September 6 2015

Gin Fizz gegen Stahleimer Robusta

Nein hier ist nicht der Drink gemeint! Die Regattayacht Gin Fizz von Jeaneau. Ein kleines Wetterfenster ist in Aussicht.
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Wir entscheiden uns in fünf Minuten, ob wir es riskieren, die 360 Meilen bis Rio Grande Do Sul in Angriff zu nehmen. Die Einfahrt ist bei starkem Wind von Süd nicht zu schaffen. Auf der ganzen Strecke gibt es nur noch einen Hafen der jedoch nur vom Südwind Schutz bietet. Von der Küste, die bis weit raus sehr flach ist, wollen wir 30 Seemeilen Abstand halten. Den gefürchteten Pampero, ein Süd-West Wind aus Patagonien, der ungebremst über das flache Land von Uruguay pustet, wollen wir keineswegs kennen lernen!
Robusta und Gin Fiz (Mousse) ziehen in den späten Abendstunden los. Blue Belle will ein besseres Wetterfenster abwarten. Wie halbschlau die Entscheidung war, erfahren wir schon wenige Stunden später. Der Wind kommt erst von entgegengesetzter Richtung als prognostiziert. Irgendwann stellt er ganz ab. Mousse ist schon lange nicht mehr in Sicht. Auch nicht mehr mit Short Range Funk erreichbar.
Wir verbringen in den Wellen eine schlaflose Nacht und speziell ich bin entsprechend schlecht gelaunt. Ich ärgere mich, dass wir uns nur auf die Wetterprognosen aus dem Internet verlassen haben und nicht auch noch unsere Augen geöffnet haben! Die ziehenden oder eben nicht ziehenden Wolken am Himmel und den realen Wind, der eben schon am Land nicht da war, wahrgenommen haben. Wieder einmal mehr mussten wir erfahren, dass die GRIB Files die Topographie vom Land nicht oder nur schlecht berücksichtigt.


Am nächsten Morgen entscheiden wir uns mit dem schlappen Wind, der nun endlich aufkommt, nach Pinheira, wo wir gerade hergekommen sind, zurück zu segeln.
Blue Belle freut sich, dass wir wieder da sind!
Doch wo ist Mousse? Der neue Wetterbericht ist echt beschi….
 
 
 
 

September 1 2015

Wo bleibt der Nordwind?

Wo bleibt der Nordwind? Zwei Tage reichen nicht um hier weg zu kommen. Eigentlich müssten wir in ein paar Tagen bereits in Uruguay sein. Die Visas laufen aus. Eine erneute Verlängerung liegt nicht drin. Thomi ist schon seit dem frühen Morgen unterwegs, um unsere Pässe stempeln zu lassen und uns aus Brasilien abzumelden. Dies muss angeblich unbedingt getan werden, bevor die Visas abgelaufen sind.
Auf Morgen ist schon wieder die nächste Süd-Ost Front angesagt. Dann wird es in Florianôpolis ungemütlich. Hier wird der Wind zwischen Insel und Festland durch den Düseneffekt massiv verstärkt. Vor der letzten Süd Front haben wir und die Segelyacht Mousse etwas nördlich in der Enseada da Pinheira Schutz gesucht. Doch die Bucht verwandelte sich wie auf Knopfdruck in einen Hexenkessel. Der Anker von Mousse hat nicht gehalten! Glücklicherweise hatten sie den Ankeralarm gestellt. Doch bis die Hirnzellen die Information einordnen können, speziell wenn zwei Stunden vorher noch kräftig gefeiert wurde, ist Robusta schon wenige Zentimeter quer ab.
Wir hauen so bald es hell wird auch ab. Das Dinghi schaffen wir nicht an Deck zu wuchten. Doch selbst mit nur 1/3 ausgerolltem Klüver sind wir zu schnell! Das nachgeschleppte Dinghi wird durch die Wellen umgedreht. Es dreht sich zum Glück selber wieder in die gewünschte Position. Doch durch die nächste Welle wird es mit bedrohlich viel Wasser gefüllt! Wir müssen bremsen! Sonst verlieren wir unser Beiboot! Segel weg, Motor an, denn nun treiben wir schon gegen eine Untiefe. Mit dem Bootshaken schafft es Thomi den Stöpsel an der hinteren Bordwand raus zu drücken. Das Wasser kann nun wieder auslaufen.


Immerhin sind bei dem Sauwetter keine Fischer unterwegs. Ihre Netze sind mit einer kleinen schwarzen Flagge markiert. In welche Richtung sie gespannt sind, ist nur schwer auszumachen. Sie sind wie an einer feinen weissen Perlenkette aufgehängt und reichen bis an die Wasseroberfläche! Meist sind die Besitzer der Netze in der Nähe. Wenn Gefahr droht, fuchteln die Fischer wild mit den Armen. Folge ihnen, sie werden dir gerne den Weg weisen.
Im Norden von Ilha Santa Catarina herrscht Ententeich. Im absolut unbewegtem Wasser liegt die Mousse vor Anker.
Blue Belle hat im Iate Clube Florianôpolis ebenfalls eine grauenvolle Nacht verbracht!
Den folgenden Südwind wollen wir alle in der Enseada da Pinheira  abwettern.
Doch wo bleibt Thomi? Wir müssen los!

 
 

August 28 2015

Freudiges Wiedersehen in Florianopolis

In Jurerê, im Norden der Ilha de Santa Catarina, herrscht absolut tote Hose. Wir pflanzen uns in irgend einen Bus, der uns zufällig nach Centro Florionapolis bringt. Wir erleiden grad sofort mal kurz einen Städte-Zivilisations-Kulturschock. Der Bus wurstelt sich Millimeter für Millimeter durch sechsspurige Blechlawinen der Küstenstrasse an mächtig hohen, feinst aussehenden modernen Fassaden entlang. Traurig denken wir an das originelle authentische Brasilien zurück. Wir vermissen die Ruhe, die Natur, die Einfachheit und das üppige Grün! Im Süden scheint alles total komplett anders zu sein. Ähnlich wie in Europa. In der Innenstadt wird gearbeitet, am Abend verwandelt sich Hektik des Tages in eine menschenleere Geisterstadt. Wo sind all die Leute? Was tun sie nach der Arbeit? Wo sind die Bars, wo wird getanzt?


Das Wiedersehen mit Ugur und Maral von der “Blue Belle” wird fröhlich-feucht und ausgelassen gefeiert. Dabei lernen wir auch Lucie und Kevin kennen.
Lange hat’s gedauert bis wir endlich wieder aufeinander getroffen sind. Die beiden hatten auch eine harte Zeit hinter sich; Vorstag mitten im Atlantik gebrochen, dabei brach der Mast im obersten Teil. Dann auch noch Motorschaden weil sie nicht mehr segeln konnten. Als sie nach drei Monaten endlich ihre Ersatzteile bekommen hatten, fing das Theater mit der Robusta an und nun konnten wir nicht weiter segeln.
Toll haben wir uns nun wieder getroffen!!!

 
 
 

August 26 2015

Ilhabela – Ilha De Santa Catarina

Oh wie schön es doch jetzt in der Sauna wäre! Die vier Tage im Iate Clube können wir leider nicht voll auskosten. Das nächste Wetterfenster tut sich auf! Wind dreht auf Nord. Nach Sonnenuntergang geht’s los. Doch was ist mit dem Wind? Wetterbericht wieder mal falsch interpretiert? Die ganze Nacht soll es auch so bleiben. Schaukeln, immer wieder taucht erneut ein klapperndes Geräusch aus einer Schublade oder einem Schapp auf, das uns auf Trab hält. Das heisst einer von uns versucht mit Ohropax ausgerüstet, etwas Schlaf zu finden. Diesmal mit welchen aus der Migros. Die spanische engros Packung, mit den Dingern die nur noch mit grösster Mühe aus den Ohren zu kriegen waren, haben wir entsorgt. Vielleicht wären die jetzt gar nicht so schlecht geeignet gewesen, um Teller und der gleichen zu polstern.
Endlich nimmt der Wind zu! Da kommt doch freudige Stimmung auf.
Die nächsten Stunden prescht Robusta immer rasanter dem Ziel entgegen. Kochen wird zur Akrobatik. Der feine Randensalat mit selbst hergestelltem Kefir, landet kopfüber auf dem Boden. Nun sieht die Pantry endgültig wie ein Schlachtfeld aus. Der rote Saft findet auch schon seinen Weg zwischen den Schuhen direkt zum Notfallkoffer.
Reffen! Doch ein Blick auf den Windanzeiger bringt mich ins Stutzen. Elf Knoten Wind – neun Knoten Fahrt über Grund? Da klemmt wohl was. Prompt sind wir am sorgfältig errechneten Waypoint für die nächste Halse längst vorbei geschossen, was die nächsten 15 Stunden mühsames gegen den Wind aufkreuzen zur Folge hat. Wir waren zu schnell unterwegs, konnten somit den Südwind um zurück an die Küste zu kommen, nicht nutzen. Die Routen planen wir immer so, dass wir uns jeweils 20 bis 30 Meilen von der Küste frei halten. Erstens nerven die diversen mickrig beleuchteten Fischerboote so weit draussen nicht. Zweitens, falls wir auf den starken von Süd-Ost belastenden Carpinteiro treffen sollten, bleibt genügend Zeit und Raum um auf die Bremse zu treten.
Aus der Segler Gerüchte Küche vernehmen wir, dass ein Bekannter kurz nach uns in der Nacht auf 70 Knoten Wind gestossen ist und die Segel jetzt im Spital sind!
Alles Gute und wir sind froh, dass ihr alle heil an Land angekommen seid!!!
Weiss jemand wie die “Rumpfgeschwindigkeit” errechnet wird?
Keine Fotos, Kabel ist nicht mitgekommen.

August 24 2015

Ilhabela

Aus sechzig Meilen werden hundert! Die Überfahrt ist eine Katastrophe. Wenig Wind bei aufgewühlter See. Wir finden kaum Schlaf, sind dementsprechend grummelig drauf als wir  erst nach Sonnenuntergang in Ilhabela ankommen. In der Dunkelheit rammen wir fast ein fettes gelbes Seezeichen, welches nicht im Open CPN, in den vom Staat zur Verfügung gestellten Seekarten, eingezeichnet ist. Auch der fette, seit Jahren existierende Ponton vom Iate Clube Ilhabela ist nicht in der Seekarte angegeben! Wo ist denn das Bojenfeld? Wir schmeissen den Anker und pumpen das Dinghi auf. Hungrig wie die Wölfe, müde wie Schafe, paddeln wir an einen Steg. Dort blendet uns erst mal die super starke Tachenlampe vom Nachtwächter ins Gesicht. Aus der Küche direkt hinter ihm, strömen leckere Düfte von gebratenem Fisch, Filet Mignion und Moqueca in unsere Riechorgane…. Freundlich wird uns erklärt, dass die Anlage nur für Mitglieder ist. Viele Brasilianer sind in einem Iate Clube Mitglied. Auch wenn sie mit Segeln oder Motorbootfahren überhaupt nichts am Hut haben. Iate Clube Ilhabela sei dort drüben. Müde und hungrig und jetzt auch noch gereizt, finden wir nur schwer den Tackt zum geradeaus paddeln. Da ist ein kleiner Strand! Zwischen aufgebockten Yachten unter einem Holzdach, scheint eine Kneipe zu sein. Direkt vor den Tischen landen wir so unelegant wie möglich mit dem Dinghi an und beide enden mit den Schuhen im Wasser. Huch die Kneipe ist wohl ein Nobelschuppen! Lass uns erst mal die Karte zeigen. Die Bedienung führt uns vom Tisch den wir ausgewählt haben weg in einen Warteraum. Ohne Reservation dauerts halt ein wenig. Nun sitzen wir mit triefend nassen Schuhen und Hosen mit Seglerfrisuren, meine noch immer mit Kaulquappen geschmückt, zwischen chick gekleideten und reichlich parfümierten wartenden Leuten. Nach einem halben Bier ist es schon soweit. Wir werden platziert. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so flink arbeitende Menschen gesehen! Wir bestellen Asiahühnchen für zwei Personen. Suuuuper extrem leckerli! Das für umgerechnet nur 25 Franken.


Am nächsten Morgen die Überraschung: Wo sind wir hier?? Côte d`Azur? An den Bergflanken bis hoch hinauf stehen geschmackvolle Villen. Robusta haben wir im Dunkeln direkt vor der Einfahrt in die Marina geparkt 🙂
Die Anlage vom Iate Clube Ilabela ist super! Restaurant, Swimmingpool, Kinderzimmer mit diversen Bettchen, Sitzungsraum, Fernsehsaal, Bar und heisser Dusche und wer hätte es gedacht, sogar eine Sauna!
Bei der Anmeldung erfahren wir, dass wir vier Tage kostenlos liegen dürfen und alles benützen können. Doch ein wenig Papier und Stempelkrieg müssen wir schon über uns ergehen lassen. Der Marinero mustert skeptisch die von uns ausgefüllten Formulare. Telefonnummer fehlt! Haben wir nicht. Die anderen vier Marineros im Büro, alle mit einem Smartphone in den Pranken, grinsen ungläubig. Adresse fehlt auch. Haben wir keine. Aber ihr müsst doch irgendwo wohnen? Ein Haus besitzen. Nein wir leben auf der Robusta. Das ist unsere Adresse. Damit sie zufrieden sind, geben wir unsere alte Adresse an. Nun sollen wir noch von den vier eben ausgefüllten Formularen eine Fotokopie machen lassen.
Agora ou súbito? Está bem! Grins. Die Senhora vom Büro des Iate Clube erstellt uns die benötigten Kopien. Übrigens in Brasilien heisst der Kopierer nicht “fotocopiadora” sondern wird nach der Marke des Gerätes benannt. Der Xerox, Sharp oder so…

August 21 2015

Mamanaguã

Weg von der schönen Ilha Grande, wieder ans Festland, stimmt uns echt traurig. Mamanagua soll aber auch sehr schön sein. Nur der Wind will nicht so recht. Die GRIB Files schwören auf 10 Knoten Wind. Doch uns fällt auf, seit wir in Brasilien sind, schwindeln sie uns manchmal etwas an. GRIB Files berücksichtigen die lokale Topographie von der Küste nicht. Wo hohe Berge sind, wird der Wind umgeleitet, Fallwinde oder thermische Verhältnisse haben einen wesentlichen Einfluss auf die Wetterküche. Während der ganzen Reise haben die Wind- und Wetterprognosen zu 98 % zugetroffen. Für Brasilien trifft das jedoch nicht mehr zu.
Gleich wird der Blick in das von 800 Meter hohen Bergen umgebene Saco (Fjord) Mamanagua frei. Dunkles üppiges Grün. Da und dort eine kleine kahl geschorene Fläche. Im Saco leben nur wenige Menschen in drei kleinen Siedlungen. Dem Flusslauf folgend, bis zum kleinen Wasserfall, leben Indios in den Mangroven, die sich über Besuch freuen.
Innert Sekunden verwandelt der Wind die Söckli in Kniesocken und die im geschützten Deckshaus aufgehängten T-Shirts werden einen halben Meter länger. Fliegendes Wasser! Wau, der erste Vorgeschmack auf Patagonien? War das soeben ein Willywally, der sich nach Brasilien verirrt hat? In Patagonien kommen solche Fallwinde bei Westwindlagen vor. Ein cirka sieben Sekunden andauernder extrem starker Fallwind, der meist Hagel oder Regen und Schnee mit sich bringt. Zum Glück haben wir wenige Minuten zuvor gerade die Segel runter genommen. Die schwere Robusta legt sich trotzdem zur Seite. Schon folgt die nächste Böe. Wir fallen ab und flüchten vor dem Wind in das nächste Saco. Windstille, spiegelglattes Wasser, der Sonnenuntergang wirkt so friedlich. Das nur einige Minuten später! Wir ankern hinter einer kleinen Insel absolut windgeschützt. Zur Sicherheit stecken wir fünffache Kettenlänge.
Am nächsten Morgen versuchen wir  nochmals nach Mamanguã zu kommen. Kath und Franco segeln uns entgegen, als wir in die Bucht einbiegen wollen. Sie brüllen uns zu, “ganz hinten seit ihr geschützt, ankert links vom Strand”.
Wer liegt denn da? Familie Schüpfert! Gleich mal einen Besuch abstatten. Die Kinder haben gerade Schulunterricht bei Lehrpersonen Eltern.


Wenig später rasen ich mit Schüpferts zu siebt im Dinghi zum Fluss in die Mangroven. Thomi, vollgas alleine hinterher. Kracht über eine Welle, noch eine kleine Priese Wind dazugemixt, ergiebt fast den perfekten Rückwärtssalto. Ow jemineh, ich sehe schon den Fotoapparat baden gehen und den Motor in Einzelteile zerlegt, um vom Salzwasser befreit zu werden. Glück gehabt, nix passiert.
Die Flusseinfahrt ist schwer auszumachen. Einige Stecken zeigen den Weg. Wie denn jetzt, links oder rechts daran vorbei? Falsch, wir stecken im Schlamm fest. Also rechts rum.

Beim Wasserfall wollen die Kinder Blätter sammeln, um damit Kleider einzufärben. Doch die schönen grünen Blätter ergeben eine grauslig gräulich-beige Brühe. Solche Klamotten wollen die Kids nicht tragen.
Die Indios sind nicht da. Wir versuchens am nächsten Tag nochmals. Wieder niemand da. An einem Brett, von einem durch einem rein zufällig von einem Baum zerdeppertem Häuschen, klebt ein amtliches Dokument mit folgendem Inhalt:
Weiss jemand was das zu bedeuten hat??

August 18 2015

Ilha Grande Ost

Im Fratzenbuch lese ich eine Nachricht von Schüpferts. Sie machen sich Sorgen um Robusta und liegen eine Bucht weiter östlich mit ihrer Yacht. Anker auf und los gehts in die benachbarte Bucht. Doch da sind Schüpferts nicht! Dafür lernen wir Neuseeländer kennen. Sie wollen wie wir auch nach Patagonien, durch den Beagle Kanal nach Ushuaia, der südlichsten Stadt der Welt.


Die Bucht ist hübsch. Argentinier führen eine auf einem Floss eingerichtete Strandbar, die leider nur am Tag offen ist. Wir zotteln in Havaianas über den kleinen Hügel auf die andere Seite der Insel. Lopes Mendes, da liegt der Traumstrand aus dem Katalog! Weisser Sand, einige Kilometer lang, Natur pur und keine Hotelbunker. Zwei kleine improvisierte Stände, einer bietet belegte Brötchen und Getränke an. Der andere vermietet neben Snacks und Getränken Wellensurfbretter und Beachball. Wir mieten Beachball. Der blöde Ball fliegt in alle Richtungen. Wir hetzen hin und her um ihn immer wieder aufzuheben. Als nun auch noch ein Strassenköter auftaucht, der freudig kläffend mit Balli spielen will, löscht es uns ab. Der Hund hat gewonnen; er brennt mit dem Ball durch.

Ausser Bananen finden wir nichts Essbares im Dschungel. So wandern wir nach Abraão, um unseren Früchtevorrat aufzustocken und die Emails zu checken. Doch im Dorf ist es totenstill. Keine Musik dröhnt aus den Häusern, die übrigens in Brasilien immer überlaut sein muss. Stomausfall! Im Supermarkt legt der schwitzende Verkäufer hinter der Kühlvitrine, mit den schmachtenden Fleischstücken, meine Früchte auf die Waage. Fünfeinhalb Kilo schleppen wir nun zweieinhalb Stunden über zwei Berge, ohne die Emails gecheckt zu haben, zurück.
Lautes Geschepper weckt uns auf! Der ganze Abwasch, der zum Trocknen in der Pantry aufgestellt war, liegt am Boden. Der Wind hat auf Nord gedreht. In der Enseada das Palmas wird es immer ungemütlicher. Sobald es hell wurde, flüchten wir um die Insel in den Süden. Ankern ganz im Osten vom Traumstrand Lopes Mendes. Dort hocken im Schatten unter Palmen Don und die zwei Australier, die schon seit 18! Jahren am segeln sind. Jetzt wollen sie via Karibik durch den Panamakanal heim.

Der Nordwind kommt nicht so richtig über die Berge. Wir legen einen Zwischenstop am direkt neben dem Naturschutzreservat gelegenem Strand Paranaioca an. Schwimmen druch’s plötzlich so kalt gewordene Wasser an den Strand, laufen an der kleinen Kirche mit Friedhof vorbei zum Wasserfall. Kleine und grössere Becken laden zu einem Süsswasserbad ein. Thomi hopst über die Steine Richtung Strand davon. Ich eile so gut es geht über Baumstämme hinterher. Sehe ihn aber nicht mehr. Nur noch seine Fussspuren sind im Schlamm zu erkennen. Ich wate den Spuren folgend ins Wasser und saufe plötzlich im Blättermorast bis zum Hals ab. Mühsamst robbe ich durch Milliarden von aufgewirbelten Kaulquappen und Insekten auf einen Stein zurück. Wo ist Thomi? Ein schrecklicher Gedanke durchfährt mich: Ist er da im Morast abgesoffen? Bin ich womöglich auf seine Leiche getreten? Ich brülle wie eine Irre nach ihm. Nichts – keine Antwort! Weit vorne erblicke ich seinen Körper weiter unten am Fluss. Er lebt noch. Ganz unschuldig winkt er mir entgegen. Ich bin sauer. Was für ein Blödmann! Bei der Kirche treffen wir wieder aufeinander. Ich muss trotzdem lautstark fluchen. Mit Kaulquappen geschmückter Frisur, erkunden wir nun das Dorf. An einer Wegkreuzung steht doch tatsächlich eine Strassenlampe. Mitten im Dschungel! Wir folgen der fein säuberlich von Blätter befreiten Dorfstrasse, auf der locker zwei Autos, die es hier ja nicht gibt, nebeneinander kreuzen könnten. Tausend Menschen lebten mal im Tal. Kaum zu glauben. Jetzt sind es noch vier Familen. Zwei davon führen je einen Campingplatz. Holzpodeste mit Wellblechdächer für die Zelte stehen um die offene chaotische Küche, in der ein Mann in verschiedenen Töpfen auf dem Feuer etwas lecker riechendes schmort. Er bittet uns an den Tisch zu sitzen. Ich bleibe am Tischtuch kleben. Nicht wegen den Kaulquappen. Nein, hier hat es weit und breit keinen Laden um Putzmittel zu kaufen. Er klagt über die Politik Brasiliens und dass zu dieser Jahreszeit nur wenige Wanderer bei ihm übernachten.
Jede der vier Familien lädt uns für einen Schwatz in ihren Garten ein. Der zweite Camping ist von einem liebevoll angelegten Garten umgeben. An einer Wäscheleine hängen Fische zum trocknen. Nach drei Tagen ist die Delikatesse essbereit.
Der Wind frischt etwas auf, wir ziehen weiter. Weg von Ilha Grande. Ich muss fast heulen. Hier hat es uns super gut gefallen!

August 13 2015

Ilha Grande – Pico Papagaio

Salz brennt in den Augen. Es ist drückend heiss. Der Dschungel wird immer dichter. Daniel hat schon immer davon geschwärmt. Er wollte gemeinsam mit uns da rauf. Ganz früh aufstehen, was mir ja schon wieder gar nicht passt. Ich kämpfe mit dem inneren Schweinehund, der jetzt lieber am Strand liegen würde, um ein kühles Bad zu geniessen. Mit dem Schwiizer Sackmesser hacke ich mir zwei Stöcke aus dem Bambusgestrüpp, schneide sie auf die optimale Länge zu und nun können die Arme die nun mittlerweile bleiern schweren Beine entlasten. Jeder Schluck den wir trinken, quillt gleich wenige Minuten später aus sämtlichen Poren, rinnt salzig schmeckend, via klebriger Frisur über die Brauen, ungebremst in die Augen. Der Pfad führt über Wurzeln und Steine, wird immer steiler. Im Reiseführer von Ilha Grande wird gewarnt, den Aufstieg zum Pico Papagaio nur mit einem Führer zu bewältigen. Es hätten sich schon Leute verlaufen und die Nacht im Dschungel verbringen müssen. Ui da krabbelt, raschelt  und wuselt es! Wäk, wie grauenvoll der Gedanke doch ist im Gestrüpp zu übernachten, gehen wir trotzdem auf eigene Faust los. Der Trampelpfad durch dichtes Grün ist gut erkennbar!


Durch das Blätterdach der Bäume kann ich etwas Himmel erkennen. Das motiviert zum schneller gehen. Bald müssten wir oben sein! Das junge Paar das uns entgegen kommt, meint es daure noch eine Stunde bis zum 960 Meter über Meer liegendem Gipfel. Was für ein Frust! Wir sind doch schon gefühlte sieben Stunden unterwegs.
Für das letzte Stück deponiere ich meine tollen Wanderstöcke im Gebüsch. Jetzt geht es sozusagen auf allen Vieren weiter.
Der Ausblick über das Dach des Dschungels ist überwältigend! Intensives Grün und Blau soweit das Auge reicht. Doch schon viel zu früh müssen wir leider schon wieder für den Abstieg aufbrechen. Hier ist es bereits um sechs Uhr zappenduster.
Beim Absieg kommt uns doch ein Typ, Oben-ohne, in Surfshorts und mit Havaianas an den Füssen im Eiltempo entgegen. Der trainiert wohl für die Olympiade! Da kommen noch so zwei schräge Gestalten von unten aus dem Grün gekeucht. Sie betteln uns um Wasser an. Sie seien schon seit dem frühen Morgen unterwegs, hätten sich verlaufen und nun endlich den richtigen Pfad gefunden. Wir überlassen ihnen unser ganzen Wasservorrat für die Übernachtung im Dschungel.

Am Abend treffen wir uns mit Don. Er ist gerade von Patagonien gekommen und wir tauschen Informationen und Seekarten aus. Don hat eine coole Yacht! Er hat sie bei sich zu Hause auf seiner Ranch in Texas selber gebaut. Erst hat er Bootsbauer angestellt, die jedoch immer mal wieder nicht erschienen sind. Darum hat er selber Schweissen gelernt und die Yacht auf seine etwas über Corbusiers designte Möbel liegende Körpergrösse angepasst.
 

August 8 2015

10 Jahre Anja & Thomi

Wir können es selber kaum glauben, dass wir unser zehntes Jubiläum in Brasilien feiern. Quasi seit wir uns kennen gelernt haben, bereiteten wir uns auf diese grosse Reise vor. Der erste Satz den ich von Thomi hörte war folgender:
“mein grösster Wunsch ist es um die Welt zu segeln”
meine Antwort darauf war:
“also los, dann bring mir das Segeln bei”
Da sind wir nun in Brasilien. Auf Ilha Grande. Wer hätte es geglaubt! Unser zehntes Jubiläum dürfen wir gemeinsam mit super tollen Menschen verbringe. Sie brausen mit ihrem Dinghi, sozusagen aus heiterem Himmel zur Robusta und begrüssen uns. Sie laden uns auf ihre wunder schöne Escuna ein. Einem typisch brasilianischer traditionellen Schoner, der ebenfalls in der Bucht von Sitio Forte vor Anker liegt. Das ist einfach der reine Wahnsinn wie offenherzig die Menschen in Brasilien sind (Mechaniker gehören nicht dazu)!
Was für ein gemütlich toller Tag! Und sogar Thomi musste mal endlich portugiesisch reden!
Herzlichen Dank liebe Luzia,Lulu, João Pedro and Linda die noch mega riesig werden wird! Bald müsst ihr wegen dem Rottweiler-Boxer Mischling eine grössere Escuna kaufen!


Ich will am liebsten auch wieder einen Hund!
 

August 6 2015

Angra dos Reis

Ach ja, die Senhora vom Iate Club Charitas in Nitoroi bei Rio de Janeiro, wies uns ja darauf hin, dass wir von der Policia Federal und der Capitaneria dringend noch einen Stempel besorgen müssen, weil wir uns in einem neuen Staat Brasilens aufhalten. Da wir schon wieder alles frische Gemüse aufgegessen haben, segeln wir ans Festland nach Angro dos Reis um gleichzeitig auch noch einzukaufen. Auf Ilha Grande gibt es fast nichts. Ankern vor dem Iate Clube Piratas, paddeln mit dem Dinghi, ausgerüstet mit Tablet, gierig nach Internet und Lust auf eine erfrischende Dusche, in den luxuriösen Iateclub. Es scheint das Wasser wird immer dickflüssiger vor lauter Scheisse die da herum schwimmt. Es stinkt widerlich! Ich muss mich beherrschen, dass ich mich nicht gleich übergebe. Das mit der Dusche klappt nicht so wie gewollt. Erst müssen wir an dem Wachposten vorbei kommen. Nur Clubmitglieder oder Leute die mit ihrer Yacht hier liegen, können die Infrastruktur nutzen. Pro Fuss und Tag werden 14 Reals verrechnet! In Salvador nicht mal ein Real! Upa! Wir lassen nicht locker, bis der Wachmann vier Telefonate tätigt und wir schliesslich im Büro vorstprechen dürfen. Ausnahmsweise können wir hier duschen. Die wunderbare Luxusdusche gibt doch genau in dem Moment den Geist auf, als ich voll eingeseift war. Dafür gibt es im Einkaufszentrum zwei Stunden kostenlos Internet. Doch einkaufen ist hier unmöglich. Luxusfood vom feinsten! Super teuer!
Wir tuckern mit dem Dinghi der Küste entlang zum Zentrum. Doch wo anlegen? Scuna an Fischerboot reihen sich dicht gedrängt im Hafenbecken. Ausgerechnet die Shelltankstelle scheint die einzige Alternative um fest zu machen. Wir fragen den Senhor, ob wir hier parken dürfen. NEIN ist die Antwort.
Angro dos Reis ist ein kleiner authentischer brasilianischer Ort. Der Supermarkt liegt direkt von der Scunaanlegestelle. Die Auswahl im Supermarkt überfordert schon fast. Der vollgepackte rostige Einkaufswagen mit den quietschenden Rädern, lässt sich nur schwer zwischen den Gestellen durchmanövrieren. An der Kasse stellen wir fest, dass wir keine Kohle dabei haben! Ich packe alles wieder in den Wagen zurück und Thomi hastet zum Schiff. Ich warte eine halbe Ewigkeit gelangweilt zwischen den Gestellen mit meinem rostigen Einkaufswagen. Zweiter Versuch: Doch die Kreditkarte bockt! So peinlich, diesmal hat die Senhora schon alles eingetippt! Ich packe wieder alles in die Rostkarre zurück. Thomi eilt zur Bank. Nach einer unendlichen Ewigkeit erscheint er mit Bargeld, welches er auf der Robusta holen musste. Das Dinghi treffen wir mit nicht mehr all zu viel Luft im Hafen an! Wir schaffen es gerade noch knapp mit dem schlaffen überbeladenem Schwabbelding zur Robusta! Siehe da, wer ankert denn da weit draussen? Die mobile Shelltankestelle! Thomi begiebt sich geputzt und gestriegelt zu den Behörden. Der Gang zur Policia Federal wäre nicht nötig gewesen. Na ja, die vielen Regeln und Bestimmungen um die immense Bürokratie, sind offensichtlich für niemanden leicht zu verstehen.