen, was aus ihren Leben geworden ist. “City of God ten years later”.
Rio hat uns sehr beeindruckt. Wäre echt schade gewesen hier vorbei zu segeln. Es gäbe noch so viel zu sehen. Doch die Windverhältnisse sind optimal um weiter zu ziehen.

July 11 2015

Arquipelago Abrolhos

“ABRA os olhos!” Mach die Augen auf! Das rief im 16. Jahrhundert ein Seemann dem anderen zu, wenn das Schiff vor der Küste des brasilianischen Staates Bahia in die Nähe der Korallenriffe kam. Diesem ständig wiederholten Warnruf soll eine Inselgruppe, die aus fünf kleinen Inseln besteht, ihren Namen verdanken: Abrolhos.
Wir haben Glück! Fast richtig getroffen mit der Flaute. Kurz vor dem Archipel stellt der Wind ab. Da es noch dunkel ist, nehmen wir die Segel runter und  lassen uns treiben. Gehen schlafen und halten alle dreissig  Minuten Ausguck. Bei Tageslicht motoren wir die letzten zehn Seemeilen und ankern südlich der Ilha Santa Barbara im ruhigen Wasser. Eine Fregatte der Brasilianischen Marine liegt prominent protzig in der Bucht vor Anker.


Mit dem Dinghi paddeln wir an Land. Doch bevor wir auch nur einen Fuss an Land setzen können, werden wir von einer wild gestikulierenden  Senhorita, mit hübsch geblümten Kleid daran gehindert. Dies sei militärisches Gelände welches nur mit einer Bewilligung betreten werden darf. Haben wir nicht. Ich frage nach dem berühmten ” jeito”. Ein Ausdruck, der in Brasilien alles möglich machen soll. Sie lächelt, schickt uns wieder weg, ruft hinterher, wir sollen um fünf Uhr auf Kanal 69 nachfragen, ob wir den Leuchtturm besichtigen dürfen.
Also paddeln wir wieder zur Robusta, schnallen den Aussenborder ans Dinghi und furzen zur Vogelschutzinsel die wir offensichtlich auch ohne Bewilligung besichtigen dürfen. Die Führung koste aber 54 Reals pro Person. Ganz schön teuer, aber ist ja eine gute Sache. Die Insel ist vor allem von weissen Tölpel, Sula Leucogaster,  bewohnt die nur hier und im Arquipélago Fernando de Noronha brüten. Sie legen jeweils zwei Eier. Überleben tut aber in der Regel nur ein Küken. Das Schutzgebiet ist von Petropras dem Ölkonzern Brasiliens finanziert. Die Führung dauert etwa eine Stunde. Ich erkundige mich wo wir  bezahlen müssen. Die Studentin entschuldigt sich in aller Form. Dies sei leider jetzt gerade nicht möglich. Sie hätten keine Formulare mehr die dazu nötig sind. All right! In Brasilien geht nichts ohne Formular, Stempel oder CPF, der persönlichen Identifikationsnummer. Kein Arztbesuch, aber gar nicht’s geht ohne dieses CPF Ding. Nicht mal den Computer kannst du in einem Geschäft zur Reparatur abgeben ohne  diese  Nummer. Mit viel Glück akzeptieren sie einen ausländischen Pass! Alles will exakt protokolliert und notiert sein in solch einem grossen, sich neu organisierendem Land. Nimmt mich wunder wo die all die Berge Papier hin stopfen, die nach Gesetz fünf Jahre aufbewahrt werden müssen.

Der “jeito” hat gewirkt. Wir dürfen die Insel Santa Barbara auch ohne Bewilligung betreten und den Leuchtturm besichtigen der den Schiffen  den Weg in der Dunkelheit weist. Tiefgefroren nach dem Schnorcheln, bunte  tropische Fischen im geschützten Korallenriff anschauen, gehen wir kurz vor der Dämmerung an Land. Wir werden sogar mit einem Dinghi bei der Robusta abgeholt!

Am Bugspriet bimmelt die Schiffsglocke die wir dort angebracht haben, damit die Wale, die nachts knapp unter der Wasseroberfläche schlafen, uns hören können. Wir hoffen so eine Kollision mit diesen Geschöpfen zu vermeiden. Früh morgens segeln wir weiter Richtung Süden. Und schon sehen wir in der Ferne die erste Fontäne. Da müssen Buckelwale sein! Die Studentin von der Vogelinsel gab uns Hinweise zum Verhalten wenn wir Wale begegnen. Nicht näher als 100 Meter an sie heranfahren. Nur von hinten. Falls sie uns zu nahe kommen, einfach den Motor anstellen. Diese Aussage irritiert mich ein wenig. Sie meinte wohl wenn sie direkt vor dem Bug auftauchen sollten. Ich wusste gar nicht wie verspielt diese Viecher sind. Sie springen mit dem ganzen Körper aus dem Wasser und klatschen mit grossem Getose in die Fluten. Zeigen uns ihre Flunken, schwimmen ganz nahe an der Robusta vorbei und winken dabei mit ihren gigantischen Flossen. Was für ein wunderbares Schauspiel das sich den ganzen Tag so hinzieht. Hier im nur um die 30 Meter tiefen warmen Wasser, gebären die Kühe ihre Babys. Im November ziehen sie mit ihrem Nachwuchs wieder in die nahrungsreiche  kalte Antarktis zurück . Erst probier ich noch zu fotografieren. Doch bei dem Seegang ein Ding der Unmöglichkeit. Befürchte die Kamera könnte Salzwasser abbekommen. Die Wasserdichte GoPro wurde uns ja geklaut. Wir geniessen das Schauspiel einfach so  und werden es als schönstes Erlebnis in Erinnerung behalten! Die beste Jahreszeit um Wale zu sehen ist zwischen Juni und November.

July 7 2015

Auf den Spuren Cabral's

Die langgezogene sanfte Atlantik Dünung verändert sich. Wellen tanzen ungeordnet umher. Schaumkronen glitzern im Sonnenlicht. Der Wind ändert seine Richtung. Die Luft riecht blumig betörend. Schwarzblaues Wasser ändert seine Farbe in türkis bis sandiges beige.
Ausgerüstet mit Seekarten auf dem Plotter, mit GPS und  AIS brausen wir mit östlichen Winden von Ilheus los. Neu sind wir sogar in Besitz von Navionics. Kein mühsames Zusammensuchen der Gezeitendaten aus dem Internet  ist mehr nötig. Alles praktisch auf dem Smartphone. Seekarten  von ganz Südamerika für 55 Franken. Unglaublich.
Damals  zur Zeit der grossen Entdecker,  ohne all die Technik, was waren das doch nur für mutige Menschen!
Ich stelle mir vor, ich Anja Cabral hocke im Ausguck einer Karavelle, nehme wahr wie sich das Meer plötzlich verändert.  Von Portugal via Kapverdischen Inseln bei Westafrika seit dem 9. März auf See. Auf der Suche nach einer Route mit stetigeren Winden via Südafrika nach Indien. Da sind die  gefürchteten Kalmen vor Westafrika, in denen die Schiffe teilweise Wochen in der Flaute nicht mehr weiter kamen. Menschen verdursteten und verhungerten.  Vor  515 Jahren machte sich der Portugiese Pedro Alvarez Cabral mit einer Flottillie von 1500 Mann mit dreizehn Karavellen, auf die Suche nach einer neuen Rute.  Cabral hoffte im Westen auf bessere Winde. Dabei stiess er unerwartet  am  22. April 1500 beim heutigen  Santo André auf Land und entdeckte somit Brasilien. Er glaubte zuerst es handle sich um eine Insel.
Auf den Spuren Cabrals Brasilen entdecken. Nur ist es  noch dunkel. Ich kann die Veränderung der Farbe vom Wasser nicht erkennen. Nach Seekarte sind hier viele vorgelagerte  Korallenriffe. Die Route in den Fluss nach  Santo André / Cabralia muss genau geplant sein. Hochwasser ist erst gegen halb zwölf. Wir treiben vor der Küste und warten auf den optimalen Zeitpunkt. Aus der Ferne erblicke ich eine Scuna die in Richtung Flusseinfahrt rauscht. Wenn die da jetzt rein passt, können wir auch los! Wir verfolgen die Scuna. Fahren dicht hinter ihr her, ganz nahe am Strand entlang. Ich hocke am Plotter  und gebe Anweisungen nach Seekarte wo lang fahren. Neiiiin mehr Steuerbord! Wir knallen in wenigen Sekunden ins vorgelagerte Riff! Thomi brüllt zurück: ich bin direkt hinter der Scuna, mehr rechts geht nicht! Da ist eine Sandbank! Ich kralle mich schon mal vorsorglich am Kartentisch fest. Das kann nicht sein! Ich haste nach oben, will das Steuer rumreissen. Wild schäumendes Wasser auf allen Seiten. Backbord Riffe und Mangroven die aus dem Wasser ragen, Steuerbord die Brandung vom Ufer. Wir sind durch! Das Wasser wird wieder ruhiger und tiefer! Krass.


So geht’ ohne Grundberührung zwei Stunden vor Hochwasser, Springtime bei einem Tiefgang von1.80 Meter!  Nicht zu früh aufatmen: Im Riff links steckt ein Holzstock der wie eine Frau aussieht. Dort abdrehen und Richtung Gaivota Kneipe steuern und ankern. Achtung nicht im Fahrwasser ankern!
Ohne Scuna wären wir wohl im Sand stecken geblieben ;-). Die Angaben in der Seekarte sind wage und ein Flusslauf verändert sich immer wieder. Wir ankern im Fluss vor der Kneipe Gaivota. Der Liebenswürdige Wirt erlaubt uns die Dusche zu benützen.

Mit dem Dinghi fahren wir mit einlaufendem Wasser im Fluss nach Cabralia. Fahren mit dem Bus nach Porto Seguro, verbringen einige nette Tage an den schönen Stränden der Gegend, lernen Anna und Franz mit Tochter Milena kennen. Thomi repariert den Autopilot von der “Out of Rosenheim”. Thomi hat von seinem alten Segelboot dieses Ersatzteil mit auf die Reise genommen.  Annemarie und Werner von der „Out of Rosenheim“ sind über glücklich nicht mehr von Hand steuern zu müssen!

July 3 2015

Ilheus

Es regnet was der Himmel nur so hergeben kann. Strassen sind überschwemmt und teilweise auch unterschwemmt. Was bedeutet, dass schon mal da und dort ein fettes Loch entstehen kann! In den Nachrichten zeigen sie ein Bild, da steckt ein ganzes Taxi kopfüber in solch einem Loch! Nun verstehe ich endlich warum die Taxis bei so heftigen Niederschlägen nicht gerne fahren.
Eigentlich wollten wir hier ja gar nicht stoppen. Mussten kurz vor dem Ziel gezwungenermassen umdrehen.
Geplant war mit dem Süd-Ost Wind so weit wie möglich nach Süden zu segeln. 40 Seemeilen vor Porto Seguro nahm der Wind bis zu 29 Knoten zu. Im GRIB File waren 10 Knoten vorhergesagt und sogar noch Flaute bis der Wind am übernächsten Tag auf Süd drehen und bis 25 Knoten zunehmen wird. Handelt es sich nur um einen durchziehenden Squall? Sind die Prognosen derart daneben? Wir müssen auf die Bremse, sind viel zu schnell. Wir wollen nicht in der Nacht ankommen. In der Bucht von Ilheus ankern viele Fischerboote, die in der Dunkelheit schlecht auszumachen sind. Wir binden zwei Reff‘s in das Grosssegel. Den Klüver rollen wir zu zwei Drittel ein. Breschen noch immer mit 6 Knoten durch die Wellen. Immerhin auf Vorwindkurs. Bei diesem Sauwetter sind keine Fischer draussen die bei Regen schlecht zu sehen sind.
Am frühen Morgen fällt der Anker vor dem Iate Club in der Bucht von Ilheus. Daniel hat hier mal gelebt und will mit uns zusammen gleich Freunde besuchen gehen.


Hier fragen wir gleich mal im Iate Club nach einem Mechaniker. Er soll morgen um zehn Uhr kommen wird uns versichert. Wir wollen uns die mittels Motorenhandbuch gestellte Diagnose bestätigen lassen.
In der hübschen kleinen Stadt essen wir mit Daniels Kollegin in einem Kilorestaurant. Typisch für Brasilien. Jeder schnappt sich einen Teller und geht zum Buffet und schaufelt sich, was er mag aus den zahlreichen ca. 20  Töpfen und Schüsseln mit all den verschiedensten Leckereien auf den Teller. Dann geht’s auf die Waage. Nein nicht wir, der Teller mit Inhalt wird gewogen.
Susi vermittelt uns auch noch einen Mechaniker. Lastwagenmechaniker soll dieser sein. Geht ja auch. Wir haben ja einen Traktorenmotor im Schiff. Er wird auf neun Uhr bestellt. Pünktlich um 9 Uhr, wie wir Schwiizer sind, hocken wir frisch geduscht im Iate Club Restaurant und erwarten den ersten Mechaniker. Gleich ist es Zehn Uhr, mal schauen ob es Nummer Zwei schafft. Ja tatsächlich um halb elf trifft ein Mann im ölverschmierten Overall, mit etwas überdimensionierten Hasenzähnen und von schlaffer Statur ein.  Kaum zu glauben, dass so ein Mensch eine Schraube lösen kann. Ich denke schon wieder gemein. Was ist denn das schon wieder für eine Pappnase?! Thomi und Daniel fahren ihn mit dem Dinghi zur Robusta. Die Diagnose wurde vom schlaffen Mann bestätigt. Er verspricht uns ein neues Relais zu besorgen. Gleich noch ein zweites als Ersatz für alle Fälle.
Anja

June 26 2015

Die Schere

Cool, endlich wieder unterwegs zu sein! Robusta ist nach Sturz vom Kran wieder einigermassen zusammengeflickt. Einige Kleinigkeiten müssen wir noch selber nachbessern. Die Geduld um dies von der Bahia Marina einzufordern, bis alles wieder tip top in Ordnung ist, wäre absolut sinnlos und wohl in zehn Jahren noch nicht zu erreichen gewesen. Ein Kampf gegen Windmühlen hat sich noch selten gelohnt. Einfach los und weg von hier. Den Bugspriet justieren wir später. An einem netteren Ort als Salvador. Zum Segeln passt es jetzt mal. Ein Schäkel mehr zwischen Furlex und Bugspriet, alle Stagen gespannt und ab die Post! Kleine Panne beim Grosssegel setzen. Ist am Grossbaum ausgefädelt. Sonst mit netten fünfzehn Knoten gegen den Wind kreuzen, was auch bedeutet gegen Strömung und Wellen zu stampfen. Daniel, ein absolut sportlicher Typ, Windsurflehrer und Gleitschirmflieger, kämpft gegen das Ungeheuer Seekrankheit. Mist. Hätten wir niemals gedacht, dass es ausgerechnet ihn trifft. Es kann offensichtlich alle treffen. Auch die grössten Seebären. Niemand kann etwas dafür. Es ist wie es ist. Sich in die Koje legen und dabei die Augen schliessen hilf. Ich fordere die Patienten auf sich hinzulegen und sich dabei zu entspannen. Nur schon um mal rein psychologisch die Erfahrung zu machen, dass sie der Situation nicht total ausgeliefert sind, wirkt beruhigend. Seekrankheit kann einem schon zum Wahnsinn treiben. So die Erzählung einer Freundin von einem Karibiktörn: Ein Crewmitglied ist fast durchgedreht, weil er die Seekrankheit nicht mehr aushielt. Wollte nur noch über Bord springen um dem ganzen Elend ein Ende zu bereiten. Mit kleiner Crew kann so eine Situation dann schon krass werden. Wenn es schon drei kräftige Kerle braucht, um das Vorhaben über Bord zu springen zu verhindern. Die Lösung in diesem betreffenden Fall war, den Herren in Fahrtrichtung blickend, an den Mast zu fesseln, bis er hoch und heilig versprach, keinen Terror mehr zu machen. Oje wie brutal! Übrigens, sowas haben wir noch nie getan.


Wir wollen möglichst weit nach Süden kommen. Doch früher als vorhergesagt, setzt die Flaute ein. Wir dümpeln einen ganzen Tag rum, baden und Daniel, jetzt wieder fit und offensichtlich hungrig, aktiviert hoch motiviert die Angelrute. Irgendwann nervt das Geschaukel. Wir entscheiden nach einem hin und her Gezanke den Motor doch anzuschmeissen. Batterien müssen eh geladen werden. Ohne Sonne und  Wind liefern die Salarpanelen und der Windgenerator kein Strom.
Doch da regt sich aber nichts! Nicht mal ein Zizizizi… Einfach gar nichts. Mein Magen zieht sich zusammen. Nein, nicht schon wieder was futsch! Ich krieg erst mal eine mittelmässige Krise. Thomi und Daniel starren in den Motorraum und blättern im Motorhandbuch. Die Kiste muss kurzgeschlossen werden. Mit einem Schraubenzieher sagt das Handbuch. Doch das geht so nicht. Da ist eine Stange im Weg um die beiden Stutzen  zu überbrücken. Was nun? Bis nach Rio de Janeiro liegen die meisten Orte an einem Flusslauf mit unmarkierten Sandbänken und Riffs. Nicht auszudenken so eine Einfahrt ohne Motor zu bewältigen. Weit und breit kein Schiff das angefunkt werden könnte.
In der Küche finden wir das optimale Werkzeug um den Motor kurzzuschliessen:
Eine Schere!
Die GRIB Files künden auf‘s Wochenende über 25 Knoten Südwind an. Genau von da wo wir hin wollen. Im Reiseführer forschen wir nach Orten um abzuwettern. Porto Seguro erreichen wir wohl kaum mehr. Mit Entsetzen stellen wir fest, dass wir vergessen haben die Gezeiten im Internet rauszusuchen. Auf hoher See gibt’s kein Google der helfen könnte. Wie doof! Ilheus ist der einzige Ort, der unabhängig vom Wasserstand angelaufen werden kann. Dort sind wir vor ungefähr 24 Stunden daran vorbeigesegelt.
Also drehen wir um und steuern Ilheus an.
Daniel will die Angelrute versorgen. Doch die Kurbel geht so streng. Alles verhockt oder was ist da los?
Nein ein Thunfisch hängt dran!

June 21 2015

Robusta wieder startklar

Santa Juhu liegt rekonvaleszent, mit fett entzündeter Narbe an der Schwanzflosse, liebevoll eingebettet in der Achterkabiene. Ein trauriger Anblick! Die normalerweise das Schiff beschützende Galionsfigur ist beim Sturz der Robusta vom Kran demoliert und grauslig wieder geflickt worden. Was hat sowas nur zu bedeuten? Was wollen uns die Götter der Seefahrt damit andeuten? Muss die Reise in die abgelegenste Gegend der Welt, Patagonien, neu überdenkt werden? Aberglaube, der die Menschen beschützt oder sie in ihrer Abenteuerlust einengt?
Er freut sich – ich mich nicht so recht. Von Lençois und den lieben Menschen dort, mitten im Nationalpark gelegen, mit atemberaubender Natur, verabschiede ich mich nur ungern. Besonders Christiane ist mir ans Herz gewachsen. Brasilien von einer komplett anderen Seite kennen zu lernen hat mir gut getan. Hat Wunden geheilt. Die Armut und das ganze Elend der Großstadt, das Unrecht zwischen dem enormen Gefälle von Arm und Reich. Die Oberschicht besitzt im Schnitt 29 mal mehr als die Mittelschicht. Ein weltweiter trauriger Rekord. Der Reiche ist weiß, der schwarze Reiche ist auch weiß. Eine wirklich treffende Aussage aus dem Buch “Kulturschock Brasilien” vom Reise-Know-How Verlag.

Daniel ist unglaublich nervös. Hastet unruhig hin und her, stellt noch einen Gegenstand neben seinen seit Tagen, nein schon seit Wochen bereitgelegten Gepäckberg. Gemeinsam reise ich mit ihm im Nachtbus von Lençois nach Salvador. Der Bus ist nur mit wenigen Leuten besetzt. Die Sitzplätze müssen jeweils vorreserviert werden. Die Busse sind wirklich unglaublich bequem. Jedenfalls viel bequemer als der Pöbel im Flugzeug hockt. Der Bugspriet ist nicht wie versprochen schon vorvorgestern gekommen. Robusta schwimmt immerhin schon wieder im Wasser als ich mit Daniel in der Bahia Marina ankomme. Das ganze Personal der Marina, inklusive Chef, waren beim Einwassern mit dabei. Diesmal hat‘s einwandfrei ohne Absturz geklappt.
Die Arbeiten wurden auf Garantie ausgeführt. Mit dem Unterschied, dass diesmal Thomi die Regie über die Ausführung hielt und der Mechaniker als Hilfsarbeiter fingierte!
Hier dazu Thomi: Ja die Reparatur der Antriebswelle; wir haben die Lager „Made in Brasil“ wieder ausgebaut. War nicht so leicht die Broncelager wieder aus dem Schaft hinauszubefördern. Und tatsächlich, alles war wieder zerraspelt und verbrannt. Die Welle brachten wir zu einem lokalen Dreher. Gleich auf die Drehbank geschnallt und siehe da: Die Welle war also tatsächlich krumm, nur ein wenig, von Auge nicht sichtbar. Zum Richten suchten wir dann einen anderen Dreher auf. Welch ein Unterschied! Nun der Einbau: Neues Lager rein, davor noch zwei Fixierschrauben an den Schaft geschweißt damit das Lager einen festen Halt haben wird. Die neue Stopfbuchse montiert, und schließlich die Welle wieder reingestopft. Die Bullflex Kupplung bekam einen neuen Vibrationsdämpfer und den Zentrierring. Alles toll und neu. Das Beste ist, dass die Stopfbuchse einen Schlauchanschluss aufweist. Dieser wird gerade genutzt zur Entlüftung damit in Zukunft gewährleistet ist, dass immer Wasser im Schaft sein wird. Ich denke wir haben nun das Bestmögliche getan um der Robusta einen adäquaten Schaft zu spendieren. Besser kann es nicht gemacht werden. Was bis jetzt nicht klar war, wann wurde denn die Welle krumm? Ich habe den Verdacht, sie war schon immer krumm, dies seit Schottland, wo wir diese neu eingebaut hatten. Ich vermute sogar, dass die neue Welle so geliefert wurde. Denn ein Symptom – der eiernde Motor während dem Segeln (langsam mit drehender Propeller) fiel mir schon damals auf. Da das Standgas zu hoch eingestellt war und der Gang drin war, richtete sich die Welle durch die Zentrifugalkraft von selbst aus. Jedoch mit tieferem Standgas hüpfte der Motor gefährlich im Raum herum.

Reisebereit aber wo bleibt der Bugspriet???

Die Wetterlage ist nicht gerade optimal um in den Süden zu stechen. Wind von Süd-Süd-Ost, wie es zu dieser Jahreszeit so üblich ist. Kreuzend gegen die Wellen fahren – das wird anstrengend. Doch nach drei Monaten wollen wir endlich weg von Salvador! Die Einkäufe für die nächsten zehn Tage hat Daniel mit dem Taxi angeschleppt. Beim Einräumen vom Proviant, entdecke ich zu meinem Entsetzten, im Schrank in einem Reispaket irgendwelche Viecher rumkriechen! Um die präventiv ausgelegten Kakerlaken Fallen liegen diverse mini kleine Kadaver reglos, mit ausgestreckten Beinen und raushängender Zunge auf dem Rücken. Daniel, voll nervös vor Vorfreude auf die Reise zur Ilha Grande und Robusta eigentlich bereit zur Weiterreise. Doch wo bleibt der Bugspriet? Im Land der Edelhölzer sollte es doch nicht problematisch sein so einen 2.20 Meter langen Prügel aufzutreiben.

Da kurvt auch schon die Karre vom Bootsbauer an. Der Bugspriet ragt prominent aus dem Kofferraum. Daniel erkennt das Material sofort mit einem Blick vom Schiff: geschütztes Tropenholz! Mein Gott. So eine Blamage. Was nun?? Sie hätten es von einem alten Schoner genommen. So lautet die widersprüchliche Antwort der Lieferanten. Krass. Wie peinlich.
Die Arbeitsmoral der Arbeiter lässt zu wünschen übrig. Die miese Entlöhnung erfolgt pro Arbeitstag. Eine Reparatur muss selber genau durchdacht und geplant sein. Hier in Brasilien geht das nicht, Schiff abgeben und dann wieder geflickt abholen! Die Stimmung in der Bahia Marina erlebe ich als trostlos. Ich bekomme mit, wie die Arbeiter von den ganzen Bonzen mit ihren fetten Motorbooten, von oben herab behandelt werden. 50 % der Brasilianer haben keinen Schulabschluss. Nur wenige schaffen die Aufnahme an eine Hochschule die sozusagen immer aus eigener Tasche finanziert werden muss. Der Staat investiert wenig bis gar nichts in die Bildung. Arbeiten neben Studium ist hart.Wer arm ist – hat auch kein Recht auf Bildung! Einmal in der Favela gelandet, kriegt kaum eine Chance dort jemals wieder raus zu kommen.
Obwohl vieles mit der Reparatur zu Beginn schief ging, war die Zusammenarbeit mit dem Mechaniker Carliños angenehm. Er ist ein liebenswürdiger Mensch und spricht auch ein wenig englisch! Thomi durfte sogar während den Reparaturen in seiner hübschen Segelyacht übernachten. Dem Chef der Marina ist der ganze Vorfall oberpeinlich. Wir müssen selbstverständlich keinen Real bezahlen. Können kostenlos so lange hier bleiben wie wir wollen, so viel Kranfahren bis es uns schwindlig wird. Lieber nicht! Morgen früh geht’s los Richtung Süden.

June 11 2015

Ein Fluch?

Ungläubig starre ich Daniel an. Ich kann es nicht fassen. Das ist jetzt aber gerade ein absolut geschmackloser Witz? Oder was? Der Tag war so super in der Chapada Diamantina! Endlich sollte ich nach meiner Rückkehr aus  den Ferien von den Ferien  auch noch was tolles in Brasilien erleben. Meine ersten Eindrücke von diesem Land waren keineswegs positiv. Nach sechs Wochen Großstadt Salvador, hatte ich die Nase gestrichen voll. Der Kulturschock hat mich voll erwischt! Dies obwohl ich bereits früher schon monatelang, alleine mit meinem kleinen Sohn, durch mehrere Länder Zentralamerikas gereist bin, mit nur einem kleinen Rucksack und zwei Hängematten unterm Arm. Der Überfall am Strand, all die Probleme mit den Mechanikern und die nervenaufreibende Ersatzteilbeschaffung und sonstige Dinge für die Weiterreise, veranlassten mich in die Schweiz zu reisen um die Ersatzteile dort zu besorgen. Bin mit nur 25 Stunden Verspätung gelandet; die Flugpiste hatte ein riesiges Loch das erst repariert werden musste.
Die Zeit mit meiner Familie, Sohn Sascha und mit all meinen Freunden habe ich mega ausgiebig genossen. Schade,  war echt zu kurz um die ganze Meute zu sehen. Tut mir leid, ich werde euch schreiben. Besonders die verregneten Tage im Wald am Rhein, mit euch langjährigen Freunden zu verbringen, auf dem Feuer unter freiem Himmel kochend und halt einfach lustig ausgelassen sein, waren super mega toll! Danke noch für die Gastfreundschaft! Ich wollte ja nur euch allen hoi sagen, vier Cervelats verspeisen (typische Schweizer Wurst, die auf dem Feuer gebraten besonders lecker schmeckt)  und einen Rucksack voll Schweizer Käse essen den ich unterwegs so vermisse. Daraus wurden vier ausgelassene tolle Tage!

Nun stehe ich an der Bar in der netten Pousada Serrano in Lençois im Nationalpark in Brasilien. Das Internet will nicht so recht. Es ist langsam. Ich will die Nachricht von Thomi lesen. Doch das kleine Rädchen am Display kurbelt fröhlich. Nix passiert. Ich warte ungeduldig bis das e-Mail geladen wird. Quatsche derweil mit den Leuten, mit denen ich den ganzen Tag auf Tour war. Wunderschöne Landschaft haben wir durchstreift. Eine gigantisch grosse Höhle mit Taschenlampe erforscht und die absolut atemberaubende Aussicht aus 1200 Meter Höhe genossen. Ich bin nur so halbwegs bei der Unterhaltung dabei. Konzentriere mich auf das bunte Rädchen das anzeigt, dass das Mail geladen wird. Dabei kullern mir die Tränen über meine Wangen. Auch ein Positionswechsel macht das Internet nicht schneller. Ich bestellte vorsorglich mal einen Caipi an der Bar. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreicht mich folgende Nachricht von Thomi:
Hoffe du hattest schönen Tag! Beim mit dem Kran  die Robusta aus dem Wasser zu hieven, rutschte der vordere Gurt nach vorne weg. Er verfing sich am Anker, doch Santa Juhu (Galionsfigur! Das allerheiligste Geschenk!!!) und der Bugspriet brachen ab! Unglaublich, zum Glück fiel die Robusta nicht nach vorne ins Wasser. Marina zahlt alles, gibt neuen Bugspriet, die Santa Juhu muss ich noch schauen wie regulieren. Sie können es flicken (die Seiten der Flosse sind abgebrochen) aber habe gesagt, sei ein Kunstwerk. Morgen gibt’s Plan wie alles repariert wird. Haben wir hier einen Fluch? Dafür kommt die Reparatur am Schaft gut voran. Beide Lager verbannt, offensichtlich falsche Montage… Die Ersatzteile sind top! Weiteres morgen… Hab dich lieb und tut mir leid wegen gestern, war traurig dich schon wieder gehen zu sehen. Geniess die Zeit bei Daniel! Habe nicht zu viel versprochen?
Übrigens, das letzte Ersatzteil ist ein Tag vor Abflug eingetroffen, meine Nerven lagen echt blank.
June 5 2015

Nach der Reparatur ist vor der Reparatur

Seit Mittwoch warte ich auf dem Boot in der Pier Salvador Marina auf Anja und die Ersatzteile, die alle kommen am Sonntag. Und noch einiges mehr wie Elektronik und weitere tolle Sachen, die es hier nicht so einfach zu kaufen gibt. Und wenn, dann schlagen sie mit einem Importzoll von 60% zu. Nächsten Dienstag kommt das Boot wieder aus dem Wasser und die Welle wird hoffentlich definitiv geheilt.
Folgende Arbeiten stehen an:

  • Demontage der Welle, der doofen Lager und der Vetus Bullflex
  • Prüfen der Welle ob gerade
  • Einbau des Reparaturkits der Bullflex, Einbau des einen Lagers (auf das zweite verzichte ich ja)
  • Einbau der neuen Wellendichtung mit Entlüftungsanschluss

Ich hoffe, das kommt alles gut, drückt mir die Daumen. Anja darf während der Arbeiten nach Chapada, Diamanta ausspannen und trecken. Und das ist doch auch ganz cool, so darf sie diese Gegend ebenfalls entdecken.